Organisationsgrundlagen: Wandel der Organisation
Organisationsgrundlagen: Wandel der Organisation
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Komplexität bedeutet vielfältige, wenig voraussagbare, ungewisse und verän<strong>der</strong>liche Verhaltensmöglichkeiten<br />
für das Management und steht so dem einfachen Ursache-Wirkungsdenken<br />
entgegen, das dem Denken und Handeln vieler Manager zu Grunde liegt. Komplexität macht<br />
die Annahme fragwürdig, bestimmte Maßnahmen würden mit Sicherheit zu einem eindeutigem<br />
Ergebnis führen.<br />
Bleicher unterscheidet die Komplexität des Systems <strong>Organisation</strong> selbst (Eigenkomplexität)<br />
von <strong>der</strong> Komplexität des Umfeldes <strong>der</strong> <strong>Organisation</strong> (Außenkomplexität). Einer System-<br />
bzw. <strong>Organisation</strong>sgestaltung zur Bewältigung <strong>der</strong> Komplexität und Ungewissheit, die einseitig<br />
an <strong>der</strong> Suche nach Ansätzen einer Komplexitätsreduktion orientiert ist, steht Bleicher kritisch<br />
gegenüber. Dieser Versuch mag zwar <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> <strong>Organisation</strong>slehre entsprechen<br />
und eine vermeintliche Stabilität suggerieren, was allerdings in einer Zeit des <strong>Wandel</strong>s und <strong>der</strong><br />
Notwendigkeit innovativer Anpassungen äußerst fragwürdig und gefährlich sein kann. Eine<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Komplexität wird daher fallweise wesentlich zielführen<strong>der</strong> sein, um durch die<br />
Entwicklung neuer organisatorischer Strukturen den Anschluss an verän<strong>der</strong>te Umweltbedingungen<br />
zu finden (Bleicher, 1991b, S.13ff.). In diesem Sinne zitiert Bleicher Ulrich „Unter<br />
Komplexität wird im allgemeinen die Möglichkeit <strong>der</strong> geistigen Erfassung und Beherrschung<br />
eines Systems verstanden. Sie beruht auf dem Reichtum <strong>der</strong> Beziehungen zwischen den<br />
Elementen und seiner Umwelt und äußert sich bei dynamischen Systemen in einer sehr hohen<br />
Anzahl möglicher Zustände, die das System annehmen kann“ (Bleicher, 1991b, S.30).<br />
Im Detail beschreibt Ulrich bereits 1974 das Wesen <strong>der</strong> Komplexität sehr umfassend und<br />
folgen<strong>der</strong>maßen:<br />
„Man bezeichnet auch im täglichen Leben einen Sachverhalt dann als komplex, wenn er<br />
schwierig zu erfassen und vielschichtig und unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden<br />
kann, die jeweils eine an<strong>der</strong>e Seite <strong>der</strong> Angelegenheit beleuchten. In dynamischer Sicht äussert<br />
sich die Komplexität in einer Vielzahl von Zuständen, die ein System annehmen kann;<br />
die Anzahl möglicher unterschiedlicher Systemzustände wird in <strong>der</strong> Kybernetik als Mass für<br />
Komplexität verwendet und als Varietät bezeichnet. Offensichtlich ist die Komplexität eines<br />
Systems abhängig von <strong>der</strong> Anzahl seiner Elemente und dem Ausmass ihrer gegenwärtigen<br />
Verknüpfung wie auch von <strong>der</strong> Anzahl verschiedener Zustände, die jedes einzelne Element<br />
annehmen kann ... die Unternehmung und ihre Umwelt, können als dynamische, äusserst<br />
komplexe Systeme mit einer unvorstellbar großen Varietät bezeichnet werden; man denke nur<br />
an die Vielzahl von Menschen, die mit ihrem vielseitigen Verhaltensrepertoire als ‚Elemente’ in<br />
diesen Systemen agieren. Diese einfache Feststellung hat sehr tiefgreifende Konsequenzen.<br />
Sie bedeutet zunächst, dass die Tatbestände, auf die sich die Tätigkeit <strong>der</strong> Unternehmensführung<br />
bezieht, nicht vollständig erfassbar und erklärbar sind und dass vor allem zukünftige Verän<strong>der</strong>ungen<br />
und Zustände nicht mit Sicherheit voraussagbar sind. Der Zustand unvollständiger<br />
Information und unsicherer Zukunft, den die Führungskräfte so oft empfinden, ist also<br />
grundsätzlich nicht zu beseitigen ... Die Frage stellt sich daher, wie unter den offensichtlich<br />
bestehenden Komplexitätsverhältnissen eine erfolgreiche Unternehmensführung überhaupt<br />
möglich ist ... sie ist nur möglich durch eine kontinuierliche Komplexitätsbewältigung ... <strong>der</strong><br />
Varietätsreduktion, <strong>der</strong> Varietätserhöhung und <strong>der</strong> Anpassung an die bestehende Komplexität<br />
... Dabei muss die Unternehmensführung davon ausgehen, dass sie es ... mit zwei miteinan<strong>der</strong><br />
verknüpften komplexen Systemen zu tun hat, die sie in unterschiedlichem Ausmass beeinflussen<br />
kann: Die eigene Unternehmung und die Umwelt“ (Ulrich, 1978, S.187f.).<br />
Die begriffliche Beschreibung <strong>der</strong> Komplexität durch Ulrich, gekennzeichnet durch eine systemtheoretische,<br />
ganzheitliche und sehr reale Sicht, ist hochaktuell und ein solides Fundament<br />
<strong>der</strong> organisationsgestalterischen Bewältigung <strong>der</strong> Komplexität und Ungewissheit.<br />
Wesentliche psychologische Komponenten <strong>der</strong> Komplexität und Ungewissheit beschreibt<br />
Dörner:<br />
„Die Existenz von vielen, voneinan<strong>der</strong> abhängigen Merkmalen in einem Ausschnitt <strong>der</strong> Realität<br />
wollen wir als ‚Komplexität’ bezeichnen. Die Komplexität eines Realitätsausschnittes ist also<br />
umso höher, je mehr Merkmale vorhanden sind und je mehr diese voneinan<strong>der</strong> abhängig sind.<br />
Der Grad an Komplexität ergibt sich also aus dem Ausmaß, in dem verschiedene Aspekte<br />
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