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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

209. Unsere Exportprognose basiert auf der Annahme,<br />

daß der Dollarkurs nicht weiter sinkt; es bleibt<br />

also ein nicht unbeträchtliches Schätzrisiko. Man<br />

sollte aber sehen, daß für die deutschen Unternehmen<br />

die Exporte in den Dollarraum keinesfalls eine dominierende<br />

Rolle spielen, jedenfalls im ganzen gesehen.<br />

Es erweist sich derzeit als Vorteil, daß die Absatzmärkte<br />

regional breit gestreut sind und daß die wichtigsten<br />

davon in den westeuropäischen Ländern liegen,<br />

namentlich in den Ländern, die zum europäischen<br />

Wechselkursverbund gehören. Diese Märkte<br />

wachsen zwar im ganzen langsamer als die Märkte im<br />

Dollarraum - und insbesondere langsamer als die<br />

Märkte der asiatischen Schwellenländer, die ihre<br />

Währungen überwiegend an den Dollar gekoppelt<br />

haben -, aber sie bieten dafür ein höheres Maß an<br />

Wechselkursstabilität. Vielen Unternehmen verschafft<br />

das in der augenblicklichen Situation mehr<br />

Planungssicherheit. Zwar kommt es auch im EWS von<br />

Zeit zu Zeit zu Veränderungen der Paritäten, doch<br />

erwarten wir davon im großen und ganzen nur den<br />

Ausgleich von Inflationsunterschieden, so daß die<br />

realen Wechselkurse sich nur wenig verändern werden.<br />

210. Auch wenn der Export im kommenden Jahr der<br />

Konjunktur Impulse geben wird: Die Auftriebskräfte<br />

müssen unter den gegenwärtigen Bedingungen mehr<br />

von innen als von außen kommen. Eine zentrale Rolle<br />

spielen dabei die Investitionen.<br />

Die Investitionstätigkeit ist im Jahre <strong>1987</strong> merklich<br />

hinter den Erwartungen <strong>zur</strong>ückgeblieben, auch hinter<br />

dem, was sich die Unternehmen selbst vorgenommen<br />

hatten. Viele Investoren sind offensichtlich durch die<br />

starken Wechselkursschwankungen verunsichert<br />

worden. Geplante Investitionsvorhaben wurden gestrichen<br />

oder <strong>zur</strong>ückgestellt. Einiges davon ist in den<br />

letzten Monaten nachgeholt worden, als sich der wirtschaftliche<br />

Horizontwieder aufhellte. Inzwischen sind<br />

aber neue Belastungen auf die Unternehmen zugekommen.<br />

Die Ungewißheit über die künftigen Marktchancen<br />

ist dadurch wieder größer geworden.<br />

211. Erhebungen bei Unternehmen über ihre Investitionsabsichten<br />

für das nächste Jahr, die vor dem<br />

Börsenkrach vorgenommen wurden, vermittelten<br />

schon damals den Eindruck, daß es der Investitionskonjunktur<br />

<strong>zur</strong> Zeit an rechtem Schwung fehlt. Legt<br />

man den Investitionstest des I1o-Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

zugrunde, dann ist der Anteil der<br />

Unternehmen, die ihre Investitionsausgaben steigern<br />

wollen, gegenüber dem Stand vom Vorjahr kleiner<br />

geworden; er ist nicht mehr größer als der Anteil der<br />

Unternehmen, die eine Kürzung vorsehen. Dabei ist<br />

allerdings zu berücksichtigen, daß die Erwartungen<br />

im Spätsommer 1986 noch recht optimistisch waren.<br />

Sie wurden schon kurze Zeit später kräftig nach unten<br />

revidiert. Verglichen mit den niedrigeren Planungen<br />

vom Frühjahr <strong>1987</strong> signalisieren die jüngsten Daten<br />

im ganzen eine weitere Zunahme der Investitionstätigkeit,<br />

wenn auch nur eine leichte.<br />

212. Die Frage ist, in welchem Maße die Ereignisse<br />

der letzten Wochen den Erwartungshorizont verän-<br />

dert haben. Um sich hierüber ein Urteil bilden zu können,<br />

muß man dreierlei ins Bild rücken,<br />

die derzeitige Konstitution der Unternehmen, gemessen<br />

an der Kosten-Erlös-Relation und an der<br />

Kapitalstruktur,<br />

die Veränderung der AbsatzerwaI\ungen auf den<br />

inländischen und auf den ausländischen Märkten,<br />

und zwar auf mittlere Frist,<br />

die kurzfristigen Wechselkursschwankungen.<br />

Jede der drei Komponenten hat unterschiedliches Gewicht.<br />

213. Die augenblickliche Gewinnsituation spricht<br />

für die Annahme, daß die Investitionsbedingungen<br />

nach wie vor gut sind. Sie haben sich jedenfalls im<br />

Vergleich zum Vorjahr nicht verschlechtert und dürften<br />

sich auch im nächsten Jahr insgesamt nicht verschlechtern,<br />

vorausgesetzt, es kommen keine neuen<br />

Belastungen hinzu. Soweit sich das derzeit erkennen<br />

läßt, wird die Lohnpolitik den Spielraum für mehr Investitionen<br />

offenhalten. An EigenfinanzierungsmitteIn<br />

sollte es nicht fehlen. Es können im kommenden<br />

Jahr sogar zusätzliche Mittel eingesetzt werden, die in<br />

diesem Jahr nicht in Sachanlagen investiert wurden,<br />

sondern dem Aufbau liquider Reserven dienten (Ziffer<br />

85). Bei der angenommenen Geldpolitik dürften<br />

auch die Kosten für Fremdmittel vergleichsweise günstig<br />

bleiben; ein deutlicher Anstieg der Zinsen gehört<br />

jedenfalls nicht zu den Annahmen der Prognose.<br />

214. Die mittelfristigen Absatzerwartungen haben<br />

sich allenfalls graduell verschlechtert. Sicherlich werden<br />

die Chancen für Exporte in den Dollarraum inzwischen<br />

deutlich <strong>zur</strong>ückhaltender eingeschätzt. Das<br />

wird möglicherweise <strong>zur</strong> Folge haben, daß Erweiterungsinvestitionen<br />

erst einmal aufgeschoben oder,<br />

was wahrscheinlicher ist, an ausländischen Standorten<br />

vorgenommen werden. Dies ist aber keine ganz<br />

neue Situation. Schon in den letzten Jahren haben die<br />

Unternehmen im Hinblick auf eine Erweiterung der<br />

Produktionsanlagen eine sehr <strong>zur</strong>ückhaltende Investitionspolitik<br />

verfolgt. Man investierte .auf Sicht".<br />

Ein solches Verhalten war selbstin jenen Bereichen zu<br />

beobachten, die ihre Absatzchancen mittelfristig als<br />

gut beurteilen. Ollensichtlieh neigt man dazu, eher<br />

Kapazitätsengpässe in Kauf zu nehmen oder Lohnaufträge<br />

zu vergeben als Überkapazitäten zu riskieren.<br />

Deshalb nehmen wir nur einen marginalen Abschlag<br />

von dem vor, was sonst zu erwarten gewesen wäre.<br />

Es ist auch folgendes zu beachten. Wo Unternehmen<br />

mit dem Rücken <strong>zur</strong> Wand stehen, wo sie Gefahr laufen,<br />

daß wichtige Absatzmärkte verloren gehen, zahlt<br />

sich InvestitionszUTÜckhaltung erst recht nicht aus.<br />

Viele Unternehmen sind einem Modernisierungsdruck<br />

ausgesetzt. Sie müssen verstärkt investieren,<br />

um ihre Wettbewerbskraft zu erhalten. Wir haben<br />

wiederholt darauf hingewiesen, daß die Aufwärtsentwicklung<br />

bei Investitionen in ihrem Kern derzeit angebotsbestimmt<br />

und nicht nachfrageinduziert ist. Es<br />

geht um die Erschließung neuer Märkte durch neue<br />

Produkte und um Kostensenkung durch neue Produktionstechniken.<br />

Solche Investitionen dulden keinen<br />

Aufschub. Wer hierbei zögert, gerät rasch in Verzug.<br />

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