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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

zeIne will, was ihm lohnend erscheint, wofür er auch<br />

bereit ist, sich anzustrengen, das wird besonders dann<br />

offenkundig. wenn die gröbsten Fehler in den Anreizmechanismen<br />

beseitigt sind. Bedacht werden sollte<br />

auch dies: Eine Wirtschaft, welche die in den Menschen<br />

und ihren Fähigkeiten angelegten Triebkräfte<br />

zum wirtschaftlichen Wachstum voll nutzt, hat die<br />

größten Möglichkeiten, humane und soziale Forderungen<br />

an die Gestaltung der Arbeitswelt und die<br />

Nutzung der Technik zu erfüllen.<br />

Die Aufgabe für die Wirtschaftspolitik<br />

256. Wirtschaftliches Wachstum ist das Ergebnis der<br />

Anstrengungen der Menschen, es besser zu haben,<br />

mehr Fähigkeiten und mehr technisches Wissen zu<br />

erwerben oder bis dahin ungenutztes Wissen anzuwenden<br />

und sich die Arbeit zu erleichtern, indem sie<br />

sich bessere Produktionsmittel schaffen oder deren<br />

Zusammenspiel besser organisieren. Wie stark da~<br />

Produktionsergebnis über die kurzfristigen Schwankungen<br />

hinweg zunimmt. ist bei gegebenem Wettbe:­<br />

werb von außen von der Tüchtigkeit, Risikobereit~<br />

schaft und Findigkeit der Unternehmen, von der Qualifikation<br />

und Leistungsbereitschaft der Arbeilnehmer<br />

sowie von der Bereitschaft aller abhängig, auf Gegenwartskonsum<br />

zu verzichten, um das Ersparte zu investieren<br />

und so die Chance für einen in der Zukunft<br />

weiter wachsenden Wohlstand zu eröffnen. Der Staat<br />

ist nicht der Motor des Wachstums; er hat gleichwohl<br />

wichtige wachstumspolitische Aufgaben: Anihmliegt<br />

es, mit dem Ausbau der komplementären Infrastruktur<br />

günstige Voraussetzungen und Vorbedingungen<br />

für einen effizienten Einsatz von Kapital und Arbeit zu<br />

schaffen und vor allem für ein überzeugendes und<br />

stabiles gesetzliches und institutionelles Rahmenwerk<br />

zu sorgen, damit sich die wirtschaftlichen Antriebskräfte<br />

entfalten und in ihrem Zusammenwirken den<br />

Präferenzen der Menschen auf Dauer bestmöglich ge·<br />

recht werden können. Wachstumspolitik ist daher in<br />

ihrem Kern Wirtschaftsordnungspolitik.<br />

2!!>7. Die Aufgabe, der Entfaltung der wirtschaftlichen<br />

Antriebskräfte mehr Raum zu geben und die<br />

Voraussetzungen für eine effiziente Koordinierung<br />

der wirtschaftlichen Aktivitäten zu schaffen, ist der<br />

Wirtschaftspolitik in nahezu allen ihren Teilhereichen<br />

gestellt. In Tat und Wahrheit hat sich die Wirtschaftspolitik<br />

jedoch über die Jahre immer weiter von einer<br />

Wachstumsorientierung entfernt, indem sie ein übermaß<br />

an Regelungen, ja staatlicher Gängelung schuf,<br />

das die Initiative des einzelnen <strong>zur</strong>ückdrängte, indem<br />

sie es zuließ, daß kurzfristige Verteilungsziele Vorrang<br />

gegenüber der Mehrung des künftig Verteilbaren<br />

erhielten, indem sie Gruppeninteressen immer<br />

wieder nachgab. Das Wohl des Ganzen hat darunter<br />

gelitten.<br />

Aus diesen Verstrickungen muß sich die Wirtschaftspolitik<br />

lösen. Gefordert ist eine Neuorientierung auf<br />

das Wachstum hin. Es gilt, den folgenden Grundeinsichten<br />

wieder verstärkt Geltung zu verschaffen.<br />

Ein größerer Freiraum setzt blockierte wirtschaftliche<br />

Initiativen frei und nutzt im Ergebnis allen.<br />

Die Steuerung der Einzelentscheidungen durch<br />

Markt und Wettbewerh ist, abgesehen von den<br />

wenigen Fällen des sogenannten Marktversagens,<br />

der staatlichen Lenkung im wirtschaftlichen Ergebnis<br />

überlegen. Auch Bereitstellung und Nutzung<br />

öffentlicher Güter lassen sich mit Regelungen,<br />

die dem Marktmechanismus ab'geschaut sind,<br />

meist effizienter gestalten.<br />

Verteilungskonßikte stellen·sich in einer wachsenden<br />

Wirtschaft weniger scharf als in einer stagnierenden<br />

Wirtschaft, 4t der jeder nur gewinnen<br />

kann, was ein anderer verliert. Wenn ein größeres<br />

Sozialprodukt verteilt werden kann, bringt das<br />

auch den wirtschaftlich Schwächeren auf die<br />

Dauer mehr, als wenn sie bei einem kleineren Produkt<br />

im Anteil hesser bedacht werden.<br />

Wahrung von Besitzständen setzt die Fähigkeit der<br />

Wirtschaft herab, sich Marktveränderungen anzupassen.<br />

Wer Freiheit für sich, wer Autonomie beansprucht,<br />

muß Verantwortung für sein Handeln tragen. Das<br />

gilt für den einzelnen ebenso wie für gesellschaftliche<br />

Gruppen.<br />

Eine wachsende Wirtschaft erfüllt von sich aus in<br />

hohem Maße soziale Funktionen, indem sie mehr<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten und - als Frucht<br />

des gesamtwirtschaftlichen Wachstums - steigenden<br />

Wohlstand bietet. Sie macht es nicht nur<br />

leichter, die <strong>zur</strong> Finanzierung staatlicher Sozialpolitik<br />

nötigen Mittel aufzubringen, sondern sie<br />

vennindert auch den Bedarf an staatlicher Fürsorgein<br />

dem Maße, in dem die Bürger ihr Auskommen<br />

durch eigene Arbeit finden. Eine Politik, die<br />

aus Gründen einer falsch verstandenen sozialen<br />

Ausgewogenheit der Eigeninitiative zu wenig<br />

Raum läßt, vergrößert hingegen den SOZialpolitischen<br />

Handlungsbedarf und schwächt gleichzeitig<br />

die wirtschaftliche Basis, was es schwerer macht.<br />

die Leistungen zu finanzieren.<br />

258.. Gefordert ist eine umfassende Neuorientierung.<br />

Deren eigentliche Schwierigkeiten liegen weniger<br />

in den Details der einzelnen Schritte. Was wirtschaftspolitisches<br />

Handeln bewirkt, wenn es für die<br />

wirtschaftliche Betätigung mehrFreiraum schafft oder<br />

Koordinierungsmängel beseitigt, läßt sich zwar nicht<br />

in jedem Einzelfalle mit vötliger Sicherheit angeben,<br />

aber doch hinreichend umreißen. Die Grenzen für<br />

eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik sind<br />

durchaus nicht so eng gezogen, wie es in der öffentlichen<br />

Diskussion oft den Anschein hat. Die eigentlichen<br />

Schwierigkeiten liegen in der politischen Umsetzung<br />

des für richtig Erkannten. Es kommt darauf an,<br />

daß die wirtschaftspolitische Konzeption möglichst<br />

vielen verständlich und begreifbar gemacht wird.<br />

Wenn es nicht gelingt, jede einzelne Reformmaßnahme<br />

mit ihrer Einbettung in die Gesamtkonzeption,<br />

mit ihrem Beitrag <strong>zur</strong> Steigerung der gesamtwirtschaftlichen<br />

Leistung, aber auch mit dem geforderten<br />

Verzicht für einzelne Gruppen überzeugend zu begründen,<br />

besteht die Gefahr, daß sich die Widerstände<br />

der unmittelbar Betroffenen bis zu einer Reformblockade<br />

verdichten.<br />

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