GEK Report: Heil- und Hilfsmittel-Report 2006 - Presse

Die Alters- und Geschlechtsverteilung bei der Behandlung sensomotorisch/perzeptiver
Störungen entspricht nahezu auch der Verteilung
aller ergotherapeutischen Leistungen nach Alter und Geschlecht (siehe
Abbildung II.7). Definitionen der Ergotherapie lassen zunächst nicht den
Schluss zu, dass dieses Heilmittel vorzugsweise für Kinder geeignet
ist. So lautet eine von Ergotherapeuten selber verfasste Erklärung:
„Ergotherapie unterstützt und befähigt Menschen jeden Alters, die in
ihren alltäglichen Fähigkeiten eingeschränkt oder von Einschränkungen
bedroht sind, für sie bedeutungsvolle Betätigungen in den Bereichen
Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer Umwelt durchführen
zu können.“ (Deutscher Verband der Ergotherapeuten, 2005).
Die Verordnungsrealität jedoch zeigt eine Nutzung der Ergotherapie zu
50 % bei Kindern bis zu 10 Jahren und in dieser Altersgruppe vorzugsweise
für Jungen. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich hierbei um
ein Phänomen der „Medizinisierung“ von eigentlich gesellschaftlichen
pädagogischen Aufgaben handelt (Fegeler, 2006), wenn ein so großer
Anteil von Kindern eine medizinisch-therapeutische Behandlung erfährt.
Dem Problem der Zunahme von (soziogenen) Entwicklungsdefiziten
bei Kindern kann nicht allein mit medizinischen Therapiemethoden
begegnet werden. In diesem Zusammenhang wäre zu wünschen, dass
die „Komplexleistung Frühförderung“, wie sie nach § 30 SGB IV seit 2003
vorgesehen ist, als interdisziplinär abgestimmtes System umgesetzt
wird.
51