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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

Dienstleistung die Qualitätsverbesserung durch das<br />

Zahlen eines höheren Preises zu honorieren, aber<br />

auch dann, wenn mit der Produktion höherwertiger<br />

Güter auch höhere Einkommen entstehen. So ist es<br />

beispielsweise bei einer liberalisierung der Ladenöffnungszeiten<br />

denkbar, daß sich vor allem kleinere Unternehmungen<br />

auf einen Verkauf in den Abendstunden<br />

spezialisieren und daß deren Kunden bereit sind,<br />

für die dort angebotenen Waren einen höheren Preis<br />

zu zahlen, als sie bei den Konkurrenten solcher Einzelhändler<br />

während der üblichen Geschäftszeiten<br />

entrichten müßten. Außerdem ist es gut möglich, daß<br />

sich für diejenigen Beschäftigten im Einzelhandel, die<br />

abends oder Samstag nachmittags zu arbeiten bereit<br />

sind, höhere Gehälter einspielen als für diejenigen,<br />

die nur zu den herkömmlichen Zeiten arbeiten wollen.<br />

Im übrigen ist es entgegen einer sehr verbreiteten<br />

Meinung keineswegs ausgemacht, daß sich der gesamte<br />

Warenabsatz durch eine Flexibilisierung der<br />

Öffnungszeiten im Einzelhandel nicht doch steigern<br />

ließe. Viele Waren, insbesondere modische Artikel,<br />

werden häufig spontan bei einem Einkaufsbummel<br />

erworben, ohne daß vorher eine feste Kaufabsicht be~<br />

stand. Wird die Gelegenheit dazu durch Verlängerung<br />

oder auch nur durch Veränderung der Ladenschlußzeiten<br />

erweitert, erscheint eine Zunahme des<br />

gesamtwirtschaftlichen Absatzes von Konsumgütern<br />

und damit auch eine Erhöhung der Beschäftigung im<br />

Einzelhandel durchaus nicht unwahrscheinlich.<br />

An welchen Orten sich bei einer Uberalisierung der<br />

Geschäftszeiten des Einzelhandels die Ausnutzung<br />

der neuen Möglichkeiten lohnt, welche Branchen davon<br />

besonders profitieren und für welchen Betriebstyp<br />

dadurch die Nutzung von Marklnischen ermöglicht<br />

wird, das alles herauszufinden ist Aufgabe der<br />

dynamischen Unternehmer. Daß der von ihnen ausgehende<br />

Wettbewerbsdruck vom Gros der Konkurren~<br />

ten nicht gern gesehen wird, ist nicht erstaunlich. Deshalb<br />

sollte sich die Wirtschaftspolitik nicht an den Protesten<br />

orientieren, die von deren Verbänden vorgetragen<br />

werden.<br />

Es ist auch nicht richtig, daß die Verteidigung des<br />

Ladenschlußgesetzes im mittelständischen Interesse<br />

liegt, im Gegenteil: Der Einzelhändler, der seinen Laden<br />

in einem dicht besiedelten Wohngebiet betreibt,<br />

wird durch die heutigen Ladenschlußzeiten nicht geschützt,<br />

sondern daran gehindert, seine spezifischen<br />

Vorteile <strong>zur</strong> Geltung zu bringen. Der frühzeitige Ladenschluß<br />

am Abend diskriminiert die Nachbarschaftsläden.<br />

Um in der verfügbaren kurzen Zeit für<br />

den Einkauf nach der täglichen Arbeit zu Rande zu<br />

kommen, zöge es mancher Kunde vor, in den Abendstunden<br />

in seiner Wohngegend einkaufen zu können.<br />

Die Konzentrationsbewegung, die trotz ständig steigenden<br />

Pro-Kopf-Konsums die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte<br />

dezimiert und den Verbrauchermärkten<br />

ansehnliche Umsatzzuwächse beschert hat,<br />

ist zum Teil auch durch die geltende Ladenschlußregelung<br />

verursacht. Wenn die Einkaufszeit so eingeschränkt<br />

wird wie heute, dann gerät dies notwendigerweise<br />

zum Vorteil des an keine Einkaufszeit gebundenen<br />

Versandhandels, was wiederum den mittelständischen<br />

Einzelhandel benachteiligt.<br />

Die Verkaufsleistungbei freier Wahl der Angebotszeit<br />

zu erbringen, setzt eine entsprechende Anpassung<br />

der Arbeitszeiten im Handel voraus. Dadurch könnte<br />

der mit der Regelung der Ladenschlußzeit ursprünglich<br />

beabsichtigte Schutz der im Einzelhandel tätigen<br />

Arbeitnehmer angetastet werden. Sicher wird es bei<br />

den Unternehmen, die die verlängerteIl Ladenöffnungszeiten<br />

nutzen wollen, auch im Handel stärker<br />

als bislang notwendig werden, Betriebszeiten und individuelle<br />

Arbeitszeiten zu entkoppeln, wie es in vielen<br />

Branchen der Industrie schon heute gang und<br />

gäbe ist. Im übrigen sind jedoch die Beschäftigten des<br />

Einzelhandels durch die gleichen BeStimmungen geschützt<br />

wie alle anderen Arbeitnehmer auch: durch<br />

die Arbeitszeitordnung, in der einsbnals zugleich der<br />

Ladenschluß geregelt worden war, durch Tarifverträge<br />

und - zumindest in größeren Unternehmungen<br />

- auch durch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.<br />

In diesem Zusammenhang ist aber nochmals daran zu<br />

erinnern, daß die von der Flexibilisierung der Beschäftigungsregelungen<br />

ausgehenden Wachstumsimpulse<br />

durchaus dazu beitragen können, daß zusätzliche Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden. Auch gibt es Arbeitnehmer,<br />

die gern eine Stellung mit einer.Arbeitszeit in<br />

der zweiten Tageshälfte annehmen würden, sowie<br />

Arbeitslose, die eine Teilzeitarbeit in den Abendstunden<br />

suchen, weil sie sich tagsüber ihren Kindern widmen<br />

wollen. Wenn bei einer Beschäftigung in den<br />

Abendstunden ein höheres Entgelt gezahlt wird,<br />

würde mancher Arbeitnehmer auch aus diesem<br />

Grunde gerne eine Arbeitszeit akzeptieren, die außerhalb<br />

der heute zugelassenen Ladenöffnungszeiten<br />

liegt. Insgesamt gesehen dürfte die überalisierung<br />

der Ladenöffnungszeiten durchaus im Interesse zahlreicher<br />

Arbeitnehmer liegen. Dieses Interesse ist<br />

schutzwürdig und sollte deshalb auch vom Gesetzgeber<br />

berücksichtigt werden.<br />

Kürzere regelmäßige Wochenarbeitszeiten, auch in<br />

Form der Teilarbeitszeit, verbinden sich leichter mit<br />

einer freien Wahl der Öffnungszeiten als mit der derzeitigen<br />

starren Regelung. Nach Erfahrungen, die in<br />

Schweden nach der Freigabe der Ladenöffnungszeiten<br />

im Jahre 1972 gemacht worden sind, steigt dabei<br />

die Teilzeitbeschäftigung an und die zahl der überstunden<br />

vermindert sich, was dafür spricht, daß sich<br />

der Personalbedarf bei liberalisierten Öffnungszeiten<br />

besser vorausplanen läßt.<br />

414. Die KundenWÜllsche nach zeitlich gestaffelten<br />

Einkaufsmöglichkeiten lassen sich besser als durch<br />

Umfragen mit praktischen Erfahrungen belegen, die<br />

in anderen Ländern mit freien Ladenöffnungszeiten<br />

gesammelt wurden. Nach einer übergangsfrist kam<br />

es in Schweden, in den Niederlanden und in Belgien,<br />

neuerdings auch in Dänemark zu beträchtlichen Verschlebungen<br />

der Ladenöffnungszeiten, ohne daß die<br />

gesamte Öffnungsdauer merklich zunahm. Auch in<br />

Frankreich, wo es keine Reglementierung gibt, erreicht<br />

die tatsäcbliche Öffnungszeit nicht das in der<br />

Bundesrepublik zulässige Maximum, wird aber vielfach<br />

anders über den Tag verteilt als hlerzulande.<br />

Die Erfahrungen im Ausland belegen auch, daß flexible<br />

Öffnungszeiten der beste Schutz für flexible Ein-<br />

199

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