Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />
Das Problem ist somit nicht, daß die Bundesbank in<br />
der Ausnahmesituation wechselkursorientiert gehandelt<br />
und dabei eine Überschreitung ihres Geldmengenziels<br />
in Kauf genommen hat; das Problem ist vielmehr<br />
die Dauer der Zielüberschreitung• verbunden<br />
mit der anhaltend starken Geldmengenexpansion.<br />
Aus einem Ausnahmefall wurde der Dauerfall.<br />
Ob die Bundesbank dies hälle verhindern und wenigstens<br />
zeitweise die Fixierung auf den Wechselkurs<br />
hätte aufgeben können, läßt sich nicht eindeutig -klären.<br />
Es ist uns nicht bekannt, inwieweit die Bundesbank<br />
durch das Louvre-Abkommen zu einer anhaltend<br />
expansiven Politik verpflichtet war. Es scheint<br />
allerdings, als ob die Bundesbank einen - wenn auch<br />
nicht sehr weiten - Ermessensspielraum für ihre Entscheidungen<br />
behalten halle. Wiederumunbekannt ist<br />
jedoch, inwieweit dieser Ennessensspielraum im Fortlauf<br />
der Zeit genutzt werden konnte. Das internationale<br />
währungspolitische Geschehen läßt sich gegenwärtig<br />
mit rein ökonomischen Kategorien nicht mehr<br />
voll erlassen; es erweckt den Anschein, als suchten<br />
auf einem oligopolistischen Markt einzelne Akteure<br />
durch Androhung von Maßnalunen oder Gegenmaßnahmen<br />
ihre eigenen Vorteile zu maximieren, ohne<br />
dabei einen Zustand des Gleichgewichts erreichen zu<br />
können. Über den jeweiligen Stand der Bundesbank<br />
in diesem Handlungsgeflecht sind Au6enstehende<br />
nur un<strong>zur</strong>eichend informiert.<br />
Immerhin gibt es hinreichende Gründe zu vermuten,<br />
daß die Bundesbank keineswegs ständig unter Zwang<br />
von außen gestanden hat. Im Frühjahr beispielsweise<br />
ließ die zuvorstark gestiegene Neigung ausländischer<br />
Kapitalanleger nach, deutsche Wertpapiere zu erwerben.<br />
Offensichtlich lie6en die Erwartungen, daß der<br />
Dollar weiter fallen werde, nach. Mit destabilisierenden<br />
Währungsspekulationen und einem Überschie<br />
Ben der Dollarkursentwicklung mußte zu diesem Zeitpunkt<br />
wohl nicht gerechnet werden. Auch schien es in<br />
dieser Zeit so, als ob die amerikanische Regierung<br />
die Wiederherstellung ihres au6enwirtschaltlichen<br />
Gleichgewichts nicht mehr von einem weiteren Fall<br />
des Dollarkurses erhoffte und damit die Politisierung<br />
der Wechselkurse nachlassen würde. Es war deutlich<br />
geworden, daß die Wechselkursentwicklung zu dem<br />
eingetretenen Konjunkturgefälle zwischen den Vereinigten<br />
Staaten und der Bundesrepublik beigetragen<br />
hatte; Abschwächungstendenzen in der deutschen<br />
Volkswirtschaft wirken der notwendigen Verringerung<br />
des Defizits in der amerikanischen Handelsbilanz<br />
entgegen. Die amerikanische Regierung konnte<br />
deshalb kein großes Interesse mehr an einem weiteren<br />
Dollarkursfall haben und nicht mehr ernsthalt damit<br />
drohen. Tatsächlich richtete sich das amerikanische<br />
Verlangen auch mehr auf verstärkte Anregungen<br />
der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in der<br />
Bundesrepublik durch die Geldpolitik und vor allem<br />
durch die Finanzpolitik. Dadurch war der Handlungsspielraum,<br />
den die Bundesbank im Zusammenspiel<br />
mit den Trägern der Wirtschaftspolitik im Ausland<br />
besitzt, zwar nicht entscheidend größer geworden,<br />
aber sie hätte darauf verweisen können, daß ein stärkerer<br />
Anstieg der gesarntwirtschaltlichen Nachfrage<br />
in der Bundesrepublik nicht an einer zu geringen<br />
Geldversorgung oder an zu hohen Bundesbankzins-<br />
sätzen scheilert. Auf die Marktzinsen am langen<br />
Ende, auf die es ankommt, halle sie wegen der inzwischen<br />
entstandenen Inflationserwartungen keinen<br />
entscheidenden dämpfenden Einfluß mehr.<br />
Gegen diese Überlegungen spricht nicht, daß die<br />
Ende September und Anfang Oktober,von der Bundesbank<br />
vorgenommene Zinserhöhung um einen<br />
viertel Prozentpunkt auf heftige Kritik im Ausland<br />
gestoßen ist und daß die Aktiehbaisse eintrat. Mögliche<br />
spätere Reaktionen in anderen Ländern lassen<br />
sich durch vorherige AlJsprachen ausschließen, sie<br />
sind zudem vonden jeweils vorhefI'ti,chenden Umständen<br />
abhängig. Keinesfalls darf aus dem Börsenkrach<br />
geschlossen werden, da6 die Bundesbank zu stabilitätsgerechter<br />
Politik keine Möglichkeit mehr habe.<br />
Eher ist das Gegenteil der Fall. Die Vorgänge auf den<br />
Aktienmärkten haben deutlich werden lassen, wie<br />
schädlich es für die Weltwirtschalt insgesamt und<br />
auch für die Vereinigten Staaten war, daß zuvor über<br />
Jahre hinweg die Geldversorgung in allen gro6en lndustrieländern<br />
schneller als das Sozialproduktpotential<br />
gestiegen war und dadurch die Aktienhausse ermöglicht<br />
halle, die dann am 19. Oktober mit dem Börsenkrach<br />
endete. Ebenfalls ist sichtbar geworden, daß<br />
die Vereinigten Staaten die Bundesbank nicht mehr<br />
unter starken Druck setzen können, wenn sie eigenen<br />
Schaden vermeiden wollen. Der Handlungsspielraum<br />
für eine stabilitätsgerechte Geldpolitik in der Bundesrepublik<br />
ist insoweit größer geworden.<br />
Zur Geldpolitik Im Jahre 19<strong>88</strong><br />
324. Im Jahre 19<strong>88</strong> steht die Deutsche Bundesbank<br />
vor einer schwierigen Doppelaufgabe. Einmal muß sie<br />
aufgekommenen Inflationserwartungen entgegentreten<br />
und darf keinen Zweifel daran lassen, da6 die<br />
Geldpolitik dauerhalt und verlä6lich auf Stabilität gerichtet<br />
ist. Eine solche Haltung trägt zu einem erneuten<br />
Absinken der langfristigen Zinsen in dem Maße<br />
bei, wie sich in ihnen Inflationserwartungen widerspiegeln.<br />
Die Chancen für einen wieder stärkeren<br />
Aufschwung werden dadurch verbessert. Zum anderensollte<br />
sie darauf hinwirken, daß ein weiterer Rückgang<br />
des realen Dollarkurses vermieden wird, da davon<br />
rezessive Tendenzen auf die Volkswirtschaft ausgehen.<br />
Beide Aufgaben werden nicht in jedem Augenblick<br />
miteinander in Einklang zu bringen sein,<br />
zumal die Bundesbank unter ausländischem Druck<br />
steht und ihr Handlungsspielraum dadurch eingeengt<br />
ist. Wie zuletzt die Ereignisse an den Aktienbörsen<br />
und Devisenmärkten Ende Oktober gezeigt haben,<br />
werden bereits vergleichsweise unbedeutende Einzelmaßnalunen<br />
der Bundesbank (damals führte die<br />
Bundesbank Wertpapierpensionsgeschäfte mit Hilfe<br />
von drei Zinstendem durch statt wie bisher mit Mengentendem,<br />
dabei ergab sich eine Zinssteigerung um<br />
einen viertel Prozentpunkt) von ausländischen Regierungen<br />
als schädlich für die Weltwirtschalt bezeichnet;<br />
und es wird angedroht, spekulative Einflüsse auf<br />
die Wechselkursentwicklung nicht mehr auszuschalten<br />
und den Dollarkurs weiter fallen zu lassen.<br />
325. Die erste Aufgabe würde es gebieten, den Stabilitätswillen<br />
des Zentralbankrates durch Veröffentli-<br />
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