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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

es richtig, daß viele, die ihre Stelle verlieren, verhältnismäßig<br />

schnell wieder eine neue finden. Im Durchschnitt<br />

dauert das derzeit aber immerhin fünfeinhalb<br />

Monate, und zum Durchschnittsbild gehört eben<br />

auch, daß die Suche nach einerneuen Stelle bei vielen<br />

Arbeitslosen wesentlich mehr Zeit braucht und daß<br />

die Beschäftigungsaussichten für diese Personen sich<br />

mit der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit immer weiter verschlechtern.<br />

Die daraus resultierende Zunahme und<br />

Verhärtung der Langzeitarbeitslosigkeit bedeutet für<br />

immer mehr Betroffene neben anhaltenden Verlusten<br />

an Einkommen eine Einbuße an sozialem Ansehen<br />

und nicht zuletzt auch an Selbstwertgefühl. Hinzu<br />

kommen die hohen Kosten der Arbeitslosigkeit für die<br />

Volkswirtschaft und für die Gesellschaft im ganzen.<br />

Man darf dabei nicht nur an die tvfittel denken, die<br />

Sozialversicherungen und Gebietskörperschaften für<br />

Arbeits.lose aufwenden müssen. Wichtigerist der Ausfall<br />

an Produktion und Einkommen, der gesamtwirtschaftlich<br />

dadurch entsteht, daß Menschen, die arbeiten<br />

wollen, unbeschäftigt bleiben und wertvolles Humankapital<br />

verfällt, was dann auch die künftigen<br />

Wachstumschancen einengt. Gesellschaftliche Kosten<br />

verursacht die Arbeitslosigkeit, indem sie das soziale<br />

Klima belastet. Mit Blick auf diese gesellschaftlichen<br />

Kosten bedeutet es immerhin eine große Entlastung,<br />

daß die Jugendarbeitslosigkeit sinkt; denn diese verursacht<br />

Kosten, die lange nachwirken, wenn Jugendliche<br />

am Beginn des Berufslebens den Eindruck gewinnen,<br />

daß diese Gesellschaft sie nicht braucht<br />

(JG 85 Ziffer 177).<br />

243. Große Unterschiede in den Beschäftigungschancen<br />

bestehen auch in regionaler Hinsicht, und<br />

diese Disparitäten dürften fürs erste sogar noch zunehmen.<br />

In den altindustriellen Problemgebieten<br />

wird es auf absehbare Zeit nicht möglich sein, die fortfallenden<br />

Arbeitsplätze vollständig zu ersetzen. In industriefernen<br />

ländlichen Regionen steht es nicht besser<br />

um die Beschäftigungsaussichten. Nachdem sich<br />

der Beschäfligungsabbau in der Landwirtschaft in den<br />

letzten Jahren deutlich verlangsamt hatte, wird es mit<br />

der unumgänglichen Rückführung der Agrarproduktion<br />

zu weiteren Freisetzungen von Arbeitskräften<br />

kommen. Dem stehen die prosperierenden Regionen<br />

im Süden gegenüber. Diese werden wegen ihrer günstigeren<br />

Angebotspalette von der sich abzeichnenden<br />

Belebung beim Export und bei den Investitionen am<br />

meisten profitieren und die Beschäftigung deutlicher<br />

als in diesem Jahr ausweiten können.<br />

244. Die neuerdings wieder unbefriedigende Beschäfligungsentwicklung<br />

im ganzen paßt auf den ersten<br />

Blick nicht zu der anhaltend günstigen Gewinnsituation<br />

der Unternehmen. Gute Gewinne zeigen<br />

eine günstige Geschäftslage an, und diese, so die<br />

landläufige Meinung, übertrage sich auch auf das<br />

Einstellverhalten der Unternehmen. So kurz darf man<br />

den Zusammenhang zwischen Gewinnen und Beschäftigung<br />

jedoch nicht schließen; er ist nur mittelbarerArt,<br />

und das wichligste Bindeglied sind die Investitionen.<br />

Das Gesamtangebot an Arbeitsplätzen wird von der<br />

Größe und Qualität sowie von der Zusammensetzung<br />

des gesamtwirtschaftlichen Kapitalbestands bestimmt.<br />

Kurzfristig mag es möglich sein, die Beschältigung<br />

durch Besetzung freier Arbeitsplätze zu steigernj<br />

auch bei guter Geschäftslage geschieht das indes<br />

nur, soweit deren Fortdauer in Aussicht steht. In<br />

mittelfristiger Sicht kommt mehr Beschäftigung in erster<br />

ünie dadurch zustande, daß mehr Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden, das heißt mehr in eide Erweiterung<br />

des Kapitalstocks investiert wird, wo der Markt<br />

für die Zukunft hinlänglich gute .,Erträge verspricht.<br />

Die aktuelle Gewinnhöhe hat insofern Einfluß auf den<br />

Kalkül von Erweiterungsinvestitionen, als sie die in<br />

ihn eingehenden Gewinnerwartungen mitprägt und<br />

die Finanzierungsmöglichkeiten mitb~stimmt. Aktuell<br />

günstige Gewinne erleichtern die Investitionsfinanzierung,<br />

sie implizieren jedoch nicht unverändert<br />

günstige Erwartungen auf künftige Gewinne. Die derzeitige<br />

Gewinnhöhe vennittelt den Unternehmen<br />

schon deshalb keine verläßliche Orientierung für die<br />

künftig erzielbaren Gewinne, weil nicht sicher ist, wie<br />

stark die wechselkursbedingte Verschlechterung der<br />

Absatzchancen die Gewinne drückt, wenn die Entlastung<br />

bei den Einfuhrkosten nachläßt, die <strong>1987</strong> noch<br />

einmal zu verzeichnen war. Es überrascht daher nicht,<br />

daß Rationalisierung und Modernisierung vielen Unternehmen<br />

vor Kapazitätserweiterungen gingen.<br />

Außerdem ist zu bedenken, daß die Risiken, die sich<br />

mit Produktinnovationen und einem Vorstoßen auf<br />

neue Märkte, das heißt mit einer Erschließung neuer<br />

Absatzmöglichkeiten verbinden, größer sind als die<br />

einer Investition zum Ausbau traditioneller Marktpositionen.<br />

Eine kräftige Erweiterung des gesamtwirtschaftliehen<br />

Kapitalbestandes erfordert daher heute<br />

in vielen Fällen eine höhere Risikobereitschaft als früher<br />

und als Anreiz dafür auch die Aussicht auf höhere<br />

Gewinne.<br />

Es liegtaber nicht allein an zu geringen Erweiterungsinvestitionen,<br />

wenn gegenwärtig zu wenig neue Arbeitsplätze<br />

entstehen. In einer zunehmenden Anzahl<br />

von Fällen fehlt es auch an Arbeilskrälten, die mit den<br />

modemen, ganz neue Qualifikationsanforderungen<br />

stellenden Maschinenund Geräten umgehen können.<br />

Es genügt eben nicht, wenn Unternehmen sich bei der<br />

Investitionsplanung darauf beschränken, den Produktionsapparat<br />

zu optimieren, sich im übrigen aber darauf<br />

verlassen, daß "der Markt" die benötigten Arbeitskräfte<br />

bereitstellen werde. Die langfristige Personalplanung,<br />

soweit sie in den Unternehmen überhaupt<br />

existiert, wird ihr Augenmerk künftig viel mehr<br />

auf diese neuen Qualifikationserfordernisse richten<br />

müssen.<br />

Un<strong>zur</strong>eichendes Wirtschaftswachstum<br />

245. Das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten<br />

ist weiterhin gering, viel zu<br />

gering, um bei den großen unerledigten Aulgaben<br />

schneller, vor allem aber sicherer zum Ziel zu gelangen;<br />

und zu diesen Aufgaben zählt nicht allein der<br />

Abbau der Arbeitslosigkeit.<br />

246. Weithin in Vergessenheit geraten oder zumindest<br />

unbeachtet ist, warum eine kräftiger wachsende<br />

Wirtschaft allen Vorteil bringt.<br />

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