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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

die Konjunkturerwartungen merklich nach unten korrigieren.<br />

192. Auf den ersten Blick mag es scheinen, als ließen<br />

sich die Effekte des Kurssturzes an den Aktienmärkten<br />

wenigstens geographischeinigennaßen lokalisieren.<br />

Danach müßten sich die Auswirkungen vor allem<br />

in den Vereinigten Staaten zeigen, weniger in den<br />

europäischen Ländern. Ein solcher Schluß ist voreilig.<br />

Die enge internatinale Verflechtung der Märkte führt<br />

dazu, daß sich die konjunkturdämpfenden Wirkungen<br />

rasch von einem Land zum anderen übertragen - und<br />

möglicherweise verstärken. Auch Länder, in denen<br />

(wie etwa in Japan) der Kursverfall bei Aktien weit<br />

weniger ausgeprägt war als beispielsweise in den<br />

Vereinigten Staaten, sind von der Baisse in hohem<br />

Maße berührt. Sie müssen mit den Folgen des niedrigen<br />

Dollarkurses fertig werden. Aus diesem Grund ist<br />

es beispielsweise wenig sinnvoll, allein etwa aus den<br />

unterschiedlichen Kursverlusten in New York, Tokio,<br />

London oder Frankfurt, auf die Größe der Belaslungsunterschiede<br />

zu schließen. Es müssen vielmehr die<br />

Gesamtwirkungen ins Bild gerückt werden, wie sie<br />

sich aus dem Zusammenspiel von Wertpapierkursen,<br />

Zinssätzen und Wechselkursen ergeben.<br />

193. Nach Schätzungen der OECD sind die gesamten<br />

konjunkturdämpfenden Wirkungen für die westlichen<br />

Industrieländer auf etwa einen halben Prozentpunkt<br />

des Sozialproduktzuwachses zu veranschlagen.<br />

Die Effekte sind also nicht so klein, daß man sie vernachlässigen<br />

könnte, aber sie sind auch nicht so groß,<br />

daß sie die Weltwirtschaft im nächsten Jahr vom Expansionspfad<br />

abbringen werden. Für die Vereinigten<br />

Staaten wird im kommenden Jahr mit einer Verlangsamung<br />

des Expansionstempos um einen halben Prozentpunkt<br />

gerechnet, für Japan und die Bundesrepublik<br />

mit etwas weniger (etwa einen viertel Prozent­<br />

. punkt).<br />

194. Weder die Höhe der Belastungen noch deren<br />

Verteilung zwischen den einzelnen Ländern und innerhalb<br />

der Länder zwischen Unternehmen und privaten<br />

Haushalten sind indes vorgegeben. Beides<br />

hängt entscheidend davon ab, welche Lösungen die<br />

Wirtschaftspolitik <strong>zur</strong> Beruhigung der Märkte linden<br />

wird. Denn dies hat Rückwirkungen auf das Wechselkurs-<br />

und das Zinsgefüge. Ein höherer oder ein niedrigerer<br />

Dollarkurs verschiebt die Anpassungslasten<br />

zwischen den Vereinigten Staaten auf der einen und<br />

Japan sowie den westeuropäischen Industrieländern<br />

auf der anderen Seite. Schon für die kurze Frist lassen<br />

sich die Effekte nur schwer quantifizieren. Wie sich<br />

längerfristig als Ergebnis einer Umlenkung der Güterund<br />

Kapitalströme die Lasten verteilen, vermag heute<br />

niemand zu sagen.<br />

Zu den Annahmen über den Kurs der<br />

Wirtschaftspolitik<br />

195. Die Unsicherheit über den künftigen Kurs der<br />

Wirtschaftspolitik zwingt uns, mit einer Reihe von Annahmen<br />

zu arbeiten. Unsere Prognose ist also - stär-<br />

ker noch als sonst - an bestimmte Bedingungen geknüpft,<br />

von denen wir nicht wissen, ob sie zutreffen<br />

werden. Das mindert nicht den Aussagewert. Die<br />

grundlegenden Probleme, die in der Prognose aufgezeigt<br />

werden, ändern sich nicht dadurch, daß die eine<br />

oder andere Annahme revidiert werden müßte.<br />

\<br />

Im einzelnen nehmen wir für den Kurs der Wirtschaftspolitik<br />

in den großen Induslrieländern folgendes<br />

an:<br />

Der Finanzpolitik in den Vereinigten Staaten gelingt<br />

ein entscheidender Schritt <strong>zur</strong> Konsolidierung<br />

des Budgets, der die internationalen Finanzmärkte<br />

beeindruckt und den Dollar stützen wird.<br />

In den meisten anderen Industrieländem ist die<br />

Finanzpolitik hingegen in konjunktureller Hinsicht<br />

wie schon bisher auf verhaltenem Expansionskurs,<br />

so auch in der Bundesrepublik.<br />

Die Geldpolitik wird etwas weniger expansiv geführt<br />

als in diesem Jahr. Sie unterläßt aber alles,<br />

was den Konsolidierungsprozeß an den internationalen<br />

Finanzmärkten stören könnte. Ein nennenswerter<br />

Zinsanstieg stellt sich nicht ein. Größere<br />

Veränderungen bei den realen Wechselkursen, so<br />

unsere Annahme, wird es nicht geben. Eine Anpassung<br />

der Leitkurse im EWS ist aarnit nicht ausgeschlossen.<br />

Der Kurs des Dollar wird sich - im<br />

Durchschnitt des gesamten Prognosezeitraums ­<br />

etwa auf dem Mitte November <strong>1987</strong> erreichten Niveau<br />

von 1,70 DM bewegen.<br />

Alles in allem unterstellen wir einen Kurs der Wirtschaftspolitik,<br />

der - nicht ohne Aussicht auf Erfolg ­<br />

einen Abbau der Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft<br />

zum Ziel hat.<br />

196. Zu den Annahmen der Prognose gehört auch<br />

eine Setzung für den Ölpreis. Wir gehen davon aus,<br />

daß es im kommenden Jahr zu keinen gravierenden<br />

Störungen auf den Märkten und damit auch zu keinen<br />

nennenswerten Veränderungen im Verhältnis von<br />

Angebot und Nachfrage kommt. So erscheint die Annahme<br />

eines unveränderten Preises von etwa 18 Dollar<br />

für das Barrel Öl als plausibel.<br />

197. Im folgenden beschreiben wir zunächst die<br />

wirtschaftliche Entwicklung für das Jahr 19<strong>88</strong>, wie sie<br />

sich uns aus heutiger Sicht darstellt. Die Grundannahme<br />

der Prognose ist, daß es der Wirtschaftspolitik<br />

gelingt, wieder Vertrauen zu schaffen und den<br />

Märkten die notwendige Orientierung zu geben. Unter<br />

diesen Voraussetzungen würde sich der Dollarkurs<br />

rasch stabilisieren, und das würde auch <strong>zur</strong> Beruhigung<br />

der Aktienmärkte beitragen.<br />

In denletzten beiden Jahren hat sich gezeigt, wie sehr<br />

die wirtschalltiche Entwicklung in der Bundesrepublik<br />

von der Entwicklung in anderen Ländern abhängt.<br />

Daß die deutsche Wirtschaft die Stockungsphase<br />

überwinden konnte, hing auch damit zusammen,<br />

daß sich beim Export der Wind wieder drehte.<br />

Wir gehen deshalb zunächst der Frage nach, wie sich<br />

die Konjunktur in den Partnerländern entwickeln<br />

wird - wo sie weiter aufwärts gerichtet bleibt und wo<br />

sie möglicherweise nach unten neigt.<br />

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