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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

trägt. Rentabilität muß gegen andere Wettbewerber<br />

stets aufs neue gewonnen werden.<br />

Im dynamischen Wettbewerb ringen die Anbieter um<br />

Kostenvorteile gegenüber ihren Konkurrenten, indem<br />

sie für die Herstellung ihrer Erzeugnisse den technischen<br />

Fortschritt nutzen. Wesentlicher für die Wirtschaftsentwicklung<br />

ist jedoch das andere Aktionsfeld<br />

des dynamischen Wettbewerbs, wo mit neuen und<br />

besseren Produkten Marktvorsprung zu erlangen<br />

ist.<br />

Der innovatorische Suchprozeß ist mit Kosten, nicht<br />

zuletzt mit Arbeitsanstrengungen und erheblichen Risiken<br />

verbunden. Die schöpferische Leistung muß<br />

sich deshalb lohnen, nicht nur für den Unternehmer,<br />

sondern auch für seine kreativen I\.1i.tarbeiter. Das<br />

herrschende Sicherheitsstreben mindert heute die Bereitschaft,<br />

Risiken zu übernehmen. Regelungen, die<br />

zusätzliche Risiken schaffen, hemmen die Entwicklung.<br />

Andererseits erhöht der dynamische Wettbewerb<br />

selbst die Risiken der Unternehmer, denn aus dem<br />

Wettbewerbsvorsprung des Innovators erleiden seine<br />

Konkurrenten häufig Nachteile. Sie verlieren Marktanteile,<br />

können ihre Produktionskapazität nicht mehr<br />

voll ausnutzen, ihre Produktionsanlagen werden ent·<br />

wertet. Wem es nicht gelingt, sich dem Fortschritt<br />

anzupassen oder durch eigene Innovationen seinerseits<br />

einen Wettbewerbsvorteil zu erringen, der muß<br />

früber oder später aus dem Markt ausscheiden. Dieser<br />

Suchprozeß <strong>zur</strong> besseren Bedarfsdeckung für alle hält<br />

die Wirtschaft in einem ständigen SlrukturwandeL<br />

Diesem Slrukturwandel müssen auch die Regulierungen<br />

am Arbeitsmarkt gerecht werden.<br />

381. Zu den Wesensmerkmalen der Sozialen Marktwirtschaft<br />

gehört es durchaus, daß der Staat versucht,<br />

die sozialen Härten des Slrukturwandels zu mildern.<br />

Durch gesetzliche Bestimmungen zum Kündigungsschutz<br />

hat er beispielsweise die Arbeitsplätze bestimmter<br />

Arbeitnehmer - etwa der Behinderten ­<br />

bis zu einem gewissen Grade gesichert, aber damit<br />

zugleich deren Einstellungschancen vennindert,<br />

wenn sie arbeitslos geworden sind. Sozialplanverpflichtungen<br />

- um ein weiteres Beispiel zunennen ­<br />

können gewiß in vielen Fällen das mit Kündigungen<br />

verbundene Leid lindern. Dieses Gebot vor Augen,<br />

sieht sich mancher Unternehmer zu einer <strong>zur</strong>ückhaltenden<br />

Einstellungspolitik. veranlaßt. Insoweit erweist<br />

sich manche gut gemeinte Intervention des Staates im<br />

Ergebnis als Fehlschlag.<br />

382. Der Konflikt, der sich zwischen den wohlfahrtsökonomischen<br />

Zielen einer auf Wachstum gerichteten<br />

Politik und den auf die Sicherung des einzelnen gerichteten<br />

Regulierungen auftut, läßt sich sicher nicht<br />

spannungsfrei überwinden. Doch dürfte es auf vielen<br />

Regulierungsfeldern möglich sein, bessere Lösungen<br />

zu linden, als sie die derzeitige Rechtslage bietet. In<br />

einer Wirtschaft mit hohen Wachstumsraten und geringer<br />

Arbeitslosigkeit kann man ein leichtes Sinken<br />

der Zuwachsraten des Sozialprodukts in Kauf nehmen,<br />

um mehr für Verteilungsgerechtigkeit und soziale<br />

Sicherung des einzelnen zu tun (Ziffer 257). In<br />

einer Phase der Wachstumsschwäche mit vielen Arbeitslosen<br />

stellt sich diese Frage dagegen anders. Es<br />

geht nicht um ein statisches Abwägen zwischen mehr<br />

Schutz für die ohnehin Beschäftigten bei geringerer<br />

Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte. Jetzt kommt es<br />

vielmehr darauf an, den Zusammenhang dynamisch<br />

zu begreifen: durch höhere Funktionsfi\higkeil mehr<br />

Beschäftigungschancen tür Arbeitslose zu erreichen.<br />

383. Auf einige Grundsätze für die Reform des Arbeitsrechtes<br />

und des Sozialrechtes sollte man sich verständigen<br />

können. Daß bestehende "übersicherungen"<br />

abgebaut werden können, dürfte kaum streitig<br />

sein. Notwendig ist indessen auch, daß bei der Konfliktlösung<br />

künftig die ordnungspolitische Problematik<br />

arbeitsrechtlicher und sozialrechtlicher Regulierungen<br />

stärker berücksichtigt wird, als dies von der<br />

kasuistischen Gesetzgebung und vor allem in der<br />

Rechtsprechung der beiden zuständigen Spezialzweige<br />

der Gerichtsbarkeit in der Vergangenheit geschehen<br />

ist. Der Unsicherheit, die durch Unterschiede<br />

in der Rechtsprechung hervorgerufen wird, könnte<br />

auch eine stärkere Kodifizierung des Arbeitsrechts<br />

entgegenwirken. Dabei sollte allerdings bedacht werden,<br />

daß eine zu starke Vereinheitlichung den Slrukturwandel<br />

wegen der sehr unterschiedlichen Situation<br />

in den einzelnen Branchen und Regionen behindern<br />

kann. Es gelingt vielfach den Tarilpartnern besser,<br />

Regelungen auszuhandeln, die der Problematik<br />

der Wirtschaftsentwicklung in ihren Bereichen gerecht<br />

werden. Andererseits enthalten die Tarifverträge<br />

nicht selten Regulierungen, die die Entwicklung<br />

einzelner Unternehmungen behindern, denn betriebliche<br />

und örtliche Gegebenheiten können auch inner·<br />

halb eines Wirtschaftszweiges und einesTarifgebietes<br />

erheblich divergieren. Betriebsvereinbarungen vermögen<br />

nicht selten den Interessen der Arbeitnehmer<br />

und der Arbeitgeber vor Ortbesser als Regelungen für<br />

den gesamten Tarifbereich gerecht zu werden. Insgesamt<br />

sollte, da der marktwirtschaftliche Suchprozeß<br />

selbst seinen Erfolg wesentlich dem Synergieeffekl<br />

der Wissensteilung verdankt (JG 85 Ziffern 309ff.),<br />

bei der Regelung der Entscheidungsebenen dem Subsidiarilätsprinzip<br />

Rechnung getragen werden.<br />

384. Hier sollen keine detaillierten Vorschläge entwickelt<br />

werden, wie der Gesamtkomplex des Arbeitsrechts<br />

und des Sozialrechts zu reformieren ist, um<br />

mehr Beweglichkeit auf den Arbeitsmärkten zu er·<br />

möglichen. Im folgenden soll jedoch am Beispiel des<br />

Zeitvertrags unddes Sozialplans veranschaulicht werden,<br />

wie diese, durch das Beschäftigungsförderungsgesetz<br />

vom 26. April 1985 berührten Regelungsbereiche<br />

unter dem ordnungspolitischen Aspekt zu beurteilen<br />

sind.<br />

Die ordnungspolitische Argumentation an Hand von<br />

nochso anschaulichen und konkreten Beispielen birgt<br />

einen schwerwiegenden, jedoch nicht behebbaren<br />

Nachteil in sich. Es läßt sich leicht dagegen einwenden,<br />

daß der Beispielsfall im ganzen nichtins Gewicht<br />

fällt. Gewiß löst der befristete Arbeitsvertrag und ein<br />

funktionsgerechter Sozialplan nicht das Problem der<br />

Massenarbeitslosigkeit. Dennoch gehört beides zu einer<br />

Wirtschaftspolitik, die dem Wachstum Vorrang<br />

gibt und die nur bei umfassender Befolgung Erfolgschancen<br />

hat.<br />

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