Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />
verläuft. Eine solche Politik, die das Wachstum der<br />
Staatsausgaben an ein schwächeres Wachstum anpaßt,<br />
leistet keinen Beitrag <strong>zur</strong> Überwindung der<br />
Wachstumskrise, sie verstärkt sie tendenziell.<br />
314. Verzichtet man im Interesse des mittelfristigen<br />
Wachstums auf eine weitere Rückführung der Staatsquote,<br />
gibt es für die Finanzierung der Steuerreform<br />
nur noch die Wahl zwischen einer höheren Kreditfinanzierung<br />
und dem weiteren Abbau von Steuervergünstigungen.<br />
Von der kreditfinanzierten Steuersenkung<br />
gehen unmittelbar die kräftigsten Wachstumsimpulse<br />
aus. Zinssteigerungen oder gar erhöhte Preissteigerungen<br />
sind nicht zu erwarten. Zu den Vorstellungen<br />
für die nächsten Jahre gehört, daß sich der<br />
Leistungsbilanzüberschuß weiter <strong>zur</strong>ückentwickeln<br />
wird und von daher die Inanspruchnahme des deutschen<br />
Kredit- und Kapitalmarktes durch das Ausland<br />
rückläufig sein wird. Zugleich wird durch die Steuersenkung<br />
bei den privaten Haushalten auch die Ersparnis<br />
steigen, was für sich zinssenkend wirkt. Eine<br />
Verdrängung privater Investitionen durch Staatsausgaben<br />
ist mithin nicht zu befürchten. Außerdem können<br />
die [nvestoren nun größere Zuversicht haben, daß<br />
die außenwirtschaftlich bedingten Nachfrageausfälle<br />
nicht noch durch staatliche Ausgaben<strong>zur</strong>uckhaltung<br />
verstärkt werden. Ihre mittelfristigen Absatzaussichten<br />
sind also günstiger, und dies verstärkt die Neigung<br />
insbesondere für Erweiterungsinvestitionen in<br />
der privaten Wirtschaft.<br />
Inllationsellekte bleiben aus, weil die zusätzliche<br />
Netto-Nachfrage des Staates nicht zu einer Überbeanspruchung<br />
des Produktionspotentials führt, sei es, daß<br />
die Staatsausgaben zu einem großen Teil Branchen<br />
erreichen, die - wie die Bauwirtschaft - große Kapazitätsreserven<br />
haben, sei es, daß über stärkere Erweiterungsinvestitionen<br />
zusätzliche Kapazitäten entste·<br />
hen.<br />
Eine höhere Kreditfinanzierungsquote zugunsten der<br />
Steuerreform bedeutet nicht, daß die Netto-Kreditaufnahme<br />
des Staates in Relation zum Sozialprodukt dauerhaft<br />
hoch bleiben muß. [n dem Maße, wie sich durch<br />
die Steuerrefonn die Wachstumskräfte beschleunigen,<br />
hat der Staat die Option, die Kreditlinanzierungsquote<br />
wieder abzubauen. Der entscheidende Punkt<br />
ist, daß das über verstärktes Wachstum gelingt. Die<br />
Ratsmehrheit will die Kreditlinanzierungsquote dagegen<br />
über eine restriktive Ausgabenpolitik des Staates<br />
eindänunen. Darin liegt nach Ansicht dieses Ratsmitgliedes<br />
die Gefahr, daß das Wachstum geschwächt<br />
wird und so der angestrebte Abbau der Kreditlinanzierungsquote<br />
mißlingt. Ein beherzter Wachstumsbeitrag<br />
der Finanzpolitik - eine rasche Steuersenkung,<br />
die nicht mit restriktiver Ausgabenpolitik gekoppelt<br />
ist - würde die Aussichten auf eine Rückführung<br />
der Kreditfinanzierung durch Wachstum verbessern.<br />
Die zusätzliche Zinsbelastung des Staates, die bei einer<br />
höheren Kreditfinanzierung vorübergehend zu erwarten<br />
ist, schränkt den staatlichen Ausgabenspielrawn<br />
per saldo nicht ein, weil dieser durch die höhere<br />
Neuverschuldung um einen größeren Betrag ausgeweitet<br />
wird. Sowie - was <strong>zur</strong> hier vertretenen Vorstellung<br />
gehört - durch steigendes Wachstum die<br />
Kreditfinanzierungsquote wieder abgebremst wird,<br />
sinkt auch die Zinslastquote im Staatshaushalt.<br />
Bedenklich wäre die von der Ratsmehrheit erwogene<br />
Finanzierung der Steuersenkung durch Erhöhung der<br />
Verbrauchsteuern sowie der Mehrwertsteuer. Da direkte<br />
Wachstumsimpulse durch die Steverreform weniger<br />
von der Unearisierung des Tarifs, sondern vor<br />
allem durch die Stärkung der verfügbaren Haushaltseinkommen<br />
zu erwarten sind, würde eine Erhöhung<br />
von Verbrauchsteuern und Mehrwertsteuer, die verfügbares<br />
Einkommen bindet, die Wachstumsimpulse<br />
neutralisieren. -<br />
Nachdem in der wissenschaftlichen und öffentlichen<br />
Diskussion zahlreiche Vorbehalte gegen eine höhere<br />
Kreditfinanzierung der Steuerreform vorgetragen<br />
worden sind, gehört politische Kraft dazu, diesen Weg<br />
dennoch zu beschreiten. Kritik an der Kreditfinanzierung<br />
der Steuerretorm wäre berechtigt, wenn es keine<br />
nennenswerte Wachstumsbeschleunigung durch die<br />
Steuerretorm gäbe. Dann wäre allerdings der Sinn der<br />
Steuerreform als solcher in Frage zu stellen.<br />
Soweit die Meinung dieses Ratsmitglieds.<br />
11. Geldpolitik im KonfHkt<br />
315. Die Deutsche Bundesbank ist in diesem Jahr<br />
von einigen getadelt und von anderen gelobt worden<br />
- getadelt, weil sie ihr eigenes Geldmengenziel weit<br />
verfehlt und eine starke Geldmengenausweitung mit<br />
Gefahren für die künftige Preisenlwickfung zugelassen<br />
hat, und gelobt, weil sie den Fall des Dollarkurses<br />
abgebremst und damit wechselkursbedingten Reslriktionsdruck<br />
auf die deutsche Volkswirtschaft vermindert<br />
hat. Tadel und Lob zeigen, daß die Geldpolitik.<br />
im Konflikt zwischen binnenwirtschaftlichen und<br />
außenwirtschaftlichen Erfordernissen gestanden hat.<br />
Hieraus wird bereits deutlich, daß auf zwei Fragen<br />
einzugehen ist, wenn man zu einem Urteil über die<br />
GeldpolitikimJahre <strong>1987</strong> gelangenund die Aufgaben<br />
der Geldpolitik im Jahre 19<strong>88</strong> analysieren will.<br />
Die erste Frage ergibt sich direkt aus dem gesetzlichen<br />
Auftrag an die Deutsche Bundesbank. Diese soll<br />
den Geldumlauf und die Kreditversorgung mit dem<br />
Ziel regeln, die Währung zu sichern (§ 3 BBankG).<br />
Damit wird die stabilitätspolitische Verantwortung<br />
herausgestellt. Zwar darf die Bundesbank die Geldwertstabilität<br />
nicht völlig losgelöst vom wirtschafllichen<br />
Gesamtzusammenhang <strong>zur</strong> alleinigen Richtschnur<br />
der Geldpolitik machen, aber im Zusammenspiel<br />
der wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger<br />
hat sie die Preisniveaustabilität stets als ihre vorrangige<br />
Aufgabe anzusehen. Deshalb ist die Bundesbank<br />
<strong>zur</strong> Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik<br />
nur solange verpflichtet, wie sie das unter Wahrung<br />
ihrer Aufgabe tun kann (§ 12 BBankG). Diese Aufgabe<br />
beginnt bereits dann, wenn [nflationserwartungen<br />
entstehen oder stärker werden; denn solche Erwartungen<br />
beeinflussen das Verhalten der Menschen<br />
und lösen dadurch Preissteigerungen tatsächlich aus.<br />
Die erste Frage lautet somit, ob in der Wirtschaft wieder<br />
mit höheren Preissteigerungsraten gerechnet<br />
wird, weil die Bundesbank eine starke Geldmengenexpansion<br />
zugelassen hat.<br />
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