Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />
tischen Raumes zählen, sind in der Lage, Zins- und<br />
Tilgungszahlungen ohne größere Schwierigkeiten zu<br />
leisten.<br />
Zur Überwindung der Verschuldungskrise sind sowohl<br />
die Schuldner- als auch die Gläubigerländer aufgerufen.<br />
Die Wiedererlangung ihrer Zahlungsfähigkeit<br />
beziehungsweise ihrer Kreditwürdigkeit verlangt<br />
von den Schuldnerländem, daß sie trotz aller damit<br />
verbundenen innenpolitischen und sozialen Schwierigkeiten<br />
die Spar- und die Investitionsquote erhöhen.<br />
für eine höhere Produktivität der Investitionen sorgen<br />
und sich besser an die Bedingungen der Weltmärkte<br />
anpassen. Dabei erweisen sich der Abbau der hohen<br />
Budgetdefizite und die Bekämpfung der Inflation als<br />
unverzichtbar. Der Internationale Währungsfonds<br />
spielt bei dieser Strategie eine wichtige Rolle. Indem<br />
er zusammen mit der Weltbank die Stabilisierungsprogramme<br />
überwacht und die Anpassungsanstrengungen<br />
finanziell unterstützt, erhöht er die Kreditwürdigkeit<br />
der Länder, die dann auch von privaten Banken<br />
neue Kredite erhalten können.<br />
Die Gläubigerländer haben mit eigenem Wachstum<br />
und der Gewährung freien Zutritts zu ihren Märkten<br />
wichtige Voraussetzungen für eine Überwindung der<br />
Schuldenkrise zu schaffen. Auch sollten sie - worauf<br />
der Sachverständigenrat schon früher aufmerksam<br />
gemacht hat - die Chancen <strong>zur</strong> Lösung der Schu1<br />
denkrise nicht durch Vorbelastungen verbauen, die<br />
den Zustand der latenten Zahlungsunfähigkeit tendenziell<br />
verewigen. Deshalb mag es in einzelnen Fällen<br />
förderlich sein, wenn Regierungen und Banken<br />
einen Teilerlaß ihrer Forderungen vornehmen. Dies<br />
kann allerdings nur unter restriktiven Bedingungen<br />
geschehen; insbesondere darf ein Teilerlaß ihrer<br />
Schulden nicht <strong>zur</strong> Folge haben, daß ein Schuldnerland<br />
dadurch gleichermaßen stigmatisiert wird und<br />
seine Kreditwürdigkeit verliert.<br />
5"'. Der Kursverfall, der am "Schwarzen Montag"<br />
(19. Oktober) an allen Börsen in der Welt auftrat, kann<br />
in erster linie als eine überfällige Anpassung der<br />
enorm gestiegenen Aktienkurse an die vergleichsweise<br />
wenig veränderten realwirtschaftlichen Bedingungen<br />
der Unternehmungen betrachtet werden. Insoweithatman<br />
von einer Nonnalisierung zu sprechen,<br />
von der nichts Bedrohliches ausgeht.<br />
Gleichwohl gerieten Aktienbesitzer in Panik. Nach<br />
einer kurzen Beruhigungsphase Ende Oktober - die<br />
Aktienindizes standen in Tokio noch um 22 vH, in<br />
New York und in London noch um jeweils 4 vH über<br />
ihrem zu Jahresbeginn erreichten Niveau - kam es<br />
zu einer erneuten Verkaufswelle.Während der Kurssturz<br />
im Oktober überall auf den gleichen Ursachen<br />
beruhte und mehr oder weniger gleich stark war, ergaben<br />
sich nun merkliche Unterschiede zwischen den<br />
Börsenplätzen. An den beiden führenden Weltbörsen<br />
in New York und in Tokio fielen die Kurse seit Ende<br />
Oktober nur um 6 vH beziehungsweise 7 vH, in<br />
Frankfurt betrug dieser nochmalige Rückgang bis<br />
zum 10. November dagegen fast 20 vH.<br />
Die Vorgänge an den Aktienbörsen werden die realwirtsebaftliche<br />
Entwicklung in der Welt belasten. Allerdings<br />
darf man nicht übersehen, daß es auch posi-<br />
tive Entwicklungen gegeben hat. Die Krise ist auf den<br />
Aktienmarkt beschränkt geblieben, von einer allgemeinen<br />
Krise oder einer Labilität der Kapitalmärkte<br />
schlechthin darf man nicht sprechen.<br />
6*. Die Wirtschaftspolitik der Europäischen Gemeinschaft<br />
erweckt in mancher Hinsicht ernste Bedenken:<br />
Im Agrarbereich und im Stahlbereich wurden marktwidrige<br />
Entwicklungen mit intensivem Einsatz öffentlicher<br />
Mittel ennöglicht, das Vorhaben, einen freien<br />
innergemeinschaftlichen Handel mit allen Waren und<br />
Dienstleistungen zu schaffen, geriet ins Stocken, und<br />
die EG schottete sich zunehmend g~genexterne Wettbewerber<br />
ab. Allerdings ist seit einigen Jahren<br />
- nicht zuletzt unter dem Druck leerer Kassen - in<br />
der Gemeinschaft die Einsicht gewachsen, daß grundlegende<br />
Reformen erforderlich und ohne Zögern anzupacken<br />
sind. Erste Schritte sind schon gemacht<br />
worden. Insbesondere sind Beschlüsse zum Abbau<br />
der landwirtschaftlichen Überproduktion und <strong>zur</strong> liberalisierung<br />
im Kapitalverkehr gefaßt worden.<br />
Der Weg zu einer überzeugenden und solide finanzierten<br />
gemeinsamen Wirtschaftspolitik ist allerdings<br />
noch weit. Die Konsensfähigkeit der Mitgliedsländer<br />
wird in den nächsten Jahren auf eine harte Probe<br />
gestellt. Deshalb muß stärker als bisher hervorgehoben<br />
werden, daß es im wohlverstandenen Eigeninteresse<br />
jedes Landes liegt, Entscheidungen für eine<br />
marktkonfonne Politik zu akzeptieren, die in dem einen<br />
oder anderen Bereich nationalen Sonderinteressen<br />
zuwiderlaufen. Dabeimüssen die Länder auch der<br />
Neigung zu nationalen Sonderprogrammen widerste~<br />
hen, die das Gemeinschaftswerk mit seinen Vorteilen<br />
für alle gefährden. Dieser Verzicht ist eine Voraussetzung<br />
für das große Ziel, bis 1992 den einheitlichen<br />
Binnenmarkt zu schaffen.<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung<br />
in der Bundesrepublik<br />
(Ziffern 68ff.)<br />
7*. Das Jahr <strong>1987</strong> war ein harter Test für die konjunkturellen<br />
Antriebskräfte in der Bundesrepublik.<br />
Die lange Talfahrt des Dollar kam zwar im Januar<br />
zunächst zum Stillstand; sie hatte jedoch deutsche<br />
Produkte nicht nur im Ausland, sondern zunehmend<br />
auch auf dem Binnenmarkt unter starken Wettbe~<br />
werbsdruck geraten lassen. Zusätzlich belastend<br />
wirkte die Unsicherheit über die weitere Wechselkursentwicklung.<br />
Sie war auch mit der zeitweiligen<br />
Stabilisierung des Dollarkurses im Frühjahr noch keineswegs<br />
beseitigt. Tatsächlich ist es mit dem weltweiten<br />
Börsenkrach im Oktober zu einem weiteren Kursverfall<br />
der amerikanischen Währung gekommen.<br />
Trotz dieser außenwirtschaftlichen Belastungen hat<br />
sieb die Aufwärtsentwicklung <strong>1987</strong> fortgesetzt, verhalten<br />
zwar, jedoch auf etwas breiterem Fundament.<br />
Die kräftige Inlandsnachfrage blieb in der Führungsrolle;<br />
das Bild vom Wechsel der Auftriebskräfte behielt<br />
auch <strong>1987</strong> noch seine Gültigkeit. Eine sich wieder<br />
belebende Exporttätigkeit kam hinzu, so daß<br />
- was in den lah1en für den Jahresdurchschnitt noch<br />
nichtzum Ausdruck kommt - die wirtschaftliche Ent-<br />
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