19.06.2014 Aufrufe

Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Deutscher Bundestag - 11, Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

viel. Das gesamtwirtschaftliche Bild wird auch getrübt<br />

durch die unbefriedigende Exportentwicklung. Wegen<br />

eines vergleichsweise hohen Anteils von Verbrauchsgütern<br />

an der Ausfuhr ist Italien in besonderem<br />

Maße der scharfen Konkurrenz der Schwellenländer,<br />

insbesondere aus der ASEAN-Gruppe, ausgesetzt.<br />

Noch bedeutsamerist esfreilich, daß die kräftige<br />

Inlandsnachfrage, die immer mehr <strong>zur</strong> Triebfeder des<br />

seit 1983 andauernden Aufschwungs wurde, zum<br />

Großteil Reflex hoher, in beträchtlichem Maße kreditfinanzierter<br />

Staatsausgaben war. Das Finanzierungsdefizit<br />

des Fiskus beträgt mehr afs 10 vH des Bruttoinlandsprodukts.<br />

Die Verschuldung des Staates erreichte<br />

im Jahre <strong>1987</strong> fast die volkswirtschaftliche<br />

Wertschöplung - ein Novum für ein hochentwickeltes<br />

Industrieland. Mitte des Jahres wurden Maßnahmen<br />

eingeleitet, das Haushaltsdefizit zu reduzieren<br />

(Tabelle 4, Seite 45fl.). Allerdings sind noch keine<br />

nennenswerten Ausgabenkürzungen beschlossen; indirekte<br />

Steuern wurden angehoben. Das immer noch<br />

immense Defizit der öffentlichen Haushalte ist wiederum<br />

sowohl durch eine Verschuldung am Kapitalmarkt<br />

als auch durch Notenbankkredite finanziert<br />

worden. Die Zinsen sind gestiegen, und die monetä·<br />

ren Aggregate wuchsen kräftig. Bei wieder anziehenden<br />

Löhnen, insbesondere im staatlichen Bereich, ist<br />

die Gefahr einer erneuten wesentlichen Inflationsbeschleunigung<br />

und anschließenden Stabilisierungskrise,<br />

verschärft durch die ungünstige Außenhandelssituation,<br />

groß. Im Sommer hat die Regierung die Beschränkungen<br />

im internationalen Güterverkehr und<br />

Kapitalverkehr, die sie erst im März dieses Jahres aufgehoben<br />

halte, nochmals eingeführt. Die grundlegenden<br />

Probleme der italienischen Wirtschaft lassen sich<br />

so wohl kaum lösen.<br />

47. In Frankreich, dem wichtigsten Handelspartner<br />

der Bundesrepublik, ist die Produktionvon Waren und<br />

Dienstleistungen imJahre <strong>1987</strong> mit knapp 1'12 vHvergleichsweise<br />

schwach gewachsen. Zur Jahreswende<br />

hatte sich die Konjunktur zunächst deutlich abgeschwächt.<br />

Die konjunkturelle Erholung im Verlauf<br />

des Jahres ging vom Unternehmenssektor aus. Bei<br />

einer partiellen Freigabe der Mieten expandierte der<br />

Wohnungsbau zum ersten Mal in den achtziger Jahren.<br />

In den übrigen Wirtschaftsbereichen wirkte es<br />

sich aus, daß die Lohnsmckkosten erneut weniger<br />

stiegen als die Erzeugerpreise. Vor allem diese weiter<br />

verbesserte Ge'Winnsituation stärkte die Investitionstätigkeit<br />

zunehmend. Im Jahresdurchschnitt stiegen<br />

die Ausrüstungsinvestitionen um 3 vH. Für die mittelfristigen<br />

Aussichten derfranzösischen Wirtschaftistes<br />

ebenfalls wesentlich, daß durch die liberalisierung im<br />

Finanzwesen und die völlige Aufhebung der Preisbindung<br />

im gewerblichen Bereich die Wachstumsbedingungen<br />

grundlegend verbessert worden sind. Auch<br />

die oft beklagte drastische Zunahme des Imports von<br />

Investitionsgütern, auf die das gegenwärtige Defizit<br />

im Außenhandel zum Großteil <strong>zur</strong>ückzuführen ist,<br />

stärkt längerfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen<br />

in Frankreich.<br />

Im Verlauf des Jahres 1986 halte sich die zunächst<br />

rückläufige Entwicklung der Inflationsrate umgekehrt.<br />

In den ersten Monaten von <strong>1987</strong> zogen die Verbraucherpreise<br />

beschleunigt an. Anders als im Falle<br />

von Großbritannien und Italien erscheinen hier jedoch<br />

große Inflationssorgen unbegründet, zumindest solange<br />

die Einbindung Frankreichs in das Europäische<br />

Währungssystem einer expansiven Wirtschaftspolitik,<br />

insbesondere Geldpolitik, recht enge Grenzen zieht<br />

und die Lohnabschlüsse moderat bleiben. Die Aufhebung<br />

der Preisbindungen für gewerbliche Güter und<br />

auch die Verteuerung von Energie bewirkte lediglich<br />

einen Preisniveauschub. ImJahresgurchschnilt haben<br />

die Verbraucherpreise um reichlich 3 vH zugenommen.<br />

48. Für die Niederlande, BeIgten, ÖSterreich und<br />

die Schweiz, die zusanunen mehr als die Hallte ihrer<br />

Produktionsleistung für ausländische Abnehmer erzeugen,<br />

wirkte sich ihre starke AuBenhandelsabhängigkeit<br />

in diesem Jahr nachteilig aus. Der verschärfte<br />

internationale Wettbewerbsdruck, der vor allem aus<br />

einer kräftigen Aufwertung der Landeswährungen<br />

folgte, und das vergleichsweise schwache Nachfragewachstum<br />

in wichtigen Abnehmerländern, insbesondere<br />

in der angrenzenden Bundesrepublik Deutschland<br />

und in Frankreich, wirkten dämpfend auf die<br />

Exportentwicklung. In Belgien und in den Niederlanden<br />

gingen von der Finanzpolitik keine expansiven<br />

Impulse aus, weil dortder Konsolidierungskurs fortgesetzt<br />

werden mußte; in den Niederlanden kam hinzu,<br />

daß der Verfall der Gaspreise die Staatseinnahmen<br />

drastisch verminderte. Österreich ist im Sommer <strong>1987</strong><br />

zu einer restriktiven Finanzpolitik übergegangen. Der<br />

Zuwachs der Ausrüstungsinvestitionen fiel in den<br />

Niederlanden und in Österreich vor allem wegen dieser<br />

doppelten Belastung wesentlich schwächer aus als<br />

im Vorjahr. Auch in der Schweiz, in der die Finanzpolitikund<br />

die Geldpolitikleichtexpansivwaren, konnte<br />

die aufkommende binnenwirtschaltliche Dynamik die<br />

ungünstige Entwicklung im weitgehend außenhandelsabhängigen<br />

Industriesektor vor allem während<br />

des ersten Halbjahres nicht ausgleichen. Der Zuwachs<br />

des Bruttoinlandsprodukts blieb in diesen vier Ländern<br />

<strong>1987</strong> deutlich niedriger als im Vorjahr. Dabei war<br />

die Zunahme mit über 1V, vH in der Schweiz noch am<br />

höchsten. Bei nahezu geräumtem Arbeitsmarkt stieg<br />

die Beschäftigung dort nochmals um mehr als I vH. In<br />

Belgien und Holland blieb die Arbeitslosenquote mit<br />

11 V, vH beziehungsweise 12V, vH weiterhin hoch.<br />

111. Die Europiische Gemeinschaft<br />

vor schwierigen Refonnen<br />

48. Die Wirtschaftspolitik der Europäischen Gemeinschaft<br />

erweckt in mancher Hinsicht ernste Bedenken:<br />

Im Agrarbereich und im Stahlbereich wurden<br />

marktwidrige Entwicklungen mit intensivem Einsatz<br />

öllentlicher Mittel ermöglicht, das Vorhaben, einen<br />

freien innergemeinschaftlichen Handel mit allen<br />

Waren und Dienstleistungen zu schaffen, geriet ins<br />

Stocken, und die EG schottete sich zunehmend gegen<br />

externe Wettbewerber ab. Allerdings ist seit einigen<br />

Jahren - nicht zuletzt unter dem Druck leerer Kassen<br />

- in der Gemeinschaft die Einsicht gewachsen,<br />

daß grundlegende Reformen erforderlich und ohne<br />

Zögern anzupacken sind. Erste Schritte sind schon<br />

gemacht worden. Insbesondere sind Beschlüsse zum<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!