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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

ßen <strong>zur</strong> Jahresmitte auch in der Bundesrepublik die<br />

Zinssätze steigen. Die Rendite langfristiger Staatspapiere<br />

erhöhte sich innerhalb kurzer Zeit um mehr als<br />

einen Prozentpunkt. Die Bundesbank unternahm im<br />

Herbst den Versuch. mit einer Anhebung ihrer kurzfristigen<br />

Zinssätze das Geldmengenwachstum zu verringern.<br />

Wenngleich sie dies in sehr vorsichtiger<br />

Weise tat, zog sie sich damit massive Kritik aus dem<br />

Ausland zu. Kurz danach überstürzten sich die Ereignisse<br />

an den internationalen Börsen und Wertpapiermärkten.<br />

Nie zuvor beobachtete Kursstürze an den<br />

Aktienbörsen und ein auf einen neuen historischen<br />

Tiefpunkt fallender Dollarkurs beleuchteten schlaglichtartig<br />

die Enge des Handlungsspielraums, der unter<br />

den Bedingungen eines zunehmend integrierten,<br />

aber auch starker politischer Einflußnahme ausgesetzten<br />

Weltkapitalrnarktes der Geldpolitik noch verbleibt,<br />

wenn sie sowohl die Geldmenge unter Kontrolle<br />

zu halten als auch Wechselkursstabilität zu gewährleisten<br />

versucht.<br />

In dieser Situation zögerte die Bundesbank nicht,<br />

ebenso wie die Zentralbanken der anderen großen<br />

Industrieländer, die Geldschleusen weiter zu öffnen.<br />

Da zudem der Trend an den Kapitalmärkten nunmehr<br />

zu den Rentenwerten ging, sanken auch die Zinsen<br />

am ..langen Ende" wieder (Ziffern 129fl.).<br />

66. Ein unerwartet geringer Anstieg der Steuereinnahmen<br />

von 31J2 vH bei ungebrochenem Ausgabenzuwachs<br />

führte dazu, daß sich <strong>1987</strong> die Finanzierungslücken<br />

auf allen Haushaltsebenenvergrößerten,<br />

das Defizit der Gebietskörperschalten betrug <strong>1987</strong> in<br />

der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen<br />

bereits wieder 44 Mrd DM nach<br />

33,6 Mrd DM im Vorjahr. Der damit verbundene expansive<br />

konjunkturelle Impufs in Höhe von<br />

10'/2 Mrd DM hat zwar, für sich genommen, in diesem<br />

Jahr <strong>zur</strong> Stützung der Nachfrage beigetragen. In mittelfristiger<br />

Sichtlassen höhere Defizite unddie vorläufige<br />

Beendigung der Konsolidierungspolitik jedoch<br />

höhere Zinsen und wieder ansteigende Steuerbelaslungen<br />

erwarten. Im Jahre <strong>1987</strong> betrugen die Zinsausgaben<br />

des Staates bereits 59\!2 Mrd DM, sie waren<br />

damit etwa genauso hoch wie das Aufkommen von<br />

veranlagter Einkommensteuer und Körperschaftsteuer<br />

zusammengenommen. Auch in der Eindämmung<br />

der staatlichen Ausgabendynamik ist <strong>1987</strong> bei<br />

einemAnstieg der Ausgaben der Gebietskörperschaften<br />

von gut 4 vH kein Fortschritt erzielt worden. Insbesondere<br />

ist es nicht zu einem Abbau von Subventionen<br />

gekommen, die im Subventionsbericht ausgewiesenen<br />

Finanzhilfen und Steuervergünstigungen<br />

sind <strong>1987</strong> sogar nochmals um reichlich 3 vH gestiegen<br />

(Ziffern 145ft).<br />

67. Die Abschwächung der Produktionsentwicldung<br />

hat auch am Arbeitsmarkt deutliche Spuren hinterlassen.<br />

Am Jahresende waren zwar etwa 95 000 Personen<br />

mehr beschäftigt als Ende 1986, da aber die Anzahl<br />

der Erwerbspersonen stärker zunahm, ist auch<br />

die Arbeitslosenzahl um 95 000 Personen angestiegen.<br />

Dies lag auch, aber nicht allein an der prekären Situation<br />

der Krisenbranchen, in denen es erneut zu be-<br />

trächtlichen Beschäftigungsverlusten kam. Schrumpfende<br />

Branchen hat esin allen Phasen der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung in der Bundesrepublik: gegeben,<br />

durchaus auch mit einem Beschäftigungsabbau in<br />

vergleichbarem Tempo und Ausmaß. Das Besondere<br />

ist hier gegenwärtig eher in der Konzentration auf<br />

wenige Standorte, in erster Linie auhdas Ruhrgebiet<br />

und die Küstenregionen, zu sehen. Gesamtwirtschaftlieh<br />

stimmt aber vor allem bedenklich, daß es derzeit<br />

- anders als in früheren JahIen - nur noch wenige<br />

expandierende Bereiche gibt, die ein nachhaltiges<br />

Gegengewicht auf dem Arbeitsmarkt bilden können.<br />

Der Nettozuwachs der Beschäftigung ging in diesem<br />

Jahr fast ausschließlich auf das Konto von Bereichen,<br />

die nicht dem Untemehmenssektor zuzuordnen sind.<br />

Allein 90 000 Personen wurden vom Staat, von den<br />

Organisationen ohne Erwerbszweck und - in geringem<br />

Umfang - von den privaten Haushalten zusätzlich<br />

eingestellt. Im Unternehmenssektor reichte dagegen<br />

die Beschäftigungszunahme im Dienstleistungssektor<br />

nur noch aus, um den Beschäftigungsabbau im<br />

Produzierenden Gewerbe auszugleichen.<br />

Indessen weitete der Staat. seine arbeitsmarktpolitischen<br />

Maßnahmen weiter aus. Die seit 1986 laufende<br />

Qualifizierungsoffensive der Bundesanstalt für Arbeit<br />

wurde mit einer gegenüber dem Vorjahr um fast ein<br />

Fiinftel größeren Teilnehmerzahl fortgeführt. Auch<br />

wurde die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für ältere<br />

Arbeitslose verlängert. Es sind zudem abermals<br />

hohe Subventionen für die von weiteren Beschäftigungsverlusten<br />

betroffenen Problembranchen bereitgestellt<br />

worden.<br />

11. Im Zeichen veränderter Wechselkurse<br />

Ausfuhr zieht wieder an<br />

68. Zu Unsicherheit über den weiteren Konjunkturverlauf<br />

gab Anfang dieses Jahres vor allem die Ausfuhr<br />

Anlaß. Nachdem die kräftige Höherbewertung<br />

der D-Mark bereits im Jahresverlauf 1986 zu einem<br />

deutlichen Rückgang der Auslandsbestellungen geführt<br />

hatte, verstärkte sich mit dem weiteren Kursverfall<br />

des Dollar nach der Jahreswende der wechselkursbedingte<br />

Wettbewerbsdruck nochmals spürbar.<br />

Hinzu kam, daß die konjunkturelle Aufwärlsentwicklung<br />

in den europäischen Nachbarländern, nicht zuletzt<br />

wegen des Gegenwinds auf den Märkten des<br />

Dollarraums, ebenfalls an Fahrt verlor. Der Auftragseingang<br />

aus dem Ausland schwächte sich weiter ab,<br />

und da die unerledigten Auftragsbestände nun zusehends<br />

schrumpften, gingen auch die Ueferungen an<br />

das Ausland vermehrt <strong>zur</strong>ück. Mit der Stabilisierung<br />

des Dollarkurses und der konjunkturellen Belebung<br />

in wichtigen Abnehmerländern änderte sich das Bild<br />

im Frühjahr jedoch deutlich. Preiszugeständnisse auf<br />

den Märkten, auf denen der stark gestiegene reale<br />

Außenwert der D-Mark deutsche Erzeugnisse besonders<br />

stark verteuert hatte, halfen zudem, weiteren<br />

Marktanteilsverlusten entgegenzuwirken, zum Teil<br />

auch wieder Boden gutzumachen. Bis zum Herbst<br />

konnten die deutschen Exporteure beträchtlich stei-<br />

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