Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - I!. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />
richtet er sich in erster linie an die Bundesrepublik<br />
Deutschland. Bedenklich daran ist zum einen, daß ein<br />
solcher Automatismus in den Industrieländem zu einer<br />
Schwächung des Interesses am Erfolg im internationalen<br />
Wettbewerb führen würde, und zum anderen,<br />
daß einseitige, unbedingte Hilfen in dieser Höhe<br />
auch in den Entwicklungsländern den Anreiz für eigene<br />
Entwicklungsanstrengungen verringern würden.<br />
11. Konjunkturelles Gefälle<br />
zwischen den Industrieländern<br />
18. Die gesamtwirtscbaltliche Leistung hat in den<br />
westlichen Industrieländern im Jahre <strong>1987</strong> mit 2V2 vH<br />
fast ebenso stark zugenommen wie im Vorjahr. Dabei<br />
ergab sich ein deutliches konjunkturelles Gefälle zwischen<br />
Japan und den Vereinigten Staaten einerseits<br />
und Europa andererseits. Das Expansionstempo nahm<br />
in den europäischen Ländern ab, in den Vereinigten<br />
Staaten blieb es unverändert, und in Japan erhöhte es<br />
sich.<br />
fn Europa ist es <strong>1987</strong> nicht so gut wie im Vorjahr<br />
gelungen, die erschwerten Bedingungen im Außenhandel<br />
durch eine kräftigere Zunahme der Binnennachfrage<br />
auszugleichen. Die japanische Wirtschaft<br />
hatihre Produktionsleistung dagegen trotz der außenwirtschaftlichen<br />
Belastungen stärker erhöht. Die binnenwirtschaftlichen<br />
Auflriebskräfte waren dort stark.<br />
Die Vereinigten Staaten profitierten von der niedrigeren<br />
Bewertung ihrer Währung. Eine bedeutende Zunahme<br />
der Ausfuhr von Waren und Diensten hielt die<br />
Konjunktur in Gang.<br />
Aktienbaisse und Weltkonjunktur <strong>1987</strong><br />
19. Trotz des anhaltenden, wenn auch zu geringen<br />
Wachstums in den westlichen Industrieländem bei<br />
einem über viele Monate hin stabilen Dollarkurs war<br />
die Unsicherheit über die künftige weltwirtschaftliche<br />
Entwicklung im ganzen Jahr <strong>1987</strong> wie auch schon im<br />
Vorjahr ausgeprägt. Weiterhin große Leistungsbilanzungleichgewichte,<br />
stärker werdende protektionistische<br />
Tendenzen, ungelöste Verschuldungsprobleme,<br />
Unsicherheit über die Rohölversorgung, zunehmende<br />
Inflatlonserwartungen und nicht zuletzt der verwirrende<br />
Eindruck, den die amerikanische Wirtschaftspolitik<br />
hervorrief, verursachten immer wieder neue<br />
Veränderungen in der Einschätzung der Entwicklungen<br />
von Wechselkursen, Zinsen und untemehmerisehen<br />
Erträgen. Hohe Unsicherheit macht die Finanzmärkte<br />
labil, selbst geringfügige Anlässe können genügen,<br />
um die Anleger zu größeren Umschichtungen<br />
in ihren Portefeuilles zu bewegen. Das war der Hintergrund<br />
für die Aktienbaisse, die am 19. Oktober einsetzte.<br />
20. Die starke Aktienbaisse läßt sich nicht vollständig<br />
erklären, wennman den enormen Kursanstieg seit<br />
Anfang der achtziger Jahre nicht berücksichtigt, der<br />
an nahezu allen Börsenplätzen zu historischen<br />
Höchstständen geführt halte. Da sich die realwirtschaftlichen,<br />
in der Börsensprache fundamental genannten<br />
Bedingungen der Weltwirtschaft in den letzten<br />
Jahren keineswegs in einem auch nur annähernd<br />
gleichen Tempo verändert haben wie die Aktienkurse,<br />
muß es an den Börsen zu spekulativen Übertreibungen<br />
gekommen sein. Diese Entwicklung<br />
wurde unter anderem dadurch ermöglicht, daß die<br />
liquidität der Welt über Jahre deutlich ra~cher zunahm<br />
als die Produktion. Solche spekulativen Gebilde<br />
drohen schlagartig in sich zusammenzufallen, insbesondere<br />
dann, wenn allgemein die Unsicherheit groß<br />
ist. Das mit der Aktienhaltung verbundene Risiko war<br />
im Herbst <strong>1987</strong> offensichtlich ·vielen Ka{litalanlegern<br />
bewußt geworden. Hinzu kam, daß die Rendite festverzinslicher<br />
Wertpapiere, mit denen kein vergleichbares<br />
Risiko verbunden ist, in den Sommermonaten<br />
angestiegen war. Rententitel hatten deshalb im Anlagekalkül<br />
vieler Vermögensbesitzer an Attraktivität<br />
gewonnen.<br />
21. Der Kursverfall, der am .Schwarzen Montag"<br />
(19. Oktober) an allen Börsenin der Welt auftrat, kann<br />
in erster Unie als eine überfällige Anpassung der<br />
enorm gestiegenen Aktienkurse an die vergleichsweise<br />
wenig veränderten realwirtschaftlichen Bedingungen<br />
der Unternehmungen betrachtet werden. Insoweithatman<br />
von einer Normalisierung zn sprechen,<br />
von der nichts Bedrohliches ausgeht. Gleichwohl gerieten<br />
Aktienbesitzer in Panik. Nach einer kurzen Beruhigungsphase<br />
Ende Oktober - die Aktienindizes<br />
standen in Tokio noch um 22 vH, in New York und in<br />
London noch um jeweils 4 vH über ihrem zu Jahresbeginn<br />
erreichten Niveau - kam es zu einer erneuten<br />
Verkaufswelle. Während der Kurssturz im Oktober<br />
überall auf den gleichen Ursachen beruhte und mehr<br />
oder weniger gleich stark war, ergaben sich nun<br />
merkliche Unterschiede zwischen den Börsenplätzen.<br />
An den beiden führenden Weltbörsen in New York<br />
und in Tokio fielen die Kurse seit Ende Oktober nur<br />
um 6 vH beziehungsweise 7 vH, in Frankfurt betrug<br />
dieser nochmalige Rückgang bis zum 10. November<br />
dagegen fast 20 vH (Schaubild 4).<br />
22. Die Vorgänge an den Aktienbörsen werden die<br />
realwirtschaftliche Entwicklung in der Welt belasten.<br />
Allerdings darf man nicht übersehen, daß es auch<br />
positive Entwicklungen gegeben hat. Die Krise ist auf<br />
den Aktienmarkt beschränkt geblieben, von einer allgemeinen<br />
Krise oder einer Labilität der Kapitalmärkte<br />
schlechthin darf man nicht sprechen.<br />
Die Zinsen für festverzinsliche Wertpapiere sind<br />
weltweit gesunken (Schaubild 5). Teilweise läßt<br />
sich dies damit erklären, daß Aktienbesitzer es nun<br />
vorzogen, ihr Vermögen in Form von sicheren festverzinslichen<br />
Wertpapieren zu halten, teilweise<br />
auch damit, daß Anleger mit Neuengagements am<br />
Aktienmarkt gezögert haben. Sie wandten sich<br />
dem Rentenmarkt zu. Eine generelle Abnahme der<br />
Anlagebereitschaft am Kapitalmarkt insgesamt ist<br />
jedenfalls nicht festzustellen.<br />
Die Notenbanken haben in allen Ländern für zusätzliche<br />
liquidität gesorgt und damit den Mehrbedarf<br />
an liquidität gedeckt, der bei Turbulenzen<br />
an den Finanzmärkten zu erwarten ist. Bei den<br />
Banken kam es so nicht zu Uquiditätsanspannungen,<br />
die sonst die Abwärtsbewegung der Aktien-<br />
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