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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

Dennoch deutet vieles darauf hin, daß die Geldpolitik.<br />

aus Stabilitätsgründen keinen großen Handlungsspielraum<br />

mehr besitzt. Sie hat zunächst zu einer Verfestigung<br />

noch bestehender InIlationserwartungen<br />

beigetragen. Die Chancen, die infolge wechselkursbedlngter<br />

ImportpreisTÜckgänge erreichte Preisniveaustabilität<br />

auch als dauerhaft möglich erscheinen<br />

zu lassen und somit Inflationserwartungen gänzlich<br />

abzubauen, wurden nicht genutzt.<br />

Worauf auch inuner die Inflationserwartungen in der<br />

Bundesrepublik <strong>zur</strong>ückgeben, in jedem Fall muß die<br />

Geldpolitik ihnen entgegentreten. Inflationserwartungen<br />

beeinflussen die wirtschaftlichen Dispositionen<br />

und lösen dadurch Preissteigerungen tatsächlich<br />

aus. Zwar ist für das konunende Jahr nicht mit einer<br />

hohen Preissteigerungsrate zu rechnen. Doch darum<br />

geht es auch nicht, es geht darum, eine drohende<br />

inflationäre Entwicklung gar nicht erst eintreten zu<br />

lassen. Jedem Inflationsprozeß, der erst einmal eingesetzt<br />

hat, wohnt eine Tendenz <strong>zur</strong> Selbstverstärkung<br />

inne, wenn die Geldpolitik ihr nicht entschlossen entgegentritt.<br />

Dazu ist sie jetzt aufgerufen.<br />

58·. Die Aussage, daß Inflationserwartungen sich in<br />

einem Maße verstärkt haben, das geldpolitisches<br />

Handeln erfordert, trifft auf zwei Einwände. Dem ersten<br />

Einwand zufolge ist die starke Geldmengenexpansion<br />

zu einem nicht unwesentlichen Teil Reflex<br />

einer gestiegenen Uquiditätspräferenz und kann insoweit<br />

einen inflationären Prozeß nicht begründen.<br />

Dieser Einwand wäre dann berechtigt und überzeugend,<br />

wenn sich die Kassenhaltungsgewohnheiten<br />

dauerhaft gewandelt hätten. Dafür spricht zwar eine<br />

im Trend leicht sinkende Umlaufsgeschwindigkeit<br />

des Geldes, aber dieser Trend ist so schwach ausgeprägt,<br />

daß man mitihm die starke Geldmengenexpansion<br />

im Jahre <strong>1987</strong> nicht rechtfertigen kann. Indizien<br />

für dauerhafte StrukturbTÜche in den Kassenhaltungsgewohnheiten<br />

gibt es nicht.<br />

59*. Mit dem zweiten Einwand wird an den anhaltenden<br />

Druck auf den Dollarkurs erinnert. Er ließ befürchten,<br />

daß der deutschen Wirtschaft innerhalb einer<br />

kurzen Periode eine zu große Anpassungslast aufgebürdet,<br />

die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher<br />

Anbieter auf Auslandsmärkten wie auf Inlandsmärkten<br />

deutlich geschwächt und sich deshalb<br />

- ausgehend vom internationalen Sektor der deutschen<br />

Volkswirtschaft - eine Rezession ausbreiten<br />

würde. In dieser Ausnahmesituation mußte die Bundesbank<br />

einem üherschleßen des Wechselkurses und<br />

möglichen sich selbst verstärkenden Währungsspekulationen<br />

energisch entgegentreten, aus konjunktur-<br />

und beschäftigungspolitischen GTÜnden war es<br />

geboten, den wechselkursbedingten Restriktionsdruck<br />

auf die Volkswirtschaft so klein wie möglich zu<br />

halten, für eine Beruhigung der Deviserunärkte zu<br />

sorgen und dabei ein überschreiten des Geldmengenziels<br />

hinzunehmen. Das sieht auch der Sachverständigenrat<br />

so. Inflationsgefahren waren damit zunächst<br />

nichtverbunden, weil der außenwirtschaftliche Druck<br />

auf das Preisniveau anhielt.<br />

Das Problem ist somit nicht, daß die Bundesbank in<br />

der Ausnahmesituation wechselkursorientiert gehandelt<br />

und dabei eine überschreitung ihres Geldmengenziels<br />

in Kauf genommen hat; das Problem ist vielmehr<br />

die Dauer der Zie]überschreitung verbunden<br />

mit der anhaltend starken Geldmengenexpansion.<br />

Aus einem Ausnahmefall wurde der Dauerfall.<br />

Ob die Bundesbank dies hätte verhindern und wenigstens<br />

zeitweise die .Fixierung auf den Wechselkurs<br />

hätte aufgeben können, läßt sich nicht eindeutig klären.<br />

Immerhin gibt es hinreichende Gründe zu vermuten,<br />

daß die Bundesbank keineswegs ständig unter<br />

Zwang von außen gestanden hat. Im Frühjahr beispielsweise<br />

ließ die zuvor stark gestiegene Neigung<br />

ausländischer Kapitalanleger nach, deutsche Wertpapiere<br />

zu erwerben. Offensichtlich ließen die Erwartungen,<br />

daß der Dollat weiter fallen werde, nach. Mit<br />

destabilisierenden Wäbrungsspekulationen und einem<br />

überschießen der Dollarkursentwicklung mußte<br />

zu diesem Zeitpunkt wohl nicht gerechnet werden.<br />

Auch schien es in dieser Zeit so, als ob die amerikanische<br />

Regierung die Wiederherstellung ihres außenwirtschaftlichen<br />

Gleichgewichts nicht mehr von einem<br />

weiteren Fall des Dollarkurses erhoffte und damit<br />

die Politisierung der Wechselkurse nachlassen<br />

würde.<br />

60*. Im Jahre 19<strong>88</strong> steht die Deutsche B=desbank<br />

vor einer schwierigen Doppelaufgabe. Einmal muß sie<br />

aufgekommenen Inflationserwartungen entgegentreten<br />

und dart keinen Zweifel daran lassen, daß die<br />

Geldpolitik dauerhaft und verläßlich auf Stabilität gerichtet<br />

ist. Eine solche Haltung trägt zu einem erneuten<br />

Absinken der langfristigen Zinsen in dem Maße<br />

bei, wie sich in ihnen Inflationserwartungen widerspiegeln.<br />

Die Chancen für einen wieder stärkeren<br />

Aufschwung werden dadurch verbessert. Zum anderen<br />

sollte sie darauf hinwirken, daß ein weiterer Rückgang<br />

des realen Dollarkurses vermieden wird, da davon<br />

rezessive Tendenzen auf die Volkswirtschaft ausgehen.<br />

Beide Aufgaben werden nicht in jedem Augenblick<br />

miteinander in Einklang zu bringen sein,<br />

zumal die Bundesbank unter ausländischem Druck<br />

steht und ihr Handlungsspielraum dadurch eingeengt<br />

ist.<br />

61·. Bei der Bemessung der Wachstumsrate für die<br />

Zentralbankgeldmenge Ist zu beachten, daß diese<br />

derzeit weit über dem von der Bundesbank für <strong>1987</strong><br />

gesetzten Zieltrichter liegt. Eine Verlangsamung der<br />

Geldmengenexpansion vorsichtig vorgenommen<br />

- ist deshalb unverzichtbar. Sollen Inflationsgefahren<br />

von Anfang an wirksam in Schach gehalten<br />

und auf diese Weise spätere drastischere und dann die<br />

Wirtschaft hart treffende Maßnahmen vermieden<br />

werden, muß das Geldmengenwachstum im kommenden<br />

Jahr auf eine Rate begrenztwerden, die unter<br />

4,5 vH liegt (JG 84 Ziffer 361).<br />

Daß von einem in dieser Weise begrenzten Geldmengenwachstum<br />

Restriktionsdruck auf die deutsche<br />

Volkswirtschaft ausgeht, ist kaum zu erwarten. Die<br />

uquiditätspräferenz dürfte wieder geringer werden.<br />

Da im kommenden Jahr die Preissteigerungsrate und<br />

die durchschnittlichen langfristigen Zinssätze auf einem<br />

etwas höheren Niveau liegen werden als <strong>1987</strong>, ist<br />

die Kassenhaltung im Vergleich zu anderen Vermögensanlagen<br />

wieder kostspieliger. Der Geldbedarf<br />

dürfte deshalb nur noch relativ langsam zunehmen.<br />

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