Katastrophen machen Geschichte - oapen
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Reinhard Bodner<br />
meidliche Endlichkeit mineralischer Ressourcen und das selbstgefährdende, ja<br />
vielleicht selbstzerstörerische Potential der Abbautätigkeit.<br />
5 Unterstes zu oberst. Anmerkungen zu einem volkskundlichkulturwissenschaftlichen<br />
Zugang zur <strong>Katastrophen</strong>- und<br />
Bergbauforschung<br />
Damit sind einige Grundzüge des „Zusammenhangs von oben und unten“ angedeutet,<br />
dem dieser Beitrag gewidmet war: Es ging zunächst um die naturräumliche,<br />
historisch umgearbeitete Dimension von Oberfläche und Untergrund, dann um<br />
den Konflikt, der sich 1999 zwischen den „Oberflächnern“ und der „Underground-Community“<br />
entspann, und schließlich um den Wunsch, die Oberhand<br />
über Naturgefahren zu haben, in seiner Beziehung zu dem Traum, sich die Natur<br />
mit ihren Ressourcen untertan zu <strong>machen</strong>. Durch das Felssturzereignis wurde<br />
„gleichsam das Unterste zu oberst gekehrt“ 77: in historisch-materieller Hinsicht,<br />
indem die Bewegungen an der Oberfläche als Symptom untertägiger Umgestaltungen<br />
gedeutet wurden, die das „das Innere der Erde nach außen“ 78 wandten; in<br />
subjektiver und sozialer Hinsicht, indem das unerwartete Ereignis auch Seelisch-<br />
Untergründiges an der Oberfläche des menschlichen Verhaltens und Bewusstseins<br />
zutage treten ließ; und in symbolisch-kultureller Hinsicht, indem mit dem Bergbau<br />
eine ganzes Bezugssystem in Frage gestellt wurde, das in Österreich seit der Nachkriegszeit<br />
nicht nur an ökonomischer Bedeutung, sondern auch an gesellschaftlicher<br />
Akzeptanz verloren hatte und nach dem Grubenunglück von Lassing in die<br />
Defensive geraten war. 79<br />
Aus volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Perspektive fordert eine Analyse<br />
der Ereignisse von 1999 zunächst dazu auf, deren Materialität nicht aus dem Blick<br />
zu verlieren: Die <strong>Geschichte</strong> der Felsstürze ist grundlegend eine Stoffgeschichte, es<br />
geht um Erz und Dolomit und um die zwangsläufige Endlichkeit mineralischer<br />
Ressourcen, aber auch darum, dass Steine ohne menschliches Zutun zu Tal fallen<br />
können. Damit soll nicht bestritten werden, dass unser Verhältnis zur Natur kulturell<br />
determiniert ist und dass von „<strong>Katastrophen</strong>“ erst die Rede sein kann, wenn<br />
und weil sie (um die bekannte Trias zu zitieren) wahrgenommen, gedeutet und<br />
77 Mit dieser Formulierung erläutert Bernd Rieken den <strong>Katastrophen</strong>begriff. Vgl. Rieken, B. (2008):<br />
Wütendes Wasser, bedrohliche Berge. Naturkatastrophen in der populären Überlieferung am Beispiel<br />
südliche Nordseeküste und Hochalpen. In: Psenner, R. / Lackner, R. / Walcher, M. (Hg.): Ist es der<br />
Sindtfluss? Kulturelle Strategien und Reflexionen zur Prävention und Bewältigung von Naturgefahren,<br />
Innsbruck University Press: Innsbruck (= alpine space – man & environment, Bd. 4; Ötztal-<br />
Archiv, Bd. 23), S. 99-119, hier 99.<br />
78 Heilfurth, G. (1981): Der Bergbau und seine Kultur, Atlantis-Verlag: Zürich, S. 81.<br />
79 Vgl. dazu Lackner, H. (2002): Bergbau im Wandel – Lassing und die Folgen für den Bergbau, die<br />
Bergbauwissenschaften und die Montangeschichte. In: res montanarum. Zeitschrift des Montanhistorischen<br />
Vereins für Österreich, H. 29, S. 45-50.