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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

hohe Abgabenlast nicht behlndern; und dieses<br />

Wachstum darf nicht behindert werden, weil sich<br />

sonst die Probleme nicht lösen lassen, die sich aus der<br />

Verdoppelung des Alterslastquotienten bis zum Jahre<br />

2035 ergeben.<br />

Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Menschen<br />

dann wieder länger berufstätig bleiben werden und<br />

sich das Durchschnittsalter beim Eintritt in den Ruhestand<br />

damit erhöhen wird, ist es schwer vorstellbar r<br />

daß es nicht zu einer deutlichen Senkung des Versorgungsgrades<br />

kommt, den die gesetzliche Rentenversicherung<br />

der heute erwerbstätigen Generation künftig<br />

bieten kann. Die Beitragszahier müssen aber schon<br />

jetzt wissen, wie groß dieser Versorgungsgrad in etwa<br />

sein wird. damit sie entscheiden können, wieviel sie<br />

selbst für ihr Alter vorzusorgen haben; denn Vorsorgen<br />

lür das Alter ist ein langiristiger Prozeß. Relorrnentscheidungen<br />

sind deshalb rasch zu treffen.<br />

Schon heute sollten vor allem die jüngeren Bürger<br />

darauf hingewiesen werden, daß sie in größerem Umfang<br />

als ihre Eltern für ihr Alter selbst vorsorgen müssen.<br />

Nur eine verstärkte Selbstvorsorge wird es möglich<br />

machen, auch in der kritischen Zeit des kommenden<br />

Jahrhunderts die marginalen Abgabenlasten lür<br />

die berufstätigen Bürger in jenen Grenzen zu halten,<br />

die gewahrt werden müssen, um unter den dann herrschenden<br />

ungünstigeren Bedingungen ein angemessenes<br />

Wirtschaftswachstum zu sichern.<br />

Eine andere Meinung<br />

308. Ein Mitglied des Sachverständigenrates, Rüdiger<br />

Pohl, vertritt <strong>zur</strong> Frage des Zeitpunkts der geplanten<br />

Steuerreform und <strong>zur</strong> Frage der Rückführung der<br />

Staatsquote eine abweichende Meinung. Nach dem<br />

schwachen Wirtschaftswachstum der letzten Jahre,<br />

das auch 19<strong>88</strong> nicht besser sein wird, ist eine rasche<br />

Stärkung des mittelfristigen Wachstums erforderlich.<br />

Dies spricht dafür, die geplante Steuerreform - entgegen<br />

der An!lassung der Ratsmehrheit - sobald wie<br />

möglich vorzunehmen. Eine weitere Absenkung der<br />

Staatsquote - wie sie von der Ratsmehrheit gefordert<br />

wird - hältdieses Ratsmitglied lür problematisch. Die<br />

Staatsausgaben müssen von den Staatsaufgaben her<br />

gewürdigt werden. Es besteht die Gelahr, daß mit<br />

Blick auf die Steuerreform eine Ausgabenrestriktion<br />

betrieben wird, bei der der Staat die ihm zufallenden<br />

Aufgaben nicht mehr in der erforderlichen Weise erlüllt.<br />

Der weitere Abbau der Staatsquote würde überdies<br />

das ohnehin nicht ausreichende wirtschaftliche<br />

Wachstum mittelfristig belasten.<br />

309. Die Befürwortung einer vorgezogenen Steuerentlastung<br />

durch dieses Ratsmitglied ergibt sich aus<br />

der Einschätzung der mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung.<br />

Es geht also heute nicht darum, mit konjunkturpolitischem<br />

Delidt-spending konjunkturellen<br />

Einbrüchen vorzubeugen. Diese sind nach einhelliger<br />

Anllassung im Rat nicht in Sicht. Nachdem sich aber<br />

das wirtschaftliche Wachstum in den letzten Jahren<br />

immer weiter abgeschwächt hat und deswegen die<br />

Arbeitslosigkeit 19<strong>88</strong> im zweiten Jahr hintereinander<br />

wieder ansteigen wird, stellt sich immer drängender<br />

die Frage nach einem wirksamen und raschen Beitrag<br />

der Finanzpolitik <strong>zur</strong> Stärkung des mittelfristigen<br />

Wirtschaftswachstums. Wenn in diesem Zusammenhang<br />

auch einiges für eine mittelfristig angelegte stärkere<br />

Ausweitung der Staatsausgaben spricht - weil<br />

staatliche Mehrausgaben anders als Steuersenkungen<br />

unmittelbar nachlragewirksam sind und dadurch<br />

direkt beschältigungswirksam und wachstumswirksam<br />

sein können -, muß heute doch akzeptiert werden,<br />

daß sich die Finanzpolitik- aul die Steuerrelorrn<br />

festgelegt hat. Bei Investoren und Konsumenten sind<br />

Erwartungen auf eine Ste.uerentlastung geweckt worden,<br />

die nicht enttäuscht werden dürfen. In jüngster<br />

Zeit ist die Diskussion um den Zeitpunkt der Steuerreform<br />

neu entstanden. Ein Vorziehen der Steuerentlastung<br />

- sei es, indem die Steuerreform auf 1989 vorverlegt<br />

wird, sei es durch Zwischenschaltung anderer<br />

Entlastungsmaßnahmen zum Beispiel nach dem Stabilitätsgesetz<br />

- hat verschiedene Vorzüge:<br />

Die mit der Steuerreform angelegten Impulse für<br />

das Wachstum würden früher eintreten. Schon im<br />

letzten Jahr gab die schwache Wirtschaftsentwicklung<br />

Anlaß, für eine schnellere Realisierung der<br />

Steuerrelorrn einzutreten (JG 86 Ziller 240 - Minderheitsvotum).<br />

In diesem Jahr ist dies noch dringlicher<br />

geworden. Das Wachstum hat sich seit 1984<br />

halbiert, die Beschältigung steigt kaum noch; Anzeichen<br />

für eine Wachstumsbeschleunigung sind<br />

Dicht in Sicht.<br />

Eine vorgezogene Steuerreform erleichtert die internationale<br />

wirtschaftspolitische Kooperation, an<br />

der die Bundesrepublik beteiligt ist. Ein Großteil<br />

der wirtschaftlicben Probleme der Bundesrepublik<br />

resultiert aus der Unsicherheit über die Wechselkursentwicklung.<br />

Diese kann letztlich nur durch<br />

internationale Kooperation wirksam vermindert<br />

werden. Die Bundesrepublik, ein Land mit einerim<br />

internationalen Vergleich niedrigen Wachstumsrate,<br />

zugleich aber einem der höchsten Leistungsbilanzüberschüsse,<br />

würde mit einer vorgezogenen<br />

Steuerentlastung unter Beweis stellen, daß sie der<br />

aktuellen Wirlschaltsschwäcbe nicht tatenlos gegenübersteht.<br />

Das erleichtert internationale Vereinbarungen<br />

<strong>zur</strong> Wechselkursstabilisierung.<br />

Damit würde die Finanzpolitik zugleich auch die<br />

Geldpolitik entlasten, die an! sich allein gestellt<br />

nicht in der Lage ist, dem mitteUristigen Wachstum<br />

Impulse zu geben, die Wechselkursstabilisierung<br />

zu stützen und zugleich - was lür die Geldpolitik<br />

einen hohen Rang hat - <strong>zur</strong> Geldwertstabilität<br />

beizutragen.<br />

310. Die Ratsmehrheit, die die Steuerrelorrn ebenfalls<br />

als einen zentralen Baustein einer Wachstumspolitik<br />

ansieht, lehnt ein Vorziehen mit dem Argument<br />

ab, daß die Einnahmenauslälle lür den Staatshaushalt<br />

nichttragbarwären. Die damit anklingenden<br />

Sorgen sind ernst zu nehmen, sollten aber dennoch<br />

nicht den Ausschlag geben. Die Finanzierung der<br />

Steuerreform wird - ob sie vorgezogen wird oder<br />

nicht - ohnehin zu einer höheren staatlichen Neuverschuldung<br />

lühren. Diese ist so nur gerechtfertigt, weil<br />

im Zuge der künftigen Wachstumseffekte aus der<br />

Steuerreform - auf die der Rat einmütig setzt - ein<br />

Abbau der staatlichen Kreditfinanzierungsquote mög-<br />

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