Gutachten zum Wald-Wild-Konflikt
Gutachten zum Wald-Wild-Konflikt
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Bei allen <strong>Wild</strong>arten spielen die Populationsstrukturen eine wichtige Rolle für die Art<br />
und das Ausmaß von <strong>Wild</strong>schäden. Dabei spiegeln sich auch natürliche<br />
Schwankungen der Populationsgröße und -struktur unmittelbar in der<br />
Verbisssituation wider (Didion et al. 2009). Im Folgenden werden wichtige Merkmale<br />
für die genannten Arten zusammengefasst.<br />
Rehwild:<br />
Das territoriale Rehwild lebt abgesehen von Mutter-Kind-Verbänden eher einzeln,<br />
wobei sich im Winter aus bisher nicht geklärten Gründen lockere Gemeinschaften<br />
von nicht miteinander verwandten Tieren bilden können („Sprünge“). Entgegen<br />
häufig postulierter anderer Meinungen ist das Rehwild keine Art der offenen<br />
Landschaften, sondern gebunden an deckungsreiche Vegetation wie Wälder,<br />
<strong>Wald</strong>ränder und Gehölzinseln (Andersen et al. 1998). Dies zeigt die nacheiszeitliche<br />
Verbreitungsgeschichte, die immer dem Vordringen der <strong>Wald</strong>grenze entsprach, und<br />
der Körperbau, der dem „Schlüpfertyp“ entspricht und deshalb keine langen Fluchten<br />
in offenem Gelände zulässt. Seine Anpassungsfähigkeit hat das Rehwild allerdings<br />
<strong>zum</strong> Kulturfolger gemacht. Ein Grund hierfür ist auch darin zu sehen, dass die<br />
favorisierten Territorien im <strong>Wald</strong> oft belegt sind. Bei Versuchen im Hakel (ehem.<br />
<strong>Wild</strong>forschungsrevier der DDR) bildeten sich Feldrehbestände erst nach drastischer<br />
Anhebung der Rehwilddichte im <strong>Wald</strong> von 1 auf 20 Rehe/100ha (Wölfel 1999). Der<br />
Körperbau und besonders der Verdauungstrakt (relativ kleiner Vormagen mit großen<br />
Öffnungen zwischen den einzelnen Abschnitten und damit nur kurzer Verweildauer<br />
der Nahrung) zwingen das Rehwild <strong>zum</strong> „Konzentratselektieren“. Das heißt, dass<br />
Rehe vielfältige, leicht verdauliche, protein- und nährstoffreiche Äsung benötigen und<br />
demzufolge fast ausschließlich zweikeimblättrige Pflanzen fressen und verwerten<br />
können. Dadurch werden häufig die selteneren Pflanzenarten „herausselektiert“. Dies<br />
macht eine artenreiche Baum- und Strauchverjüngung in dicht von Rehwild<br />
besiedelten Gebieten ohne Schutzmaßnahmen unmöglich. Unter den wichtigsten<br />
Wirtschaftsbaumarten ist besonders die Verjüngung der Eichenarten, der Weißtanne<br />
und der Edellaubhölzer durch Rehwildverbiss gefährdet (s.u.). Durch Fegen des<br />
Rehbocks sind neben vielen Laubbaumarten besonders junge Douglasien, Lärchen<br />
und Kiefern betroffen. Nilsson und Gemmel (1989) sowie Johansson (2000) stellten<br />
fest, dass vor allem seltene und fremdländische Baumarten gefegt werden. Die seit<br />
vielen Jahrzehnten übermäßige Hege des Rehwilds und verbesserte<br />
Lebensbedingungen haben zu einem enormen Anstieg der Rehwilddichten geführt<br />
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