Organisationsgrundlagen: Wandel der Organisation
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eines Realitätsausschnittes und ihre Verbindungen beachtet werden müssen, um eine Situation<br />
in dem jeweiligen Realitätsausschnitt zu erfassen und Handlungen zu planen ... Ein Eingriff,<br />
<strong>der</strong> einen Teil des Systems betrifft o<strong>der</strong> betreffen soll, wirkt immer auf viele an<strong>der</strong>e Teile<br />
des Systems. Dies wird ‚Vernetztheit’ genannt. Vernetztheit bedeutet, dass die Beeinflussung<br />
einer Variablen nicht isoliert bleibt, son<strong>der</strong>n Neben- und Fernwirkungen hat. Die Vielzahl <strong>der</strong><br />
variablen Merkmale bringt es mit sich, dass man die Existenz solcher möglichen Neben- und<br />
Fernwirkungen leicht übersieht ... Komplexität ist keine objektive Größe, son<strong>der</strong>n eine subjektive<br />
... Komplex ist ein System mithin immer im Hinblick auf einen bestimmten Akteur mit seinem<br />
Superzeichenvorrat. Der aber kann individuell sehr verschieden sein. Und deshalb gibt<br />
es keine objektive Komplexität“ (Dörner, S.60ff.).<br />
Komplexität ist somit nicht grenzenlos, son<strong>der</strong>n auf einen Realitätsausschnitt bezogen, und<br />
zwar auf verknüpfte Variablen, die sich wechselseitig und gleichzeitig beeinflussen können.<br />
Die Bestimmung des Realitätsausschnittes erfolgt subjektiv und ist somit keine objektive Systemeigenschaft<br />
(Dörner, S.60f.).<br />
Unter „Superzeichen“ versteht Dörner kein Konglomerat einer Unzahl von Einzelmerkmalen,<br />
„son<strong>der</strong>n eine ‚Gestalt’, so wie das Gesicht eines Bekannten nicht eine Vielzahl von Konturen,<br />
Flächen, Farbabstufungen usw. ist, son<strong>der</strong>n eben ein bestimmtes Gesicht. Solche ‚Superzeichen’<br />
ergeben sich aus <strong>der</strong> Erfahrung ... Superzeichen reduzieren Komplexität; aus vielen<br />
Merkmalen wird eines“ (Dörner, S.62).<br />
Komplexität ist aber auch gekennzeichnet durch Dynamik, zum Beispiel wenn Handeln unter<br />
Zeitdruck erfor<strong>der</strong>lich ist und nicht beliebig lang Informationen gesammelt werden können.<br />
Systeme haben aber auch eine Eigendynamik, welche die Erfassung ihrer Entwicklungstendenzen<br />
bedeutsam macht. Das macht Menschen manchmal große Schwierigkeiten. Komplexe<br />
Situationen zeichnet mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> Intransparenz bzw. Ungewissheit aus. „Viele Merkmale<br />
<strong>der</strong> Situation sind demjenigen, <strong>der</strong> zu planen hat, <strong>der</strong> Entscheidungen zu treffen hat, gar<br />
nicht o<strong>der</strong> nicht unmittelbar zugänglich. Er steht also – bildlich gesprochen – vor einer Milchglasscheibe.<br />
Er hat Entscheidungen hinsichtlich eines Systems zu fällen, dessen augenblickliche<br />
Merkmale er nur zum Teil, nur unklar, schemenhaft, verwaschen sehen kann – o<strong>der</strong> auch<br />
gar nicht. Selbst wenn er vollständige Kenntnisse über die Systemstruktur hat, wird er doch<br />
nie ganz genau wissen, welche Situation gerade wirklich vorhanden ist. Die Intransparenz ist<br />
eine weitere Quelle <strong>der</strong> Unbestimmtheit <strong>der</strong> Planungs- und Entscheidungssituation“ (Dörner,<br />
S.63f.).<br />
Der Akteur, <strong>der</strong> eine komplexe Situation innerhalb eines Systems bewältigen möchte, benötigt<br />
über das System Strukturwissen. Er sollte beispielsweise die Art und Weise kennen, wie<br />
Variablen des Systems zusammenhängen. Die Gesamtmenge <strong>der</strong> Annahmen und Vorstellungen<br />
des Akteurs bilden sein subjektives Realitätsmodell, das bewusst und je<strong>der</strong>zeit abfragbar<br />
ist o<strong>der</strong> nur eine ungefähre Idee sein kann, sozusagen eine Intuition o<strong>der</strong> ein Gefühl. Das<br />
Realitätsmodell kann richtig o<strong>der</strong> falsch, vollständig o<strong>der</strong> unvollständig sein. Meistens wird es<br />
Lücken und Irrtümer haben und die Mängel wollen und werden nicht erkannt werden. Unkenntnis<br />
und falsche Hypothesen sind daher Merkmale komplexer Situationen, <strong>der</strong>en Vorhandensein<br />
bei Komplexitätsbewältigungen berücksichtigt werden sollte (vgl. Dörner, S.64ff.).<br />
Einen wesentlichen Beitrag für die Transparenz und das Verständnis <strong>der</strong> organisationalen<br />
Komplexität und Ungewissheit haben die Systemtheorie (s.a. Wilms, S.69ff.; Gomez, 1981,<br />
S.39ff.; Willke: 2000, S.84ff., 1999, S.144ff., 2001, S.77ff., 84ff.; Berghaus, S.37ff.) und vor<br />
allem Luhmann geleistet (vgl. Luhmann, Sp.1064ff.). Der Begriff <strong>der</strong> Komplexität formuliert<br />
nach Luhmann das alte Problem <strong>der</strong> Einheit des Mannigfaltigen neu.<br />
Die Komplexität wird mit Hilfe <strong>der</strong> Begriffe Element und Relation definiert, was auch ihre<br />
Mehrdimensionalität bedingt. Drei Dimensionen müssen bestimmt werden, um das Ausmaß<br />
<strong>der</strong> Komplexität eines Systems festzulegen: Die Zahl <strong>der</strong> Elemente, die Zahl <strong>der</strong> im System<br />
möglichen Beziehungen und die Verschiedenartigkeit <strong>der</strong> Beziehungen. Weitergehende<br />
Begriffsbildungen beziehen den Faktor Zeit als vierte Dimension mit ein und berücksichtigen<br />
das Maß <strong>der</strong> Variationen pro Zeiteinheit, wie beispielsweise die Zahl von Personen<br />
o<strong>der</strong> Entscheidungen, die bei komplexen Lösungen jeweils zu berücksichtigen sind. Solche<br />
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