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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

hatte, abgebaut worden war, kam es bis in den Herbst<br />

hinein erneut zu einer Versteifung am Kapitalmarkt.<br />

Als dann im Zuge der Aktienbaisse Anleger festverzinslichen<br />

Titeln den Vorzug gaben und die Notenbanken,<br />

insbesondere in Italien und Großbritannien,<br />

die Geldmarktsätze senkten, gingen die langfristigen<br />

Zinsen wieder deutlich <strong>zur</strong>ück. Dabei hat das verbilligte<br />

Geldangebot die Inflationserwartungen offensichtlich<br />

nicht verstärkt.<br />

Obwohl die Wirtschaft in Europa schon seit 1986<br />

reichlich mit liquidität versorgt wurde, ist in der Entwicklung<br />

der Verbraucherpreise bisher keine Inflationsbeschleunigung<br />

erkennbar. Die Abschwächung<br />

des Preisauflriebs, die seit Anfang der achtziger Jahre<br />

stattfand, ist jedoch zum Stillstand gekommen. Anders<br />

als noch im Vorjahr hat die Nominallohnentwicklung<br />

in den meisten Ländern keinen Spielraum für die<br />

Unternehmen geschaffen, die Zuwachsrate der Erzeugerpreise<br />

ohne Gewinndruck weiter <strong>zur</strong>ückzunehmen,<br />

mit der Stabilisierung der Wechselkurse und der<br />

Preise für Energierohstoffe bis in den Spätherbst sind<br />

in den europäischen Ländern zwei Sondereinflüsse<br />

ausgelaufen, die im letzten Jahr den Anstieg der Verbraucherpreise<br />

noch hinter der schon abgeschwächten<br />

Erhöhung der Erzeugerpreise <strong>zur</strong>ückbleiben ließen.<br />

Im Jahresdurchschnitt nahmen die Verbraucherpreise<br />

<strong>1987</strong> um gut 3V2 vH zu. Die Differenz zwischen<br />

den Inflationsraten in den europäischen Staaten hat<br />

sich nochmals vermindert.<br />

43. Bei abgeschwächter Produktionsleistung konnte<br />

die Beschäftigungssteigerung des Vorjahres von fast<br />

1 vH - ein jährlicher Zuwachs, den Europa seit 1973<br />

nicht mehr aufgewiesen hatte - nicht wiederholt<br />

werden. Sie betrug in diesem Jahr lediglich reichlich<br />

einen halben Prozentpunkt, das ist etwa ein Viertel<br />

der für die Vereinigten Staaten gemessenen Zuwachsrate.<br />

Vor allem die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten<br />

erhöhte sich, insbesondere im überdurchschnittlich<br />

expandierenden Dienstleistungsbereich.<br />

Dabei mag nicht zuletzt bedeutsam gewesen sein, daß<br />

die Unternehmen bei Teilzeitbeschäftigung Lohnnebenkosten<br />

vermeiden können.<br />

Das Arbeitsangebotnahm wie 1986 um etwa :v. vH zu.<br />

Da dieser Zuwachs dem der Gesamtbeschäftigung<br />

entsprach, betrug die Arbeitslosenquote in Europa im<br />

Jahre <strong>1987</strong> unverändert knapp 11 vH. Dabei gab es<br />

nach wie vor sehr große nationale Unterschiede; die<br />

Spanne reichte von einer Quote unter 1 vH in der<br />

Schweiz bis zu 20 vH in Spanien. In den meisten<br />

Ländern, nichtjedoch in der Bundesrepublik Deutschland,<br />

war die Arbeitslosigkeit beiJugendlichen immer<br />

noch weit höher als bei den übrigen Erwerbspersonen.<br />

Die Entwicklung in einzelnen Ländern Europas<br />

44. Ein Wirtschaftswachstum weit über dem europäischen<br />

Durchschnitt hat in diesem Jahr Spanien<br />

(Tabelle 2), der Staatmitdemfünfthöchsten Volkseinkommen<br />

in Westeuropa, erreicht. Die gesamtwirtschaftliche<br />

Produktionsleistung nahm um mehr als<br />

4'/2 vH zu, obwohl die Fiskalpolitik leicht restriktiv<br />

angelegt war. Wie im Vorjahr wurde kräftig investiert.<br />

Der Verbraucherpreisanstieg ging auf nahezu 5 vH<br />

<strong>zur</strong>ück, nicht zuletzt, weil noch lohnpolitische Zurückhaltung<br />

geübt wurde. Obwohl die Beschäftigung<br />

deutlich anstieg, blieb die Arbeitslosigkeit weiler über<br />

dem europäischen Durchschnitt.<br />

Ungünstig entwickelte sich der Außenbe,itrag, die<br />

Einfuhr von Waren und Dienstleistungen stieg real um<br />

über 17 vH und die Ausfuhr nur um gut 6 vH. Allerdings<br />

deutet diese Diskrepanz kelheswegs auf eine<br />

außenhandelsbedingte Deindustrialisierung hin. Im<br />

Gegenteil: Verstärkte Importe von Kapitalgütern waren<br />

und sind vielfach nötig; um die .internationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit spanischer Unternehmen zu<br />

verbessern und die industrielle Produktionskapazität<br />

auszubauen, damit das Land künftig an den Vorteilen<br />

des freien Handels und der internationalen Arbeitsteilung,<br />

insbesondere zwischen den Ländern der EG,<br />

voll teilhaben kann.<br />

45. Eine ebenfalls kräftige Zunahme des Bruttoinlandsprodukts<br />

verzeichnete Großbritannien mit etwa<br />

4 vH. Die Anzahl der Beschäftigten nahm deutlich zu.<br />

Allerdings weist die auf den ersten Blick günstige<br />

konjunkturelle Situation Verspannungen auf.<br />

Im Vereinigten Königreich wurde 1986 wenig investiert.<br />

Als die belastenden Sondereinflüsse, namentlich<br />

stark reduzierte Ölpreise und aus steuerrechtlichen<br />

GrÜnden nach 1985 vorgezogene Projekte, ausliefen,<br />

kam es nach immer noch schwachem ersten<br />

Quartal im weiteren Verlauf des Jahres <strong>1987</strong> zu einer<br />

kräftigen Belebung, auch im Baubereich. Bei nahezu<br />

vollausgelasteten Kapazitäten besteht inzwischen allerdings<br />

die Gefahr einer inflationären Überhitzung<br />

der Konjunktur, zumal vor allem in der ersten Hälfte<br />

von <strong>1987</strong> und dann in den Wochen nach dem Börsenkrach<br />

die monetäre Expansion kräftig ausfiel. Ohne<br />

den bis zuletzt starken Produktivitätseffekt zunehmender<br />

Auslastung der Sachkapazitäten werden die<br />

weiterhin hohen Nominallohnsteigerungen ebenfalls<br />

inflationstreibend wirken und alsbald wieder eine<br />

restriktive, die Konjunktur belastende Geldpolitik erforderlich<br />

machen. Soweit der Lohnkostenzuwachs<br />

nicht in steigenden Preisen überwälzt werden kann,<br />

verschlechtern sich die unternehmerischen Erträge<br />

und Ertragserwartungen in weiten Teilen der Wirtschaft<br />

urunittelbar. Eine nur verhaltene Exportexpansion<br />

und ein kräftiger, keineswegs nur prosperitätsbedingter<br />

fmportzuwachs zeigen an, daß für die britische<br />

Wirtschaft ein Teil ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit,<br />

die sie erst in den letzten Jahren gewonnen<br />

hatte, wohl wieder verloren ging. Die Unternehmen<br />

im Dienstleistungssektor, die insgesamt vergleichsweise<br />

wenig im internationalen Wettbewerb<br />

stehen, expandierten deutlich, die Beschäftigung<br />

nahm nur hier zu.<br />

46. ~ Auch das Wachstum der italienischen Wirtschaft<br />

liegt mit knapp 3 vH in diesem Jahrdeutlich überdem<br />

europäischen Durchschnitt. Die Verspannungen sind<br />

allerdings ausgeprägter als im Vereinigten Königreich.<br />

Gegenüber dem recht schwachen Vorjahr haben<br />

die Ausrustungsinvestitionen in Italien um fast<br />

5 vH zugenommen. Für eine kräftig die Produktionsleistung<br />

steigernde Wirtschaft ist dies jedoch nicht<br />

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