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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

wuchs das Brulloinlandsproduklin Europa preisbereinigt<br />

mit reichlich 2 vH um einen halben Prozentpunkt<br />

weniger als im Vorjahr. Der Anstieg der Binnennachfrage<br />

flachte sich von 4 vH im letzten Jahr auf etwa<br />

3V4 vH ab. Dabei stieg die Nachfrage nach Waren und<br />

Dienstleistungen der außereuropäischen Länder wn<br />

reichlich 4 vH. Die Exporte nahmen in etwa ebenso<br />

schwach zu wie im Vorjahr, nämlich nur um etwa<br />

1V2 vH. Der Außenbeitrag verringerte sich nochmals,<br />

und die Produktion expandierte in Europa wiederum<br />

langsamer als die Nachfrage.<br />

37. Der private Verbrauch hat gegenüber dem Vorjahr,<br />

als er mit rund 4 vH anstieg, um einen vollen<br />

Prozentpunkt weniger zugenommen. Die letztjährige<br />

starke Verbilligung der Importe stimulierte zwar zunächst<br />

noch die Käufe der privaten Haushalte, aber<br />

zunehmend wirkte sich aus, daß sich die Terms of<br />

Trade in Europa bis <strong>zur</strong> Aufwertung gegenüber dem<br />

Dollar im Spätherbst nicht mehr verbessert hatten. Bei<br />

moderatem Beschäftigungszuwachs, wiederum leichter<br />

Arbeitszeitverkürzung und in etwa konstanter<br />

Sparquote ist der Anstieg der Reallöhne, der wie im<br />

Vorjahr rund 2 112 vH betrug, diesmal stärker bestimmend<br />

für den privaten Verbrauch gewesen.<br />

38. Die Entwicklung der Anlageinvestitionen hat im<br />

Jahre <strong>1987</strong> die Konjunktur in Europa nicht wesentlich<br />

belebt. Das Investitionsvolumen war 3 vH höher als im<br />

Vorjahr. Der Wohnungsbau, insbesondere der Neubau,<br />

blieb insgesamt wiederum schwach. Die Bauinvestitionen<br />

der Gebietskörperschaften nahmen nur<br />

geringfügig zu. Getragen war die Investitionszunahme<br />

vom gewerblichen Bau und vor allem von den<br />

Ausrüstungsinvestitionen der Wirtschaft. Die Unternehmen<br />

in den vier großen europäischen Ländern investierten<br />

rund 4112 vH mehr. Für ganz Europa übertraf<br />

die Zuwachsrate der gewerblichen Investitionen<br />

zum erstenmalwährend des aktuellen Konjunkturaufschwungs<br />

diejenige der Vereinigten Staaten. Die Einkommenswirkungen<br />

dieser Investitionssteigerung<br />

haben die Konjunktur gestützt, aber aus längerfristiger<br />

beschäftigungspolitischer Perspektive wurde wiederum<br />

zu wenig investiert. Das Arbeitsplatzdefizit in<br />

Europa dürfte sich nochmals vergrößert haben. Anhaltspunkte<br />

für eine forcierte Belebung wenig kapitalintensiver<br />

Dienstleistungsbereiche, die trotz dieser<br />

moderaten Investitionsentwicklung im ganzen einen<br />

kräftigen Zuwachs an Arbeitsplätzen hälle bewirken<br />

können, gibt es nicht. In erster Linie wurde wieder<br />

investiert, um zu modernisieren und zu rationalisieren.<br />

39. Von der Lohnseite ist die Investitionstätigkeit in<br />

Europa nicht unter Druck gekommen. Die Lohnstückkosten<br />

stiegenim Durchschnitt der Länder ebenso wie<br />

die Erzeugerpreise um etwa 3V2 vH. Das Bruttoeinkommen<br />

aus Unternehmertätigkeit und Vermögen je<br />

Einheit reales Bruttosozialprodukt, ein grober Indikator<br />

für den Stückgewinn, expandierte im Jahre <strong>1987</strong><br />

nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

mit 2 vH um fast vier Prozentpunkte<br />

weniger als im Vorjahr. In dieser Abschwächung spiegelt<br />

sich zum Großteil die unbefriedigende Außenhandelssituation<br />

der europäischen Industrieländer.<br />

Der kräftige reale Wertverlust des Dollar und günstige<br />

Angebotsbedingungen der Schwellenländer, insbesondere<br />

der ASEAN-Gruppe, setzten die europäischen<br />

Unternehmen, die international handelbare<br />

Güter produzieren, unter scharfen Wettbewerbs·<br />

druck. Außerdem war die Güternachfrage der übrigen<br />

Welt, insbesondere die der hochverschuldeten Länder<br />

und die der Staatshandelsländer, schwach.<br />

40. Einen nennenswerten k8njunkturellen Impuls<br />

der öffentlichen Haushalte gab es nicht. Nach Angaben<br />

der OECD veränderte sich die Relation von staatlichen<br />

Finanzierungsdeftziten zum." Bruttoinlandsprodukt<br />

in Europa nicht. Sie betrug im Durchschnitt der<br />

Länder wie im Jahre 1986 rund 3'12 vH.<br />

In diesem Jahr hat sich eine bemerkenswerte Konvergenz<br />

im Haushaltsgebaren der europäischen Staaten<br />

ergeben. Von den Ländern, deren Finanzierungsdefizite<br />

- gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung<br />

~ hoch waren, ergriffen in diesem Jahr<br />

auch Italien, Spanien und Belgien Maßnahmen, um<br />

die staatliche Nettokreditaufnahme zu reduzieren.<br />

Länder mit einer niedrigen Neuverschuldung, wie<br />

etwa die Bundesrepublik Deutschland, verfolgten dagegen<br />

einen leicht expansiven Kurs.<br />

41. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ist ein<br />

weitgehend gleichartiges Verhalten auch auf dem<br />

Gebiet der Steuergesetzgebung zu beobachten gewesen.<br />

In fast allen europäischen Ländern ist die Besteuerung<br />

der Einkommen vennindert worden, die<br />

Besteuerung der Unternehmereinkomrnen zum Teil<br />

auch gegen gewerkschaftlichen Widerstand. Nicht<br />

zuletzt im Zeichen der Haushaltskonsolidierung<br />

wurde außerdem eine Vielzahl staatlicher Unternehmen<br />

teilprivatisiert, vor allem in Großbritannien und<br />

Frankreich. Gleichwohl kann man nicht generell von<br />

einer wesentlichen Verbesserung der finanzpolitisch<br />

bestimmten Angebotsbedingungen in Europa sprechen,<br />

denn die durchschnilt1iche steuerliche Entlastung<br />

reichte in vielen Fällen nur aus, um die wachstumsbedingte<br />

und vor allem inflationsbedingte Progression<br />

seit Anfang der achtziger Jahre zu eliminieren.<br />

Zudem blieb der Wille zu mehr marktwirtschaftlichen<br />

und damit insgesamt effizienten Lösungen im<br />

allgemeinen auf die Teilprivatisierung oftmals defizitärer<br />

staatlicher Unternehmen beschränkt, und es<br />

wurde nicht an überkommenen staatlichen Monopolen<br />

und anderen Wettbewerbsbeschränkungen gerührt.<br />

Nicht zuletzt wurden die Subventionen nicht<br />

reduziert.<br />

42. Das Geldmengenwachstum ging in Europa weit<br />

über eine potentialorientierte Zunahme hinaus, wobei<br />

die Notenbanken insbesondere in den Wochen nach<br />

dem "Schwarzen Montag U<br />

für reichlich Liquidität<br />

sorgten. übers Jahr gesehen stand einer noch stärker<br />

expansiven Geldpolitik vor allem die Einbindung der<br />

wichtigsten europäischen Länder in das Europäische<br />

Währungssystem entgegen; hier war eine Orientierung<br />

an der stabilen D-Mark erforderlich. Potentialorientiertwar<br />

jedoch auch die Geldpolitik der Bundesbank<br />

in diesem Jahr nicht (Ziffern 12911.).<br />

Nachdem der leichte Anstieg der Nominalzinsen, der<br />

sich in den letzten Monaten des Vorjahres ergeben<br />

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