Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />
und der zunehmende Abstand zwischen kurz- und<br />
langfristigen Zinsen finden hierin teilweise eine Begründung.<br />
Zur Verstärkung der Inflationserwartungen dürfte<br />
- neben der starken Geldmengenexpansion - beigetragen<br />
haben, daß die Bundesbank sich in nunmehr<br />
zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht in der Lage<br />
gesehen hat. die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.<br />
Sie steht in der Gefahr, ihre erwartungsbeslimmende<br />
Rolle einzubüßen, da vielfach angenommen wird, daß<br />
die Bewahrung von Geldwertstabilität als Ziel binter<br />
andere Ziele <strong>zur</strong>ückgestellt worden ist. Würde die<br />
Bundesbank ihre Reputation als Stabilitätsgarant verlieren,<br />
hätte das weitreichende Folgen; die Inflationserwartungen<br />
der Menschen ließen sich nicht mehr in<br />
Schach halten und inflationäre Tendenzen würden<br />
sich schnell verstärken. Ein Verlust an Reputation als<br />
Stabilitätsgarantwürde auchin das Europäische Währungssystem<br />
bineinwirken, das bisher weitgehend<br />
durch die Bundesbank auf stabilitätsgerechtem Kurs<br />
gehalten worden ist. Zweifel an der Fortsetzung dieses<br />
Kurses verstärken Inflationserwartungen auch in<br />
der Bundesrepublik.<br />
321. Es wäre falsch, die Stärkung der Inflationserwartungen<br />
in der Bundesrepublik allein auf die rasche<br />
Geldmengenexpansion und die Überschreitung selbst<br />
gesetzter Geldmengenziele <strong>zur</strong>ückzuführen. Andere<br />
Entwicklungen haben dazu beigetragen. So ist in den<br />
meisten größeren Industrieländem in den letzten Jahren<br />
die Geldmenge rasch und vielfach auch unplanmäßig<br />
gestiegen; und bei einigen wichtigen Handelspartnern,<br />
vor allem in den Vereinigten Staaten und<br />
Großbritannien, ist es zu einer Umkehr in der Entwicklung<br />
der Preissteigerungsraten gekommen; hier<br />
steigen die Inflationsraten wieder an.<br />
Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang<br />
die Vereinigten Staaten. Dort sind die Importpreise<br />
wechselkursbedingt gestiegen, obwohl<br />
viele ausländische Anbieter ihre Dollarpreise <strong>zur</strong> Verteidigung<br />
ihrer Marktpositionen zunächst nicht oder<br />
nur wenig erhöhten und deshalb auch amerikanischen<br />
Unternehmen im Wettbewerb erst nach und<br />
nach Möglichkeiten zu Preiserhöhungen eröffnet<br />
wurden. Auch aufgrund des starken Geldmengenwachstums<br />
vergangener Jahre wird befürchtet, daß<br />
eine neue Inflation von den Vereinigten Staaten ausgeht.<br />
Inflationserwartungen in der Bundesrepublik.<br />
finden bier teilweise ihre Begründung.<br />
Worauf auch immer die Inflationserwartungen in der<br />
Bundesrepublik <strong>zur</strong>ückgehen, in jedem Fall muß die<br />
Geldpolitik ihnen entgegentreten. Inflationserwartungen<br />
beeinflussen die wirtschaftlichen Dispositionen<br />
und lösen dadurch Preissteigerungen tatsächlich<br />
aus. Zwar ist für das kommende Jahr nicht mit einer<br />
hohen Preissteigerungsrate zu rechnen. Doch darum<br />
geht es auch nicht; es geht darum, eine drohende<br />
inflationäre Entwicklung gar nicht erst eintreten zu<br />
lassen. Jedem Inßationsprozeß, der erst einmal eingesetzt<br />
hat, wohnt eine Tendenz <strong>zur</strong> Selbstverstärkung<br />
inne, wenn die Geldpolitik ihr nicht entschlossen entgegentritt.<br />
Dazu ist sie jetzt aufgerufen.<br />
322. Die Aussage, daß Inflationserwartungen sich in<br />
einem Maße verstärkt haben, das geldpolitisches<br />
Handeln erfordert, trifft auf zwei Einwände. Dem ersten<br />
Einwand zufolge ist die starke Geldmengenexpansion<br />
zu einem nicht unwesentlichen Teil Reflex<br />
einer gestiegenen üquiditätspräferenz und kann insoweit<br />
einen inflationären Prozeß nicht begründen.<br />
Dieser Einwand wäre dann berechtigt und überzeugend,<br />
wenn sich die Kassenhalh.~!1gsgewohnheiten<br />
dauerhaft gewandelt hätten. Dafür spricht zwar eine<br />
im Trend leicht sinkende Umlaufsgeschwindigkeit<br />
des Geldes, aber dieser Trend ist so schwach ausgeprägt.<br />
daß man mitihmdie starke GeldItLengenexpansion<br />
im Jahre <strong>1987</strong> nicht rechtfertigen kann; selbst<br />
eine Verlagerung des Zielpfades auf das Ende 1986<br />
erreichte Niveau der Zentralbankgeldmenge läßt sich<br />
damit nur schwer begründen. Indizien für dauerhafte<br />
Slrukturbrüche in den Kassenhaltungsgewohnheiten<br />
gibt es nicht.<br />
Unstreitig ist, daß die Uquiditätspräferenz der Wirtschaftsteilnehmer<br />
im Jahre 1981 wie auch schon 1986<br />
vergleichsweise hoch war; offensichtlich aufgrund<br />
von Zins- und Wechselkurserwartungen ist die Vermögensstruktur<br />
zugunsten der Geldmengenaggregate<br />
geändert worden; Vermögen in Form von Kasse<br />
zu halten, brachte wegen der annähernd erreichten<br />
Preisniveaustabilität und wegen niedriger Zinsen außerdem'<br />
nur geringe Opportunitätskosten mit sich.<br />
Diese BestimmungsgIÜnde der Kassenhaltung sind<br />
jedoch entscheidend von der Geldpolitik selbst abhängig;<br />
von einer dauerhaften Verhaltensänderung<br />
der Kassenhalter kann insoweit keine Rede sein. Sollten<br />
Preise und Zinsen wieder ansteigen, dürfte die<br />
Liquiditätspräferenz rasch schwächer werden. Die<br />
Geldpolitik kann selbst dazu führen: Wenn sie die<br />
Geldmenge an eine vermeintlich höhere liquiditätspräferenz<br />
anpaßt, läuft sie Gefahr, Inflationserwartungen<br />
wiederzubeleben und dadurch einen Preisanstieg<br />
tatsächlich auszulösen. Die Umlaufsgeschwindigkeit<br />
steigt dann wieder; es bleiben inflationäre Tendenzen.<br />
323. Mit dem zweiten Einwand wird an den anhaltenden<br />
Druck auf den Dollarkurs erinnert. Er ließ befürchten,<br />
daß der deutschen Wirtschaft innerhalb einer<br />
kurzen Periode eine zu große Anpassungslast aufgebürdet,<br />
die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher<br />
Anbieter auf Auslandsmärkten wie auf Inlandsmärkten<br />
deutlich geschwächt und sich deshalb<br />
- ausgehend vom internationalen Sektor der deutschen<br />
Volkswirtschaft - eine Rezession ausbreiten<br />
würde. In dieser Ausnahmesituation mußte die Bundesbank<br />
einem überschießen des Wechselkurses und<br />
möglichen sich selbst verstärkenden Währungsspekulationen<br />
energisch entgegentreten; aus konjunktur-<br />
und beschäftigungspolitischen Gründen war es<br />
geboten, den wechselkursbedingten Restriktionsdruck<br />
auf die Volkswirtschaft so klein wie möglich zu<br />
halten, für eine Berubigung der Devisenmärkte zu<br />
sorgen und dabei ein Überschreiten des Geldmengenziels<br />
hinzunehmen. Das sieht auch der Sachverständigenrat<br />
so. Inflationsgefahren waren damit zunächst<br />
nicht verbunden, weil der außenwirtschaftliche Druck<br />
auf das Preisniveau anhielt.<br />
161