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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

Geldpolitische Rücksichtnahme auf Wechselkurs<br />

und Konjunktur<br />

134. Die Bundesbank sah sich auch in diesem Jahr<br />

einem Konflikt zwischen außenwirtschaftlichen<br />

Zwängen und binnenwirtschaftlichen Zielsetzungen<br />

ausgesetzt. Bereits zu Jahresbeginn stand die D-Mark<br />

aufgrund des hohen Zuflusses von langfristigem Kapital<br />

und infolge von politischen Äußerungen über einen<br />

weiteren Fall des Dollar-Kurses unter starkem<br />

Aufwertungsdmck. Von amerikanischer Seite wurde<br />

wiederholt die Forderung nach einer expansiveren<br />

deutschen Geldpolitik gestellt. Im Fehruar stimmte<br />

die Bundesregierung im Louvre-Abkommen einer Politik<br />

zu, die zu stabileren Wechselkursen führen sollte.<br />

Zur Erfüllung dieses Abkommens, aber auch wegen<br />

der zu Jahresbeginn durchaus labilen gesamtwirtschaftliehen<br />

Entwicklung entschied sich die Bundesbank<br />

tür eine noch expansivere Gangart, die die Zentralbankgeldmenge<br />

weiter von ihrem Zieltrichter entfernte.<br />

Das Drängen auf eine weitere Herabsetzung<br />

der deutschen Notenbankzinsen ließ jedoch nur vorübergehend<br />

nach. Als die Bundesbank im Laufe des<br />

zweiten Halbjahres die Zuteilungssätze für Wertpapierpensionsgeschäfte<br />

in Anpassung an die Marktlage<br />

geringfügig erhöhte, sah sie sich heftiger Kritik<br />

insbesondere aus dem Ausland ausgesetzt. Hierbei<br />

wurde deutlich, wie gering der Handlungsspielraum<br />

für die Geldpolitik derzeit ist, zugleich den Außenwert<br />

und den Binnenwert der Währung zu sichern.<br />

Der Bilanzzusammenhang der monetären Analyse zeigt, daß<br />

der Geldschöptungsprozeß auch in diesem Jahr in starkem<br />

Maße durch Mittelzuflüsse aus dem Ausland beeintJußt war.<br />

Inländische Nichtbanken nutzten den hohen LiquiditätszutJuß.<br />

der durch den Überschuß im Warenverkehr mit dem Ausland<br />

und - im ersten Halbjahr - auch durch den langfristigen Nettokapitalzustrom<br />

entstanden war, vor allem dazu. ihre Kreditaufnahme<br />

bei den Banken gering zu halten. Im Bankensystem<br />

äußerte sich dies in einem starken Anstieg der Nettoforderungsposition<br />

gegenüber dem Ausland bei gleichzeitig schwacher<br />

Expansion des inländischen Kreditvolumens. Gering blieb auch<br />

in diesem Jahr die Neigung, liquide Mittel längerfristig anzulegen;<br />

entsprechend schwach war die kontraktive Wirkung, die<br />

die Geldkapitalbildung auf das monetäre Wachstum ausübt.<br />

Zum Teil schlug sich der Geldzufluß auch in einem Anstieg der<br />

Nettotorderungsposition inländischer Unternehmen gegenüber<br />

dem Ausland nieder.<br />

135. Eine auf feste Wechselkurse abzielende GeIdpolitik<br />

begibt sich in die Abhängigkeit von der Geldpolitik<br />

des Auslands. Im Prinzip kann sich die Geldpolitik<br />

nur dann von der monetären Entwicklung im<br />

Ausland wirksam abkoppeln, wenn sie auf Bewegungen<br />

der Wechselkurse und die damit verbundenen<br />

Konsequenzen keine Rücksicht nimmt. Neben allzu<br />

abrupten Veränderungen des realen Außenwerts gibt<br />

es jedoch auch dauerhafte Verschiebungen in den<br />

internationalen Währungspräferenzen. die geldpolitisch<br />

nicht zu negieren sind. So kommt es für die deutsche<br />

Geldpolitik darauf an, ob sich die Währungspräferenzen<br />

zugunsten der D-Mark-Haltung verschoben<br />

haben und die deutsche Währung von daher unter<br />

Aufwertungsdruck gesetzt ist. Einer solchen Erhöhung<br />

der Geldnachfrage nicht nachzukommen, hieße<br />

am Binnenmarkt geldpolitischen Restriktionsdruck zu<br />

erzeugen (JG 86 Ziffern 26011.). Für die gegenwärtige<br />

Situation dürfte dieser Zusammenhang jedoch nur<br />

von geringer Bedeutung sein. Zumindest ist die Beobachtung,<br />

daß sich die monetäre Expansion praktisch<br />

weltweit, und in vielen Ländern noch rascher als in<br />

der Bundesrepublik, beschleunigt hat, schwer mit der<br />

These zu vereinbaren. daß sich die Währungspräferenzen<br />

lediglich zugunsten der D-Mark verschoben<br />

haben. \<br />

Hohe Nachfrage nach liquiden Mitteln<br />

136. Die Liquiditätsvorliebe inländischer Nichtbanken<br />

war auch <strong>1987</strong> hoch. Dies zeigt ~ch besonders<br />

deutlich in der raschen Zunahme der Bestände an Bargeld<br />

und Sichteinlagen, die in der Geldmenge M1<br />

zusammengefaßt sind und die von Jahresbeginn bis<br />

zum September nach Ausschaltung von Saisoneinflüssen<br />

um rund 25,4 Mrd DM ausgeweitet wurden.<br />

Auf das gesamte Jahr umgerechnet entspricht dies<br />

einer Wachstumsrate von etwa 10 vH. Deutlich langsamer<br />

expandierten das weiter abgegrenzte Geldmengenaggregat<br />

f\.f2, welches neben den Komponenten<br />

von MI auch Termingelder mit einer Befristung<br />

von unter vier Jahren einschließt. und die Geldmenge<br />

M3, die darüber hinaus auch Spareinlagen mit<br />

gesetzlicher Kündigungsfist enthält (Schaubild 24).<br />

137. Zum Teil mag die hohe liquiditätsneigung inländischer<br />

Anleger darauf <strong>zur</strong>ückzuführen sein, daß<br />

diese die Kosten der Geldhaltung bei nahezu stabilen<br />

Preisen und niedrigem Zinsniveau gering erachten.<br />

Wenn nach einer erfolgreichen Inflationsbekämpfung<br />

dauerhaft mit niedrigen Zinsen gerechnet wird und<br />

sich die Geldnachfrage daher erhöht, kann dies durch<br />

eine entsprechende Ausweitung der Zentralbankgeldmenge<br />

alimentiert werden. ohne daß dabei Stabilitätsgefahren<br />

entstehen.<br />

Zweifellos hat das Nachlassen des inflatorischen<br />

Drucks seit 1981 wesentlich dazu beigetragen, daß die<br />

Nominalzinsen im Trend gesunken sind. Gleichwohl<br />

spricht einiges dafür, daß die tendenzielle Umschichtung<br />

der Vermögensbestände zugunsten der Geldhaltung,<br />

die sich seit Mitte letzten Jahres - also in einer<br />

Phase zunächst nur leicht rückläufiger und dann wieder<br />

steigender Zinsen - beschleunigt hat. nicht allein<br />

durch den geringen Ertragsverzicht der Geldhaltung,<br />

sondern in zunehmendem Maße von der Erwartung<br />

wieder steigender Zinsen und niedrigerer Wertpapierkurse<br />

getriehen wurde (Schaubild 25).<br />

138. Dies kommt vor allem im Dispositionsverhalten<br />

der Akteure auf den Kredit- und Kapitalmärkten zum<br />

Ausdruck. Während sich Kapitalanleger offenbar in<br />

Erwartung möglicher Kursverluste beim Erwerb festverzinslicher<br />

Wertpapiere <strong>zur</strong>ückhielten und anlagebereite<br />

f\.1i.ttel vorzugsweise kurzfristig anlegten, waren<br />

Wertpapieremittenten und Schuldner bestrebt.<br />

sich mäglichstlanglIistig zu den diesjährigen Konditionen<br />

zu verschulden. Als Folge dieser veränderten<br />

Finanzierungsstruktur erweiterte sich die Renditedifferenz<br />

zwischen kurzfristigen und langfristigen Kapitalanlagen<br />

vom Jahresbeginn bis September um mehr<br />

als einen halben Prozentpunkt. Die Erwartung wieder<br />

steigender Zinsen dürfte zum einen auf Unsicherheit<br />

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