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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

von Produktion, Beschäftigung und Investitionen<br />

geführt, die sonst rentabel gewesen wären.<br />

Tariflohnvereinbarungen, die keine Rücksicht auf<br />

erschwerte Marktbedingungen nahmen und nicht<br />

hinreichend zwischen den Lohnsteigerungen für<br />

besserund weniger qualifizierte Arbeitnehmer dif·<br />

ferenzierten, haben die Schwierigkeiten auf dem<br />

Arbeitsmarkt verscbärft, sie haben die Unsicherheit<br />

über die Kosten-Erlös-Relation und damit die<br />

Unsicherheit tür Investitionsentscheidungen vergrößert<br />

und den Anreiz für verstärkte QuaIifikationsanstrengungen<br />

geschwächt.<br />

Die sektorale und die regionale Strukturpolitik<br />

sind in ihrem Kern eine Politik der Arbeitsplatzerhaltung<br />

geblieben und nicht in erster Unie eine<br />

wirtschaftspolitische Hilfe zum strukturellen Wandel<br />

geworden. Ihre Kosten werden vom gesunden<br />

Teil der Wirtschaft getragen, sie belasten dessen<br />

Entwicklungsmöglichkeilen.<br />

In wichtigen Bereichen - etwa im Verkehr und in<br />

der Landwirtschaft - verfolgt die Wirtschaftspolitik<br />

keinen klaren marktwirtschaftlichen Kurs. Zu<br />

den unvermeidlichen Marktrisiken konunen daher<br />

tür viele Investoren die Unwägbarkeiten politischer<br />

Markteingriffe hinzu. Im Umweltschutz wird<br />

administrativen Steuerungsmechanismen der Vorzug<br />

gegeben, obwohl eine marklwirlschaftliche<br />

Steuerung überlegen wäre. Im Gesundheitswesen<br />

verhält es sich ähnlich. In manchen anderen Bereichen<br />

des tertiären Sektors läßt überdies eine Öffnung<br />

der Märkte noch immer auf sich warten.<br />

Damit sind Ansatzpunkte für eine Kausaltherapie aufgezeigt.<br />

46*. Die öffentliche Diskussion vermittelt den Ein·<br />

druck, als ob sich die Einstellung <strong>zur</strong> Arbeit, <strong>zur</strong> übernahme<br />

von Risiken und <strong>zur</strong> industriell geprägten arbeitsteiligen<br />

Wirtschaftsweise derart gewandelt hätte,<br />

daß daraus eine fundamentale Schwächung der das<br />

Wachstum tragenden Kräfte resultiere. Wir teilen dieses<br />

Urteil nicht. Zwar bestreiten wir nicht, daß die zu<br />

beobachtenden Veränderungen in den Einstellungen<br />

teilweise auch auf einen Wandel in den sozialen Wer·<br />

tungen und individuellen Präferenzen <strong>zur</strong>ückgehen;<br />

dies muß die Politik respektieren. Es sollte aber ebensowenig<br />

streitig sein, daß die Verhaltensänderungen,<br />

die zu beobachten sind, auch mit der Verschlechterung<br />

der wirtschaftlichen Anreize zusammenhängen,<br />

die der Wirtschaftspolitik anzulasten sind. Werden<br />

das Arbeitenund das Produzieren mit hohenAbgaben<br />

belegt und wird die Risikoübernahme nicht angemessen<br />

abgegolten, kann es nicht überraschen, daß die<br />

"abgabenfreie" Freizeit und die Weigerung, wirtschaftliche<br />

Risiken auf sich zu nehmen, eine hohe<br />

Wertschätzung genießen. Die Wirtschaftspolitik sollte<br />

sich vornehmen, dies mit Mut und Entschlossenheit zu<br />

ändern. Die Sorge, sie mißachte dann die Wertvorstellungen<br />

der Menschen, ist unbegründet. Was der einzelne<br />

will, was ihm lohnend erscheint, wofür er auch<br />

bereitist, sich anzustrengen, das wird besonders dann<br />

offenkundig, wenn die gröbsten Fehler in den Anreizmechanismen<br />

beseitigt sind. Bedacht werden sollte<br />

auch dies: Eine Wirtschaft, welche die in den Menschen<br />

und ihren Fähigkeiten angelegten Triebkräfte<br />

zum wirtschaftlichen Wachstum voll nutzt, hat die<br />

größten Möglichkeiten, humane und soziale Forderungen<br />

an die Gestaltung der Arbeitswelt und die<br />

Nutzung der Technik zu erfüllen.<br />

47'. Wirtschaftliches Wachstum ist d~ Ergebnis der<br />

Anstrengungen der Menschen, es besser zu haben,<br />

mehr Fähigkeiten und mehr technisches Wissen zu<br />

erwerben oder bis dahin ungE!nutztes Wissen anzuwenden<br />

und sich die Arbeit zu erleichtern, indem sie<br />

sich bessere Produktionsmittel schallen oder deren<br />

Zusammenspiel besser örganisienm. Wie stark das<br />

Produktionsergebnis über die kurzfristigen Schwankungen<br />

hinweg zunimmt, ist bei gegebenem Wettbewerb<br />

von außen von der Tüchtigkeit, Risikobereitschaft<br />

und Findigkeit der Unternehmen, von der Qualifikation<br />

und Leistungsbereitschaft derArbeitnehmer<br />

sowie von der Bereitschaft aller abhängig, auf Gegenwartskonsum<br />

zu verzichten, um das Ersparte zu investieren<br />

und so die Chance für einen in der Zukunft<br />

weiter wachsenden Wohlstand zu eröffnen. Der Staat<br />

ist nicht der Motor des Wachstums, er hat gleichwohl<br />

wichtige wachstumspolitische Aufgaben: An ilun liegt<br />

es, mit dem Ausbau der komplementären Infrastruktur<br />

günstige Voraussetzungen und Vorbedingungen<br />

für einen effizienten Einsatz von Kapitlil und Arbeit zu<br />

schaffen und vor allem für ein überzeugendes und<br />

stabjles gesetzliches undinstitutionelles Rahmenwerk<br />

zu sorgen, damit sich die wirtschaftlichen Antriebskräfte<br />

entfalten und in ihrem Zusammenwirken den<br />

Präferenzen der Menschen auf Dauer bestmöglich gerecht<br />

werden können. Wachstumspolitik ist daher in<br />

ihrem Kern Wirlschaftsordnungspolitik.<br />

48*. Gefordert ist eine umfassende Neuorientierung.<br />

Deren eigentliche Schwierigkeiten liegen weniger in<br />

den Details der einzelnen Schritte. Was wirtschaftspolitisches<br />

Handeln bewirkt, wenn es für die wirtschaftliche<br />

Betätigung mehr Freiraum schafft oder Koordinierungsmängel<br />

beseitigt, läßt sich zwar nicht in jedem<br />

Einzelfalle mit völliger Sicherheit angeben, aber<br />

doch hinreichend umreißen. Die Grenzen für eine<br />

wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik sind durchaus<br />

nicht so eng gezogen, wie es in der öffentlichen<br />

Diskussion oft den Anschein hat. Die eigentlichen<br />

Schwierigkeiten liegen in der politischen Umsetzung<br />

des für richtig Erkannten. Es kommt darauf an, daß die<br />

wirtschaftspolitische Konzeption möglichst vielen verständlichund<br />

begreilbar gemacht wird. Wenn es nicht<br />

gelingt, jede einzelne Reformmaßnalune mit ihrer<br />

Einbettung in die Gesamtkonzeption, mit ihrem Beitrag<br />

<strong>zur</strong> Steigerung der gesamlwirlschaftlichen Leistung,<br />

aber auch mitdem geforderten Verzichtlür einzelne<br />

Gruppen überzeugend zu begründen, besteht<br />

die Gefahr, daß sich die Widerstände der unmittelbar<br />

Betroffenen bis zu einer Refonnblockade verdichten.<br />

Wirtschaftspolitik nach dem Börsenkrach<br />

(Ziffern 267fl.)<br />

49'. Wachstumspolitik ist längerfristig angelegte<br />

Wirtschaftspolitik. Es braucht seine Zeit, Blockaden<br />

von wirtschaftlichen Antriebskräften aus dem Weg zu<br />

räumen und Koordinationsmängel zu beseitigen; und<br />

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