Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />
kurse muß in erster linie als eine Korrektur vorangegangener<br />
Übertreibungen gesehen werden. Denn z~vor<br />
war es zu einer Kursentwicklung gekommen, die<br />
zunehmend den Kontakt mit den fundamentalen realwirtschaftlichen<br />
Gegebenheiten yerloren hatte. und<br />
das heißt vor allem: mit der Ertragskraft der Aktiengesellschalten,<br />
in Vergleich gesetzt <strong>zur</strong>Höhe der Risikeo,<br />
und auch in Vergleich gesetzt zu den Renditen<br />
alternativer Finanzanlagen. Die Vorstellung, daß dem<br />
Aktienmarkt eine Eigendynamik innewohne, die steigende<br />
Kurserwartungen in immer weiter steigende<br />
Kurse umsetze, bestimmte das Verhalten vieler Anleger.<br />
Man darf aber auch nicht übersehen, daß spekulative<br />
Übertreibungen auf den Aktienmärkten in diesem<br />
Ausmaß wohl kaum möglich ,gewesen wären,<br />
wenn nichtin allen großen Industrieländern die liquidität<br />
deutlich rascher als das Sozialprodukt zugenommen<br />
hätte. Es kam wie es kommen mußte: Als Zweifel<br />
an der Richtigkeit der Erwartungen eines immer noch<br />
vorhandenen Kurssteigerungspotentials aufkamen,<br />
brachen die Übersteigerungen in sich zusammen. Die<br />
Kurskorrektur trat ein, als politische Streiterei allen<br />
ins Bewußtsein rief, daß die Vorstellungen darüber,<br />
wie die großen wellwirtschaftlichen Ungleichgewichte<br />
abgebaut werden sollen, nicht auf einen Nenner<br />
zu bringen sind.<br />
269. Der Schwarze Montag (19. Oktober <strong>1987</strong>) leitete<br />
die überlällige Rückführung der überhöhten Aktienkurse<br />
auf ein Niveau ein, das eher im Einklang mit<br />
den vergleichsweise wenig geänderten realwirtschaftlichen<br />
Gegebenheiten der Unternehmungen<br />
steht. Das Kursniveau Ende Oktober lag an den internationalen<br />
Börsen noch über dem für 1986 ermittelten<br />
Durchschnittswert. Insoweit kann man von einer Normalisierung<br />
in der Marktbewertung der Aktiengesellschaften<br />
sprechen, von der nichts Bedrohliches ausgeht.<br />
Dennoch gerieten Aktienbesitzer in Panik. Die Aktienkurse<br />
gingen daraufhin nach einer kurzen Beruhigungsphase<br />
<strong>zur</strong>ück. Mit dem neuen Verkaufsdruck<br />
an den Aktienbörsen trat zeitweilig eine erneute Abschwächung<br />
des amerikanischen Dollar ein. In der<br />
Verquickung der Aktienbaisse mit der Wechselkursentwicklung<br />
scheinen die eigentlichen Gefahren auf,<br />
die der deutschen Volkswirtschaft drohen, wenn die<br />
Vereinigten Staaten es allein dem Wechselkurs überlassen,<br />
ihr fundamentales Ungleichgewicht in der Leistungsbilanz<br />
abzubauen.<br />
270. Wirtschaftspolitik nach dem Börsenkrach muß<br />
deshalb zuverlässiger als bisher durch internationale<br />
Kooperation darauf hinwirken, daß die großen Ungleichgewichte<br />
in der WeIt mit mögijchst geringen<br />
Störungen für die Weltwirtschaft abgebaut werden.<br />
Wie schädlich für alle Länder Konfrontation und ZweileI<br />
an der Gültigkeit der getroIlenenVereinbarungen<br />
sind, hat der Börsenkrach drastisch vor Augen geführt.<br />
Als großes Land kann und muß die Bundesrepublik<br />
einen wesentlichen Beitrag zu einer internationalen<br />
übereinkunft leisten, welche die Entschlossenheit<br />
der Regierungen zeigt, die Verzerrungen im Leistungsbilanzgefüge<br />
- ohne Proteklionismlls, ohne<br />
Inflation, ohne Rezession - gemeinsam zu uberwmden.<br />
Dabei kommt es nicht auf spektakuläre Aktionen<br />
an, sondern entscheidend auf Geschlossenheit und<br />
Festigkeit der Regierungen und Notenbanken, da vorerst<br />
die Unsicherheit auf Aktienbörsen und Devisenmärkten<br />
noch nicht beseitigt ist.<br />
271. Es führt kein Weg daran vorbei: Ikr Abbau des<br />
hohen Defizits im Bundeshaushalt der Vereinigten<br />
Staaten ist das zentrale Element einer dauerhaften<br />
Lösungi andernfalls gäbe es auch keine Chance, das<br />
amerikanische Leistungsbilanzdefizit und die hohen<br />
Außenhandelsüberschüsse Japans und der Bundesrepublik<br />
<strong>zur</strong>ückzuführen. Die Vereinigten Staaten werden<br />
bei allem Eigeninteresse an der Konsolidierung<br />
ihres Bundeshaushalls aber - wie die letzten Jahre<br />
gelehrt haben - dazu nur bereit sein, wenn Europa<br />
und Japan überzeugende Maßnahmen <strong>zur</strong> Beschleunigung<br />
ihres wirtschaftlichen Wachstums ergreifen.<br />
Das wichtigste, was die Bundesrepublik in die Verhandlungen<br />
einbringen kann, ist ein wachstumspolitisches<br />
Paket. Eine ohne weiteren Verzug eingeleitete<br />
DereguIierung in wachstumsträchtigen Märkten, wie<br />
etwa in dem der Telekommunikation, erhöht auch die<br />
Chance des amerikanischen Partners, seinen Absatz<br />
auf dem deutschen Markt zu steigerni und ein schrittweiser<br />
Abbau noch bestehender Außenhandelsschranken,<br />
zum Beispiel bei Dienstleistungen oder<br />
landwirtschaItlichen Produkten, kommt ebenlalls der<br />
Angebotsstruktur der amerikanischen Wirtschaft entgegen.<br />
Aber nicht allein die unmittelbaren Auswirkungen<br />
auf den deutschen Import sind relevant, sondern<br />
auch die mittelbaren. Alles, was unternonunen<br />
wird, um die wirtschaftlichen Antriebskräfte zu stärken,<br />
trägt zu einem soliden Wachstum in der Bundesrepublik<br />
bei und verstärkt damit die Nachlrage nach<br />
ausländischen Gütern (JG 85 Ziffern 201l!.).<br />
272. In die internationale Übereinkunft ist die Geldpolitik<br />
einzubeziehen. Es ist Aufgabe der Notenbanken,<br />
destabilisierenden Währungsspekulationen entgegenzuwirken<br />
(JG 86 Ziffer 258) und - soweit es<br />
ihnen möglich ist, ohne das Ziel der Geldwertstabilität<br />
zu gefährden - Sicherheit dafür zu schaffen, daß es in<br />
absehbarer Zeit zu keinen größeren Änderungen der<br />
realen Wechselkurse kommt. Entscheidend ist, daß<br />
der Dollarkurs nicht weiter .herabgeredet" wird, da<br />
dies außerhalb des Dollarraums rezessive Tendenzen<br />
auslösen würde, die der Lösung der großen wellwirtschaftlichen<br />
Probleme entgegenwirken. Die Gefahr,<br />
daß die Notenbank eines Landes <strong>zur</strong> Abwehr von<br />
Wechselkursverschiebungen dauerhaft an den Devisenmärkten<br />
intervenieren müßte, ist angesichts der<br />
heute erreichten Wechselkursrelationen nicht sehr<br />
hoch zu veranschlagen, bei internationaler Koordination<br />
der WirtschaItspolitik besteht sie kaum.<br />
Eine internationale Verpflichtung der Geldpolitik der<br />
überschußländer zu einem stark expansiven Kurs<br />
wäre indessen wirkungslos und gefährlich. Sie wäre<br />
wirkungslos, weil die Geldpolitik in der gegenwärtigen<br />
Situation kaum Möglichkeiten hat, die reale gesamtwirtschaftliche<br />
Nachfrage zu steigern. Die<br />
schwache Expansion in der Bundesrepublik ist nicht<br />
auf eine un<strong>zur</strong>eichende Geldver50rgung <strong>zur</strong>ückzuführen.<br />
Sie wäre aber auch gefährlich, und dies nicht<br />
allein wegen ihrer mittelfristigen Auswirkungen auf<br />
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