Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />
setzen konnte. Pessimismus und Attentismus haben<br />
nicht die Oberhand gewonnen. Die wirtschaftliche<br />
Entwicklung wird nach unserem Urteil auch 19<strong>88</strong> aufwärts<br />
gerichtet bleiben. Großes Gewicht kommt hierbei<br />
der Einschätzung zu, daß die Unternehmenbei der<br />
Verarbeitung der außenwirtschaftlichen Belastungen<br />
gut vorangekommen sind.<br />
234. Sorgen bereiten zweifellos die derzeitige Labilität<br />
und Störanfälligkeit der internationalen Finanzmärkte.<br />
Der Kurssturz an den internationalen Aktienmärkten<br />
hat <strong>zur</strong> Verunsicherung geführt; dadurch ist<br />
auch Unruhe an den Devisenmärkten ausgelöst worden.<br />
Erneut wurden Zweifel laut an der Tragfähigkeit<br />
internationaler Abkommen und an der Fähigkeit der<br />
Vereinigten Staaten, mit ihren Defizitproblemen fertig<br />
zu werden, ohne den Dollar abstürzen zu lassen.<br />
All dies wirft Schatten auf die Aussichtenfür ein kräftigeres<br />
Wirlschaltswachstum und für mehr Bescbäftigung.<br />
Man sollte die Auswirkungen aber nicht überschätzen.<br />
Nach unserem Urteil ist nur eine leichte<br />
Abschwächung der Expansion zu erwarten: Ein<br />
massiver Konjunktureinbruch droht nicht (Ziffern<br />
187 ff.).<br />
Dennoch müssen aus den Vorgängen an den Aktienbörsen<br />
Lehren gezogen werden. Wirtscbaftspolitik<br />
nach dem Börsenkrach - das bedeutet in erster Linie,<br />
entschlossener und zuverlässiger als bisher durch internationale<br />
Kooperation darauf hinwirken. daß die<br />
großen Ungleichgewichte in der Welt abgebaut werden<br />
(Ziffern 267 fl.).<br />
Der empirische Befund<br />
235. Mit Blick auf die Ziele. die der Sachverständigenrat<br />
seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat<br />
- Stabilität des Preisniveaus. boher Beschäftigungsstand<br />
und außenwirlschaftliches Gleichgewicht bei<br />
stetigem und angemessenem Wachstum -, ergibt<br />
sich der folgende Befund:<br />
Die Kaufkraft des Geldes blieb auch <strong>1987</strong> nahezu<br />
erhalten. Damit ist ein Stabilitätserfolg gewahrt<br />
worden, für den es in der Geschichte der Bundesrepublik<br />
kein Beispiel gibt. Dieser Erfolg wird sich<br />
im kommenden Jahr nicht ungeschmälert fortsetzen.<br />
Es sind Anstrengungen gefordert zu verhindem,<br />
daß die Preissteigerungen allzu weit vom Ziel<br />
der Geldwertstabilität wegführen.<br />
Das Ziel des außenwirlscbaftlichen Gleichgewichts<br />
ist weiter deutlich verletzt. Der hohe überschuß<br />
in der Leistungsbilanz hat sicb <strong>1987</strong> nur wenig<br />
<strong>zur</strong>ückgebildet. Weiterhin gilt indes. daß die<br />
Gründe dafür in erster ünie bei Fehlentwicklungen<br />
im Ausland liegen. Was die Bundesrepublik<br />
für einen schrittweisen Abbau des Ungleichgewichts<br />
tun konnte, hat sie getan. Die Höherbewertung<br />
der D-Mark verdeckt in der Nominalrechnung<br />
weitgehend. daß die Einfuhr von Waren und<br />
Diensten dem Volumen nach erneut kräftig gestiegen<br />
ist, während die Ausfuhr insgesamt stagnierte.<br />
Der reale Exportüberschuß ist damit weiter gesunken:<br />
diese Entwicklung dürfte 19<strong>88</strong> weitergehen.<br />
Der Anstieg der Beschäftigung hat sich verlangsamt.<br />
Statt 250 000 Personen, wie im vergangenen<br />
Jahr, haben gegenüber dem Vorjahr nur noch<br />
155000 zusätzlich einen Arbeitsplatz gefunden.<br />
und für das kommende Jahrist ein noch geringerer<br />
Zuwachs zu erwarten. Mit einem Rückgang der<br />
Arbeitslosenzahl ist folglich kaum zu rechnen. Der<br />
große Abstand zu einem hohen Beschäftigungsstand<br />
ist und bleibt die ärgste 2.ielverfehlung.<br />
Auch der Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen<br />
Produktionsleistung hat sich verri.qgert, während<br />
die gesamtwirtschaltlicben Produktionsmöglichkeiten,<br />
gemessen am Produktionspotential, zwar<br />
nicht weniger, aber doch auch nicht mehr gewachsen<br />
sind als im Vorjahr. Ein angemessen zu nennendes<br />
Wirtschaftswachstum ist damit nicht erreicht<br />
worden. Viel näher wird dieses Ziel auch<br />
19<strong>88</strong> nicht rücken. auch wenn die Produktion, wie<br />
wir es erwarten, gesamtwirtschaftlich wieder etwas'<br />
stärker zunimmt.<br />
Stabilität des Geldwerts: Das Erreichte sichern ist<br />
schwerer geworden<br />
236. Zu den bedeutenden wirtschaltspolitischen Erfolgen<br />
der letzten Jahre gehört die Wiedergewinnung<br />
der Stabilität des Geldwertes. Alle Politikbereicbe baben<br />
hieran mitgewirkt. Indem die Bundesbank die<br />
Geldversorgung, 1981 beginnend. bis zum Herbst<br />
1985 nach und nach auf die realen Möglichkeiten für<br />
eine Ausweitung der gesamlwirlschaftlichen Produktion<br />
<strong>zur</strong>ückführte, schuf sie eine wichtige, im letzten<br />
sogar die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg.<br />
Die Tarifparteien vennieden es in diesen Jahren<br />
durch Zurückhaltung bei den Lohnabschlüssen, erneut<br />
in einen Konflikt <strong>zur</strong> Geldpolitik zu geraten.<br />
Auch der Staat trug in dieser Zeit durch <strong>zur</strong>ückhaltende<br />
Ausgabenpolitik, das heißt durcb geringere<br />
Inanspruchnahme des Produktionspotentials und der<br />
Kapitalmärkte - und damit nicht zuletzt auch klimatisch<br />
- zum Stabilitätserfolg bei. So gelang es in einem<br />
spannungsfreien Zusammenwirken der Politikbereiche,<br />
den Preisauftrieb <strong>zur</strong>ückzuführen und zugleich<br />
trotz knappen Geldes die Beschäftigung zu<br />
steigern.<br />
Der letzte Schritt bis ins Ziel. der Stabilitätserfolg der<br />
Jahre 1986 und <strong>1987</strong>. ist allerdings nicht Verdienst<br />
heimischer Wirlschaltspolitik. sondern - neben fallenden<br />
Agrarpreisen - <strong>zur</strong> Hauptsacbe dem Stabilitätsimport<br />
zuzuschreiben (JG 86 Ziffer 191). Als die<br />
Preise für Öl und andere Robstoffe im Verlauf dieses<br />
Jahres wieder zu steigen begannen und die Höherbewertung<br />
der D-Mark nicht mehr ausreichte, dies und<br />
die Verteuerung anderer Importgüter auszugleichen,<br />
ging der Rückgang des Preisniveaus zu Ende. Die<br />
Verbraucherpreise stiegen im Herbst <strong>1987</strong> wieder mit<br />
einer Jahresrate von etwa 1 vH.<br />
237. Die Cbance, einen weitgehend stabilen Geldwert<br />
zu bewahren, ist in diesem Jahr trotz der hohen<br />
Lohnabschlüsse und der überreichlichen Geldversorgung<br />
aber noch nicht ganz verspielt worden. So wenig<br />
wahrscheinlich es ist. daß die Importpreise. in D-Mark<br />
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