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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

die man von den Ankündigungseffekten einer so großen<br />

Steuerreform erwarten konnte, ausgeblieben<br />

sein.<br />

Von dem für 1990 verbleibenden Gesamtvolumen der<br />

Steuerreform von etwa 39 Mrd DM sollen rund<br />

19 Mrd DM durch Belastungsumschichtungen aufgebracht<br />

werden. Dieser Betrag und damit der Gesamtumfang<br />

der Steuerreform hätten - steuertheoretisch<br />

betrachtet - wesentlich größer sein können; denn die<br />

Einnahmenausfälle, die sich aus der großen Zahl systematischer<br />

Schwächen des deutschen Steuerrechts<br />

ergeben, dürften weit höher sein (JG 85 Ziffern<br />

274 H.). Schon aus diesem Grunde wäre es prinzipiell<br />

möglich gewesen, das wachstumspolitische Profil<br />

der Steuerrefonn zu härten.<br />

Politisch ist es allerdings schwierig, Steuervergünstigungen<br />

gegen die Interessen mächtiger Gruppen abzubauen.<br />

Deshalb wurde in der Öffentlichkeitbezweifelt,<br />

daß es gelingen werde, durch die Verbreiterung<br />

der Bemessungsgrundlage einen nennenswerten Teil<br />

des Umschichtungsbetrages aufzubringen. Insofern<br />

erscheint es bemerkenswert, daß es gelungen ist, den<br />

gesetzgebenden Körperschaften Steuerrechtsänderungen<br />

vorzuschlagen, die nach offiziellen Einschätzungen<br />

ein Mehraufkommen von 18 rvtrd DM erbringen<br />

sollen (Tabelle 30). Tatsächlich dürfte diese<br />

Schätzung überhöht sein, weil einigeÄnderungen nur<br />

vorübergehend zu Mehreinnahmen führen oder weil<br />

Mehreinnahmen aus der Streichung von Steuervergünstigungen<br />

eingesetzt werden, die bereits in der<br />

Finanzplanung berücksichtigt sind, da die Regelungen<br />

vor 1990 auslaufen. Außerdem ist bislang nicht<br />

geklärt, wie die verbleibende Differenz von einer<br />

Mrd DM aufgebracht werden soll.<br />

Auf eine detaillierte Erörterung der angekündigten<br />

Umstrukturierungen wird hier verzichtet. Nur' zwei<br />

dieser Regelungen sollen knapp behandelt werden.<br />

Daß die Sonderfreibeträge bei den einzelnen Einkunftsarten<br />

abgebaut werden - leider ist das nicht in<br />

allen Fällen vorgesehen -, entspricht unseren Anregungen.<br />

Problematisch ist es indessen, wenn der Arbeitnehmerfreibetrag,<br />

der Weihnachtsfreibetrag und<br />

die Werbungskostenpauschale zu einer einheitlichen<br />

"Arbeitnehmer-Pauschale" in Höhe von 2 000 DM zusammengefaßt<br />

werden sollen. Zwar wird dadurch<br />

eine beträchtliche Steuervereinfachung erreicht. die<br />

namentlich von der Steuerverwaltung begrüßt werden<br />

dürfte, doch sind derart überhöhte Pauschalierungen<br />

steuersystematisch bedenklich; denn es wird<br />

durch die neue Werbungskostenpauschale - um eine<br />

solche handelt es sich nämlich bei der Arbeitnehmer­<br />

Pauschale - eine neue Steuervergünstigung für diejenigen<br />

Arbeitnehmer geschaffen, deren Werbungskosten<br />

weit geringer sind. Zugleich werden diejenigen<br />

Arbeitnehmer diskriminiert, deren einschlägige<br />

Aufwendungen die Pauschale erreichen oder gar<br />

übersteigen, weil sich deren Belastungen nicht steuermindernd<br />

auswirken. Das ist in den Fällen besonders<br />

bedauerlich, in denen es sich dabei um Ausgaben<br />

für die berufliche Weiterbildung handelt, weil die Höherqualifizierung<br />

für die Aexibilisierung der Arbeitsmärkte<br />

erwünscht ist und damit im wachstumspolitischen<br />

Interesse liegt (Ziffern 36811.).<br />

Zwiespältig ist die Einführung einer anrechenbaren<br />

Kapitalertragsteuer in Höhe von 10 vH auf die meisten<br />

Zinserträge zu beurteilen. Einerseits sprechen dagegen<br />

die negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen,<br />

wie Kapitalabwanderung und Erhöhung des<br />

Zinsniveaus, die mit der angekündigten Belastung<br />

wahrscheinlich verbunden sind. Andererseits sind<br />

diese Einkünfte ohnehin steuerpflichtig, und es widerspricht<br />

den Grundsätzen d(;;:r Steuerlastverteilung,<br />

wenn der Staat es duldet, daß ein erheblicher Teil der<br />

Zinsen der Besteuerung entzogen wird. Durch die faktische<br />

Befreiung umfangreicher Zinseinkünfte werden<br />

zugleich die Lohneinkünfte uhd die Gewinneinkünfte<br />

diskriminiert, die in der Regel effektiver erfaßt<br />

werden. Der dargestellte Konflikt spiegelt sich in dem<br />

niedrigen Steuersatz, mit dem die Kapitalertragsteuer<br />

auf Zinsen eingeführt werden soll. Der niedrige Tarif<br />

ist gleichwohl unangemessen, weil die in Aussicht<br />

genommene Erhebung dieser Abgabe von den Kapitalaniegern<br />

ohnehin so interpretiert werden dürfte,<br />

daß eine schrittweise Erhöhung des Steuersatzes vorgesehen<br />

ist. Das wird diejenigen, die sich einer einkommensteuerlichen<br />

Belastung ihrer Zinsen entziehen<br />

wollen, selbst bei dem niedrigen Tarif dazu veranlassen,<br />

ihr Kapital aus der Bundesrepublik abzuziehen.<br />

Allerdings ist zu bedenken, daß die KapItalerträge<br />

in den meisten anderen vergleichbaren Staaten<br />

inzwischen stärker belastet werden als hier. Für die<br />

einkommensteuerliche Belastung der Zinsen sorgt in<br />

den Vereinigten Staaten ein funktionsfähiges Kontrollmitteilungssystem,<br />

und in der Schweiz wird - um<br />

ein weiteres Beispiel zu nennen - eine Kapitalertragsteuer<br />

mit einem Satz von 35 vH erhoben. Es spricht<br />

deshalb einiges dafür, daß man auch in der Bundesrepublikohne<br />

größeren Schaden für die Volkswirtschalt<br />

die Kapitalertragsteuer mit einem deutlich höheren<br />

Satz - gegebenenfalls mit Freistellungen der kleinen<br />

Sparer - hätte einführen können, wenn gleichzeitig<br />

die Spitzenbelastung bei der Einkommensteuer und<br />

der Körperschaftsteuersatz kraftvoller gesenkt worden<br />

wären, als es die gegenwärtigen Pläne für die<br />

Reform vorsehen.<br />

291. Die geplante Abkoppelung des Körperschaftsteuersatzes<br />

vom Spitzensatz der Einkommensbesteuerung<br />

ist ordnungspolitisch aus mehreren<br />

Gründen bedenklich: Zunächst werden für mittlere<br />

und größere Personengesellschaften und Einzelfirmen<br />

die Anreize für eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft<br />

verstärkt. Es besteht wirtschaftspolitisch<br />

kein Anlaß, diese Substitutionsvorgänge durch<br />

steuerpolitische Maßnahmen zu fördern. Sodann wird<br />

die Einbehaltung von Gewinnen bei Kapitalgesellschaften<br />

um so stärker begünstigt, je niedriger der für<br />

die Thesaurierung geltende Steuersatz im Vergleich<br />

zum Einkommensteuerspitzensatz ist. Die Förderung<br />

dieser Form der Selbstfinanzierung ist unerwünscht,<br />

weil sie zu einer Fehlallokation des Kapitals führen<br />

kann (JG 85 Ziffer 273 und JG 84 Ziffer 460). 1n den<br />

Vereinigten Staaten liegt übrigens nach der jüngsten<br />

Steuetreform der Körperschaftsteuersatz von 34 vH<br />

über dem Spitzensatz der Einkommensteuer von<br />

28vH.<br />

Daß der höchste Grenzsteuersatz der Einkommensteuer<br />

von 56 vH auf 53 vH gesenkt werden soll, wäh-<br />

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