Katastrophen machen Geschichte - oapen
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Torsten Meyer<br />
Form als agrarische Ressourcenkonkurrenten auf. Obgleich auf den ersten Blick<br />
weniger bedrohlich als Heuschrecken- und Sperlingsplagen, sind die alltäglich von<br />
ihnen ausgehenden Gefährdungspotentiale nicht zu unterschätzen. Denn zum<br />
einen blieb die Fläche urbargemachten Landes durch die gesellschaftliche Angewiesenheit<br />
auf das Holz, der wichtigsten strategischen Ressource der Vormoderne,<br />
begrenzt – Wälder konnten nicht endlos niedergelegt werden. 9 Zum anderen unterlagen<br />
Ernteerträge klimatischen Schwankungen, die das vergleichsweise niedrige<br />
Aussaat - Ernte - Verhältnis drastisch verschlechtern konnten. Und nicht zuletzt<br />
zeitigten in der Frühen Neuzeit die kriegerischen Aktivitäten verwüstende Wirkungen.<br />
Es wundert daher wenig, dass „Schädlinge“ immer wieder in Meta-Texten<br />
reflektiert wurden. 10 Aber auch Meso-Texte, Texte mithin, die dezidiert handlungsleitend<br />
wirken wollten, thematisierten den „Schädling“. Wie sah nun deren „Schädlings“-Semantik<br />
aus? Welches Bild des „Schädlings“ wurde konstruiert und vermittelt;<br />
welche „Schädlingsbekämpfungsstrategien“ vorgeschlagen?<br />
2.1 Der „Schädling“ der ‚vorklassischen‘ Naturgeschichte und der<br />
Hausväterliteratur<br />
1699 erschien in Augsburg das Traktat „Ebenbild der Natur“ von Stanislaus Reinhard<br />
Acxtelmeier. 11 Die Abhandlung steht noch ganz in der Tradition der ‚vorklassischen‘<br />
Naturgeschichte, sie trennt nicht die Dinge von den Wörtern, beinhaltet<br />
mithin noch konstitutiv die Fabel. Sie ordnet die Naturalien noch nicht nach ihren<br />
wesenseigenen, intrinsischen Merkmalen. 12 Doch ordnet sich das Traktat nicht nur<br />
in das Genre der ‚vorklassischen‘ Naturgeschichte ein, es ist zudem, nach Aussage<br />
des Autors, das erste deutschsprachige Buch über Ungeziefer. 13 Es adressiert in<br />
dieser Hinsicht vornehmlich an den agrikulturellen Akteur, den es „zu vielen schönen<br />
Wirthschafften“ anleiten will. 14 Doch trotz dieser ökonomischen Stossrichtung<br />
bleiben die Erörterungen von „Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen“ zurückgenommen.<br />
Ursächlich für eine solche Semantik ist die Einbettung des „Unzieffers“<br />
in theologische Zusammenhänge: „O GOtt! wie wundersam bistu in deinen Wer-<br />
9 Vgl. hierzu an Stelle vieler als Überblick: Bayerl, G. / Meyer, T. (1998): Energieprobleme im Mittelalter<br />
und Früher Neuzeit. In: Knauss, J. / Voigtmann, J. (Hg.): Technisierung des ländlichen Raumes<br />
– Landtechnik und technische Anlagen im Freilichtmuseum. Agrar- und Freilichtmuseum Schloß<br />
Blankenhain: Blankenhain, S. 23-47.<br />
10 Eine schematische Übersicht, die über das 18. Jahrhundert hinausreicht, findet sich in: Herrmann:<br />
Beitrag, S. 150.<br />
11 Acxtelmeier, S. R. (1699): Ebenbild der Natur/In Dem Entwurff dero Gewächsen/Unzieffern und<br />
einigen Thieren von vermischter Arth/mit Lehr= und Sinnreichen Sprüchen/Gedichten/Auslegungen/Sitten=Lehren/schönen<br />
<strong>Geschichte</strong>n/Künsten und Arzneyen/Zur<br />
Lust und zum Nutzen allerhand Gattungen Menschen/so wol in Schrift verfasset/als mit schönen<br />
Kupffern auf jede Materie gezieret, Augsburg.<br />
12 Vgl. hierzu: Foucault, M. (1989): Die Ordnung der Dinge, Suhrkamp: Frankfurt am Main 8, S. 165-<br />
170.<br />
13 Acxtelmeier: Ebenbild, Vorrede, ohne Seitenzählung.<br />
14 Ebd.