Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />
genüber den Währungen der großen Industrieländer<br />
niedriger bewertet wird, nicht aber gegenüber wichtigen<br />
Handelspartnem der Vereinigten Staaten im<br />
südostasiatischen Raum. Wichtig dürfte auch ein anderer<br />
Sachverhalt gewesen sein. Der Zusammenhang<br />
zwischen Wechselkursen und Außenhandelspreisen<br />
wurde dadurch gelockert, daß exportierende Unternehmen<br />
aus AufwertungsläTIdem, anstatt ihre Abgabepreise<br />
in den Vereinigten Staaten zu erhöhen, die<br />
Wechselkursänderung bis zu einem gewissen Umfang<br />
in den Gewinnen auffingen. In Zeiten starker Wechselkursbewegungen<br />
erfolgt auch die untemehmerisehe<br />
Reaktion auf veränderte Sllickerlöse nur allmählich;<br />
die Mengenanpassung wird aufgeschoben, bis<br />
die Kursrelationen eine gewisse Ruhelage gefunden<br />
haben.<br />
4. Die Korrektur der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte<br />
wird <strong>zur</strong> Zeit nicht durch Unterschiede<br />
im Wachstumstempo der drei großen Industrieländer<br />
begünstigt. In Japan steigt das reale Sozialprodukt<br />
nur geringfügig schneller als in den Vereinigten<br />
Staaten, in der Bundesrepubtik Deutschland<br />
ist die Einkommensexpansion verhaltener. Gemessen<br />
an den Zuwachsraten der gesamten inländischen<br />
Nachfrage haben die Überschußländer zwar einen<br />
Expansionsvorsprung gegenüber den Vereinigten<br />
Staaten. Dieser reicht jedoch nicht aus, um einen raschen<br />
Rückgang der HandelsbilanzsaIden zu bewirken.<br />
Die Unzufriedenheit über diese Entwicklung hat vor<br />
allem in den Vereinigten Staaten diejenigen bestärkt,<br />
die nach energischeren Anpassungsanstrengungen<br />
rufen, sowohl in Gestalt der Forderung an die amerikanische<br />
Politik, den Dollar noch deutlich weiter sinken<br />
zu lassen, als auch in Gestalt der Forderungen an<br />
die überschußländer, mit Hilfe expansiver Geld- und<br />
Finanzpolitik die wirtschaftliche Expansion in ihren<br />
Ländern zu beschleunigen. Jeder der beiden Wege<br />
<strong>zur</strong> Beseitigung der Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft<br />
birgt - für sich genommen - große Gefahren.<br />
5. Verließe man sich allein auf das Mittel einer weiteren<br />
kräftigen realen Abwertung des Dollar, so<br />
würde dies über die dämpfenden Auswirkungen auf<br />
Exporte, Investitionen und schließlich auf das Wachstum<br />
in den überschußländern mehr und mehr dazu<br />
beitragen, daß von den Expansionsdivergenzen her<br />
ein gegenläufiger Effekt entstünde. Die Gefahr, daß<br />
ein Teil der Industrieländer dann in einen konjunkturellen<br />
Abschwung hineingeraten und die Konjunktur<br />
weltweit einbrechen könnte, ist nicht von der Hand zu<br />
weisen, zumal die Erfahrung gezeigt hat, wie schwer<br />
eine einmal in Gang gebrachte Bewegung des Dollarkurses<br />
unter Kontrolle zu halten ist.<br />
Die Aussichten dafür, daß diese Risiken vermieden<br />
werden können, sind <strong>zur</strong> Zeit nicht ungünstig. In den<br />
Vereinigten Staaten scheintsich die Einsicht durchzusetzen,<br />
daß eine nochmals starke reale Abwertung des<br />
Dollar wenig zweckmäßig ist, weil sie die rezessiven<br />
Kräfte bei den Handelspartnem stärkt, im eigenen<br />
Land zu einem Anstieg der Inflationsrate führt undnur<br />
langsam zum Abbau der Ungleichgewichte ün Außenhandel<br />
beiträgt. So ist es zu verstehen, daß die<br />
amerikanische Geldpolitik zumindest bis zu den turbulenten<br />
Kursbewegungen an den Aktienbörsen im<br />
Herbst dieses Jahres einem weniger expansiven Kurs<br />
gefolgt war.<br />
6. Verließe man sich allein auf das Mittel ~iner expansiven<br />
Geldpolitik. in den Überschußländem, so<br />
würde der Außenwert ihrer WähruRgen tendenziell<br />
vennindert und der Abbau der außenwirtschaftlichen<br />
Ungleichgewichte von daher verlangsamt. Selbst<br />
wenn sich eine vorübergehende Steigerung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Nachfrage durch eine Forcierung<br />
der bereits raschen monetären Expansion in den<br />
Überschußländern erreichen ließe, bliebe die Auswirkung<br />
auf die Handelsbilanzsalden deswegen unsicher.<br />
Einem geringen und auf jeden Fall unsicheren<br />
Nutzen einer solchen Strategie stünden hohe Kosten<br />
in Fonn von zunehmenden Inflationsrisiken für die<br />
Weltwirtschaft gegenüber.<br />
Die Möglichkeiten, eine Korrektur der außenwirt.<br />
schaftliehen Ungleichgewichte über nachfragestimulierende<br />
Maßnahmen der Fiskalpolitik in den überschußländern<br />
vorzunehmen, sind ebenfalls eng begrenzt.<br />
Allzu schnell müßte eine zusätzliche Ausweitung<br />
der bereits hohen staatlichen Defizite mit den<br />
spezifischen nationalen Interessenlagen in Konflikte<br />
geraten. Elie hohen Abgabenquoten in Japan und der<br />
Bundesrepublik Deutschland werden schon jetzt als<br />
Hindernis für die Entfaltung der binnenwirtschaftlichen<br />
Wachstumskräfte angesehen (Ziffer 32 und Ziffer<br />
276).<br />
7. Aus den geschilderten Entwicklungen und Zusammenhängen<br />
lassen sich weitere Lehren ziehen für<br />
die Rolle, die eine internationale Koordination in der<br />
Wirtschaftspolitik spielen kann. Die Absprachen der<br />
Finanzminister und Notenbankgouvemeure im Februar<br />
<strong>1987</strong> (Louvre-Treffen) setzten eine Reihe von<br />
Konsultationen <strong>zur</strong> internationalen Koordination der<br />
Wirtschaftspolitik fort. Sie solltenden Unternehmen in<br />
den Industrieländern und den Akteuren an den internationalen<br />
Finanzmärkten die notwendige Orientierung<br />
darüber geben, daß sich die Korrektur der Ungleichgewichte<br />
ohne einen weiteren drastischen<br />
Kursverfall des Dollar vollziehen würde. Zur Wirksamkeit<br />
und Glaubwiirdigkeit dieses politischen Signals<br />
gehörte es, daß die Wirtschaftspolitik in den<br />
beteiligten Ländern in der Folgezeit bereit war, ihren<br />
Beitrag <strong>zur</strong> Wechselkursstabilisierung zu leisten (Tabelle<br />
4, Seite 45ff.). Wie wichtig es ist, eine mit stabilen<br />
Wechselkursen zu vereinbarende Wirtschaftspolitik<br />
zu betreiben und Provokationen in der wirtschaftspolitischen<br />
Auseinandersetzung zu vermeiden, ist<br />
nicht zuletzt durch die internationale Börsenkrise dieses<br />
Jahres deutlich gemacht worden. Durch die Ankündigung<br />
offizieller Wechselkurszielzonen und entsprechender<br />
Interventionsabsichten allein lassen sich<br />
stabilere Wechselkursrelationen nicht sichern.<br />
8. Auchwenn man die Artund Weise, wie derAbbau<br />
der internationalen Ungleichgewichte eingeleitet<br />
worden ist, als einen vernünftigen Komprorniß bezeichnen<br />
kann, so rechtfertigt dies nicht auch schon<br />
Zuversicht über die künftige Entwicklung der Welt-<br />
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