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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

Die Kaufkraft des Geldes blieb auch <strong>1987</strong> nahezu<br />

erhalten. Damit ist ein Stabilitätserfolg gewahrt<br />

worden, für den es in der Geschichte der Bundesrepublik<br />

kein Beispiel gibt. Dieser Erfolg wird sich<br />

im kommenden Jahr nicht ungeschmälert fortsetzen.<br />

Es sind Anstrengungen gefordert zu verhindern.<br />

daß die Preissteigerungen allzu weit vom Ziel<br />

der Geldwertstabilität wegführen.<br />

Das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts<br />

ist weiter deutlich verletzt. Der hohe überschuß<br />

in der Leistungsbilanz hat sich <strong>1987</strong> nur wenig<br />

<strong>zur</strong>ückgebildet. Weiterhin gilt indes, daß die<br />

Gründe dafür in erster linie bei Fehlentwicklungen<br />

im Ausland liegen. Was die Bundesrepublik<br />

tür einen schrittweisen Abbau des Ungleichgewichts<br />

tun konnte, hat sie getan. Die Höherbewertung<br />

der D-Mark, verdeckt in der Nominalrechnung<br />

weitgehend, daß die Einfuhr von Waren und<br />

Diensten dem Volumen nach erneut kräftig gestiegen<br />

ist, während die Ausfuhr stagnierte. Der reale<br />

Exportüberschuß ist damit weiter gesunken; diese<br />

Entwicklung dürfte 19<strong>88</strong> weitergehen.<br />

-'- Der Anstieg der Beschäftigung hat sich verlangsamt.<br />

Statt 250000 Personen, wie im vergangenen<br />

Jahr, haben gegenüber dem Vorjahr nur noch<br />

155000 zusätzlich einen Arbeitsplatz gefunden,<br />

und für das kommende Jahr ist ein noch geringerer<br />

Zuwachs zu erwarten. Mit einem Rückgang der<br />

Arbeitslosenzahl ist folglich kaum zu rechnen. Der<br />

große Abstand zu einem hohen Beschäftigungsstand<br />

ist und bleibt die ärgste Zielverfehlung.<br />

Auch der Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen<br />

Produktionsleistung hat sich veningert, während<br />

die gesamtwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten,<br />

gemessen am Produktionspotential, zwar<br />

nicht weniger, aber doch auch nicht mehr gewachsen<br />

sind als im Vorjahr. Ein angemessen zu nennendes<br />

Wirtschaftswachstum ist damit nicht erreicht<br />

worden. Viel näher wird dieses Ziel auch<br />

19<strong>88</strong> nicht rücken, auch wenn die Produktion, wie<br />

wir es erwarten, gesamtwirtschaftlich wieder etwas<br />

stärker zunimmt.<br />

36*. Die neuerdings wieder unbefriedigende Beschäftigungsentwicklung<br />

im ganzen paßt auf den ersten<br />

Blick nicht zu der anhaltend günstigen Gewinnsituation<br />

der Unternehmen. Gute Gewinne zeigen<br />

eine günstige Geschäftslage an, und diese, so die<br />

landläufige Meinung, übertrage sich auch auf das<br />

Einstellverhalten der Unternehmen. So kurz darf man<br />

den Zusammenhang zwischen Gewinnen und Beschäftigung<br />

jedoch nicht schließen; er ist nur mittelbarerArt,<br />

und das wichtigste Bindeglied sind die Investitionen.<br />

37*. Das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten<br />

ist weiterhin gering, -viel zu<br />

gering, um bei den großen unerledigten Aufgaben<br />

schneller, vor allem aber sicherer zum Ziel zu gelangen;<br />

und zu diesen Aufgaben zählt nicht allein der<br />

Abbau der Arbeitslosigkeit.<br />

38*. Weithin in Vergessenheit geraten oder zumindest<br />

unbeachtet ist, warum eine kräftiger wachsende<br />

Wirtschaft allen Vorteil bringt.<br />

Wachstum erleichtert den Abbau der Arbeitslosigkeit<br />

Wachstum trägt zum Abbau der :il\temationalen<br />

Ungleichgewichte bei<br />

Umweltschutz erfordert Wachstum<br />

Wachstum ist die Grundlage der sozialen Sicherung.<br />

39*. Das entscheidende Argument für eine das<br />

Wachstum der Produktionsmöglichkeiten fördernde<br />

Wirtschaftspolitik ist in dem Faktum zu sehen, daß die<br />

Menschen - ungeachtet gewisser Wand.lungen in<br />

der Einstellung <strong>zur</strong> Arbeit und <strong>zur</strong> Übernahme von<br />

Risiken - steigende Einkommen wollen und auch bereit<br />

sind, sich dafür anzustrengen. Nur bei steigendem<br />

Realeinkommen können sich die Menschen an materiellen<br />

Wünschen erfüllen, was ihnen bisher versagt<br />

geblieben ist. Ärmere möchten sich das leisten können,<br />

was heute zum durchschnittlichen Lebensstandard<br />

gerechnet wird, aber auch Haushalte mit höherem<br />

Einkommen haben zumeist nochviele Kaufwünsche<br />

offen. Neben die latente Nachlrage, die sich auf<br />

bekannte Güter richtet, tritt die nach neuen Produkten<br />

und verbesserten Qualitäten. Dies gilt im übrigen<br />

ebenso für staatliche Leistungen; längst nicht aller<br />

Bedarf ist hier gedeckt. Von einer allgemeinen Sättigung<br />

der Nachfrage ist unsere Volkswirtschaft noch<br />

weit entfernt. So lange die Menschen es der Mühe<br />

wert finden, sich für eine reichhaltigere Versorgung<br />

anzustrengen, so lange bleibt es Aufgabe der Wirtschaftspolitik,<br />

für günstige Wachstumsbedingungen<br />

zu sorgen. Ein wirtschaftliches Wachstum, das sich im<br />

Einklang mit den Wünschen der Menschen und mit<br />

deren wohlverstandenen längerfristigen Interessen<br />

entfaltet - und nur dieses - ist immer zugleich ein<br />

qualitatives Wirtschaftswachstum.<br />

40*. Der große Abstand zwischen WachstuffiSziel<br />

und Wachstumswirklichkeit erfordert eine entschlossenere<br />

Schwerpunktsetzung in der Wirtschafts- und<br />

Sozialpolitik. Die breite und grundlegende Verbesserung<br />

der Bedingungen, unter denen sich wirtschaftliches<br />

Wachstum entfalten kann, muß die wirtschaftspolitische<br />

Hauptaufgabe für die nächsten Jahre sein.<br />

Die angemessene Therapie setzt an den Ursachen der<br />

akuten Wachstumsschwäche an, und deren gibt es<br />

viele, Wir erwarten von einer Kausaltherapie einen<br />

nachhaltigen Erfolg, aber nicht einen schnellen. Was<br />

über viele Jahre hinweg bis in die jüngste Zeit hinein<br />

Quellen des Wirtschaftswachstums verschüttet und<br />

wirtschaftliche Einstellungen wie Verhaltensweisen<br />

mitgeprägt hat, läßt sich nicht von heute auf morgen<br />

korrigieren. Geduld und Zuversicht sind daher vonnöten.<br />

Wachstum heißt immer auch Strukturwandel. Die<br />

Lasten der Anpassung, die einzelne Gruppen dabei<br />

tragen müssen, mögen so schwer wiegen, daß es politisch<br />

unabweisbar wird, ihnen solidarisch zu helfen.<br />

Immer muß aber bedacht werden, daß durch solche<br />

Regelungen der solidarischen Hilfe nicht neue Ursachen<br />

für Wachstumsschwäche geschaffen oder alte<br />

ungebührlich verlängert werden dürfen.<br />

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