Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - I!. Wahlperiode<br />
drückt wird. Die Zuwachsrate der Zentralbankgeldmenge<br />
im Oktober <strong>1987</strong> liegt bei 8 vH. Da die Bundesbank<br />
nicht darauf hoffen kann, daß sich ein so drastischer<br />
Rückgang des Geldmengenwachstums von<br />
selbst einstellt, müßte sie die Zinskonditionen verschärfenund<br />
die Uquiditätverknappen. Die Zinssätze<br />
der Bundesbank, der Pensionssatz, Diskontsatz, Lombardsatz,<br />
müßten also deutlich angehoben werden.<br />
Dies würde auch am Kapitalmarkt Zinssteigerungstendenzen<br />
für langfristiges Kapital auslösen. Eine<br />
weitere - unerwünschte - D-Mark-Aufwertung<br />
wäre die zwangsläufige Folge. All dies träte ein, bevor<br />
überhaupt ein Effekt bei der Zentralbankgeldmenge<br />
sichtbar würde. Und die Konjunkturentwicklung in<br />
der Bundesrepublik würde in einer ohnehin schwieligen<br />
Lage zusätzlich belastet. In das EWS würden<br />
Spannungen hineingetragen. Die Reaktionen der<br />
Vereinigten Staaten auf deutsche Restriktionsmaßnahmen<br />
sind sehr schwer vorhersehbar, hier würde<br />
weitere Unsicherheit geschaffen. Die zu verzeichnenden<br />
realwirtschaltlichen Einbußen wären der monetären<br />
Restriktionspolitik zu<strong>zur</strong>echnen, die - angesichts<br />
einer stabilitätsorientierten Lolwpolitik - nicht einmal<br />
erforderlich gewesen wäre, um die Inflationsgefahr<br />
gering zu halten.<br />
Die Hoffnung der Ratsmehrheit, daß der Abbau der<br />
Geldmengenexpansion ohne Restriktionsdruck geschehen<br />
könnte, ist auf drei - nicht sehr wahrscheinliche<br />
- Annahmen gegründet: Die Uquiditätsneigung<br />
in der Wirtschaft geht <strong>zur</strong>ück, es kommt nicht zu<br />
weiteren Dollarabwertungen, und der Kapitalmarktzins<br />
sinkt trotz restriktiver Geldpolitik.<br />
Für einen deutlichen Rückgang in der Uquiditätsneigung<br />
gibt es derzeit keine Anzeichen. Wenn es zu<br />
tendenziell sinkenden Zinsen kommen sollte - wie es<br />
die Ratsmehrheit ja zusätzlich annimmt -, müßte die<br />
Uquiditätsneigung eherhoch bleiben, vielleicht sogar<br />
steigen.<br />
Der Kursdruck auf den Dollar nach den Turbulenzen<br />
an den Aktienmärkten hat gezeigt, daß es an den<br />
Devisenmärkten keine eindeutigen Untergrenzen<br />
gibt. Die Auslandsverschuldung der Vereinigten<br />
Staaten wird immer höher, und das kann den Dollar<br />
immer wieder unter Druck bringen. Au! Wechselkursstabilität<br />
kann man nicht bauen.<br />
Schließlich ist die Vorstellung, daß man bei steigenden<br />
Geldmarklzinsen - die <strong>zur</strong> Bremsung der Geldmengene:q>ansion<br />
nun einmal notwendig sindgleichzeitig<br />
wegen der verzögert geringer werdenden<br />
Inflationserwartungen den Kapitalmarklzins drücken<br />
könnte, wenig realistisch. Eine Uquiditätsverknappung<br />
am Geldmarkl greift in der Regel au! den Kapitalmarkt<br />
über und sorgt dort für steigende Zinsen. Es<br />
war in den vergangenen Jahren nur ganz selten der<br />
Fall und dann auchnurfür kurze Zeit, daß Geldmarktzins<br />
und Kapitalmarktzins eine unterschiedliche Entwicklungsrichtung<br />
hatten.<br />
Eine monetäre Projektion, die auch den konjunkturellen<br />
Erfordernissen gerecht wird, müßte für 19<strong>88</strong> so<br />
ausgelegt sein, daß von der Geldpolitik keine Impulse<br />
für Zinssteigerungen am Kapitalmarkt gegeben werden.<br />
Von daher wird auch Aufwertungstendenzen der<br />
D-Mark entgegengewirkt. Au! diese Weise kann die<br />
Bundesbank am ehesten <strong>zur</strong> Beruhigung der internationalen<br />
Finanzmärkte beitragen. Auch kommt sie<br />
weniger, als es bei einer Restriktionspolitik zu erwarten<br />
wäre, in Konflikt mit den Partnerländem in Europa.<br />
Sollte die Unsicherheit nach der Aktienkursbaisse anhalten<br />
oder sich sogar verstär""n, muß die Bundesbank<br />
auch Zinssenkungen erwägen. Die gegenwärtige<br />
Entwicklung der ZentralbankgeIdmenge muß<br />
vorerst toleriert werden. Dies gilt, so lange von den<br />
Kosten, insbesondere den Lohnkosten her, keine Beschleunigung<br />
des Kostenauftriebs angelegt ist. Sollte<br />
es 19<strong>88</strong> zu einem geringeren Geldmengenanstieg<br />
kommen, weil die Uquiditätspräferenz anders als jetzt<br />
absehbar doch <strong>zur</strong>ückgeht, wäre dem von der Geldpolitik<br />
nicht entgegenzuwirken. Sollte es anders als<br />
jetzt absehbar doch zu einer deutlichen Kostenbeschleunigung<br />
kommen, müßte die Geldpolitik restriktiver<br />
werden.<br />
Soweit die Meinung dieses Ratsmitglieds.<br />
111. Das Europäische Währungssystem<br />
vor neuen Herausforderungen<br />
347. Das Europäische Währungssystem (EWS) steht<br />
vor neuen Herausforderungen. Geplant ist zum einen<br />
die vötlige Aufhebung der Kapitalverkehrsbeschränkungen<br />
in der Europäischen Gemeinschalt im Zusammenhang<br />
mit der für 1992 beschlossenen Verwirklichung<br />
eines Binnenmarktes in Europa. Bei liberalisiertem<br />
Kapitalverkehr werden die EWS-Mitgliedsländer<br />
weit mehr als gegenwärtig zu einer abgestimmten<br />
Währungspolitik gezwungen. Hierfür gilt es<br />
Prinzipien zu vereinbaren, die sicherstellen, daß das<br />
EWS als Zone währungspolitischer Stabilität an Kralt<br />
gewinnt. Zum anderen entstehen Herausforderungen<br />
aus der gegenwärtigen Diskussion über den wirtschaftspolitischen<br />
Kurs in Europa. In einigen EWS<br />
Ländern wurden Stimmen laut, die mit Blick auf das<br />
insgesamt unbefriedigende Wirtschaltswachstum in<br />
Europa eine expansivere Wirtschaftspolitik fordern.<br />
Solche Forderungen richten sich insbesondere an die<br />
Deutsche Bundesbank, deren Stabilitätsorientierung<br />
als Hemmnis für ein rascheres Wachstum angesehen<br />
wird. Wenn mit dem Sueben nach mehr Wachstum<br />
die Neigung verbunden ist, in den stabilitätspolitischenAnstrengungen<br />
nachzulassen, wäre dies für das<br />
EWS sehr bedenklich. Das EWS wird als funktionstüchtiges<br />
Währungssystem au! die Dauer nur erhalten<br />
bleiben können, wenn es drei Elemente gleichzeitig<br />
zu realisieren versteht: ein stabiles Preisniveau, freizügigen<br />
Kapitalverkehr und feste Wechselkurse. Die<br />
Leistungsfähigkeit des EWS wiederum ist eine wichtige<br />
Voraussetzungfür ein dauerhaftes, störungsfreies<br />
Wirtschaltswachstum in Europa.<br />
Prloiltäl für einen stabilen Geldwert<br />
348. Gerade im Hinblick au! die Preisniveaustabilität<br />
war das EWS erfolgreich. Im Gegensatz zu man-<br />
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