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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

stelltentarifvertrag festgelegte Regelung dem Beschäftigungsförderungsgesetz<br />

vorgeht, da sie für den<br />

Arbeitnehmer günstiger als das Beschäftigungsförderungsgesetz<br />

und deshalb nach wie vor anzuwenden<br />

sei. Die Gewerksebaft, die die Klage angestrengt<br />

hatte, hat damit erreicht, daß, wie schon einmal, befristete<br />

in unbefristete Verträge umgewandelt werden<br />

müssen.<br />

391. Der befristete Arbeitsvertrag ohne Begründungserfordernis<br />

eröffnet mehr Wablmögliebkeiten<br />

beim Abschluß von Arbeitsverhältnissen. Die Einstellung<br />

und Entlassung wird erleiebtert, und bestimmte<br />

Kosten, die damit im Streitfalle zusammenhängen,<br />

entfallen. Daß sich die befürebtete Spaltung der Arbeitnehmersebaft<br />

in Stammbelegsebalt und Randbelegschaft,<br />

die sozial gewiebtige Einwände gegen sieb<br />

hat, verstärken könnte, hat bisher keine Bestätigung<br />

gefunden.<br />

Derbefristete Arbeitsvertrag ohne Begriindungserfordernis<br />

ist geeignet, die Besebäftigung positiv zu beeinflussen,<br />

und dies trifft um so stärkerzu, je niedriger<br />

ein eventuell als Risikoausgleieb zu zahlender Lohnzuschlag<br />

ausfällt. Unter Umständen kann er aueb das<br />

in Arbeitsstunden gerechnete Beschäftigungsvolumen<br />

erhöhen, wenn eben die Arbeitsleistung von<br />

vornherein nicht durch Überstunden zu erbringen ist,<br />

eine Dauerbeschäftigung niebt in Frage kommt und<br />

eine Begründung der Befristung als im Streitfall zu<br />

kostspielig angesehen wird. Daß der befristete Arbeitsvertrag<br />

ohne Begründungserfordernis aueb als<br />

Arbeitsverhältnis <strong>zur</strong> Probe sich nützlieb erweist, erscheint<br />

naheliegend. Es ist erforderlieb, die seit Inkralttreten<br />

des Besebäftigungsförderungsgesetzes mit<br />

dem Fristvertrag neuen Typs gemachten praktischen<br />

Erfahrungen umfassend zu analysieren, bevor eine<br />

Entscheidung über die Beibehaltung des Vertragstyps<br />

fällt. Wir rechnen damit, daß der befristete Arbeitsvertrag<br />

ohne Begründungserfordernis seine Bewährungsprobe<br />

bestehen wird.<br />

Der Sozialplan<br />

392. Der Sozialplan soll naeb dem Betriebsverfassungsgesetz<br />

(§ 112) wirtsebaftliche Nachteile, die den<br />

Arbeitnehmern durch die Kündigung infolge einer<br />

geplanten Betriebsänderung entstehen, ausgleichen<br />

oder abmildern. Diese Regelung wurde 1972 in das<br />

Betriebsverfassungsgesetz von 1952 aufgenommen.<br />

Den Anstoß dazu gaben die Zechenslillegungen in<br />

den sechziger Jahren, bei denen auf freiwilliger Basis,<br />

allerdings mit erheblicher Subventionierung aus öffentlieben<br />

Geldern, Abfindungsvereinbarungen getroffen<br />

worden waren. Diese Entwicklung kulminierte<br />

in dem am 15. Mai 1968 vom Bundeswirtschaltsrninister<br />

und dem Bundesarbeitsminister bekanntgemachten<br />

"Gesamtsozialplan über die öffentlieben und betrieblieben<br />

Leistungen und Vorsorgemaßnahmen für<br />

die von Stillegungen betroffenen Arbeitnehmer des<br />

Steinkohlenbergbaus'.<br />

Das Beschäftigungsförderungsgesetz vom 26. April<br />

1985 berührt den naeb dem Betriebsverfassungsgesetz<br />

zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbar~<br />

ten Sozialplan niebt, jedoch die Regelungen, nach<br />

denen die gesetzlich vorgeschriebene Einigungsstelle<br />

einen erzwingbaren Sozialplan festzulegen hat. Etwa<br />

10 vH der Sozialpläne kommen auf diese Weise zustande.<br />

Die Neuregelung besagt, daß künftig den Gegebenheiten<br />

des Einzelfalles stärker Re~hnungzu tragen<br />

ist. Die Einigungsstelle hat im Rahmen billigen<br />

Ermessens zu beaebten, daß die betroffenen Arbeitnehmer<br />

Abfindungen nach Maßgabe der ihnen im<br />

Einzelfallentstehenden wirtsebaftlieben Nachteile erhalten.<br />

Wer eine zumutbare Weiterbeschäftigung im<br />

Unternehmen oder Konzern ablehnt. soll von Leistungen<br />

aus dem SOzialplan ausgeschlossen sein. Der gesamte<br />

Umfang der Sozialplanleistungen darf den Fortbestand<br />

des Unternehmens und der verbleibenden<br />

Arbeitsplätze nichtgefährden. DerSchwellenwert des<br />

einen erzwingbaren Sozialplan bei größeren Unternehmen<br />

auslösenden Personalabbaus wurde angehoben.<br />

Naeb bisherigem Riebterrecht lag er für große<br />

Unternehmen bei 5 vH der Betriebsangehörigen.<br />

Diese Untergrenze liegt jetzt für Unternehmen mit<br />

wenigstens 500 Arbeitnehmern bei 10 vH. Alles in allem<br />

dienen die Neuregelungen einmal der Klarstellung<br />

und ermöglieben so mehr Reebtssicherheit. Sie<br />

sind zugleich auch eine Abkehr von dem das gewaebsene<br />

Arbeitsreebt lange Zeit beherrsChenden Besitzstandsdenken,<br />

das ordnungspolitiseb die größten Vorbeh~te<br />

gegen sich hat.<br />

393. Das Besitzstandsdenken des Sozialplanrechts<br />

hat seinen Ursprung im gewaebsenen Kündigungsreebt.<br />

Das Kündigungssebutzgesetz von 1951 wollte<br />

den Arbeitnehmer davor schützen, daß er ohne rechtfertigenden<br />

Grund aus dem Sozialgebilde Betrieb<br />

ausgeschlossen wird. Damit sollte Willkür verhindert<br />

werden. Daß die dem Betriebszweck dienliche Entlassung<br />

mit Beeinträebtigungen des sozialen und wirtschaftlichen<br />

Besitzstandes einhergeht, wurde hingenOmnlen.<br />

Die Rechtspreebung <strong>zur</strong> Kündigung hat sieb von dieser<br />

Ausgangslage her jedoch <strong>zur</strong> möglichst weitgehenden<br />

Erhaltung des vor der Entlassung erreichten<br />

Besitzstandes entwickelt. Diesem Prinzip kann einmal<br />

dadurch Genüge geschehen, daß eine ausgesproebene<br />

Kündigung vor Gericht als unwirksam gilt, mit<br />

der Folge der Weiterbesebäftigung. Im anderen Fall<br />

können Abfindungsleistungen für den durch Kündigung<br />

bewirkten Verlust eines erreichten Besitzstandes<br />

entschädigen. Sozialpläne haben es ermöglicht,<br />

daß Arbeitnehmer unmittelbar nach der einvernehmlichen<br />

Lösung des Arbeitsvertrags eine gleichwertige<br />

Tätigkeit, ohne eigentliche Schmälerung des tatsächlichen<br />

Besitzstandes, aufnehmen konnten und dennoch<br />

wie andere, die dazu nicht in der Lage waren, im<br />

Rahmen des Sozialplans entschädigt wurden. Eine<br />

solche Entsebädigung gibt es naeb den Änderungen,<br />

die das Besebäftigungsförderungsgesetz gebracht<br />

hat, nicht mehr. Es müssen nämlich bei der Entschädigung<br />

die Aussichten des betroffenenArbeitnehmers<br />

auf dem Arbeitsmarkt berücksiebtigt werden.<br />

Viel wird jedoch davon abhängen, wie diese Abkehr<br />

vom Besitzstandsdenken in der Reebtsprechung tatsächlieb<br />

umgesetzt werden wird. Das Bundesarbeitsgericht<br />

war von diesem Grundsatz schon vordem ab-<br />

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