Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />
- Wachstum erleichtert den Abbau der Arbeitslosigkeit<br />
-<br />
Die Zunahme der Beschäftigung in den vergangenen<br />
fünf Jahren um 600000 Personen widerlegt die Auffassung,<br />
die Beschäftigung nehme erst dann zu, wenn<br />
die Rate der Produktionszunahme eine bestimmte,<br />
aus der Vergangenheit fortgeschriebene Steigerung<br />
der gesamtwirtschaftlichen Produktivität überschreite<br />
(" Scherentheorie"). Entsprechende Prognosen waren<br />
davon ausgegangen, daß sich die Schere zwischen<br />
Produktion und Produktivität erst bei einem Zuwachs<br />
des realen Sozialprodukts von 3 vH schließe, mithin<br />
also erst ein anhaltend darüber hinausgehendes<br />
Wachstum eine Steigerung der Beschäftigung ermögliche.<br />
Derartige mechanistische Rechnungen, die auf<br />
Extrapolationen basieren und die strukturellen Verschiebungen<br />
auf den Gütermärkten und Faktormärk·<br />
teu - insbesondere das schnellere Anwachsen der<br />
arbeitsintensiven Dienstleistungen - nicht angemessen<br />
berücksichtigen, haben die beschäftigungspolitische<br />
Diskussion belastet. Sie suggerierten die Vorstellung<br />
einer kawn veITÜckbaren "Beschäftigungsschwelle",<br />
sie diskreditierten die Bemühungen um<br />
Produktivitätssteigerungen als beschäftigungsschädigend,<br />
sie nährten die illusion, man könne der Arbeitslosigkeit<br />
mit forcierter Verkürzung der Arbeitszeit<br />
beikommen (JG 83 Ziffern 432fl.).<br />
Eine kaum verrückbare "Beschäftigungsschwelle"<br />
gibt es nicht. Mit ein und derselben Wachstumsrate<br />
der gesamtwirtschaftlichen Produktion kann - je<br />
nachdem, welche Produktionsbereiche das Wachstum<br />
tragen; je nachdem, für wie lohnend es gehalten wird,<br />
das Arbeitsplatzangebot auszudehnen - ein höherer<br />
oder ein kleinerer Anstieg der Beschäftigung einhergehen.<br />
Gleichwohl aber: Ein anhaltend höheres<br />
Wachstum bietet zweifellos die größeren Chancen für<br />
die Ausweitung der Beschäftigung. Bei vergleichsweise<br />
hohem Wirtschaftswachstum werden komplementär<br />
zu den neuen Arbeitsplätzen für Personen mit<br />
hoher Qualifikation auch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
für weniger qualifizierte entstehen. Bei<br />
steigendem durchschnittlichem Lohnniveau können<br />
dann die Löhne stärker differenziert und damit die<br />
Beschäftigungschancen der Personen mit geringer<br />
beruflicher Qualifikation, die heute von Arbeitslosigkeit<br />
besonders betroffen sind, verbessert werden,<br />
ohne daß deren Entlohnung dafür sinken muß. Je<br />
mehr die Beschäftigung steigt und die Arbeitslosigkeit<br />
abnimmt, um so mehr wird auch der politische<br />
Druck abnehmen, die Arbeit entgegen den Erwerbswünschen<br />
vieler anders zu verteilen.<br />
- Wachstum trägt zum Abbau der internationalen Ungleichgewichte<br />
bei -<br />
Ein anhaltend höheres Wachstum der deutschen Wirtschaft<br />
kommt auch dem Ausland zugute, indem es<br />
ausländischen Unternehmen nicht nur vorübergehend,<br />
sondern auf Dauer mehr Absatzchancen im Inland<br />
eröffnet. Und das ist der wirkungsvollste Beitrag<br />
zum Abbau der internationalen Leistungsbilanzungleichgewichte.<br />
Dabei ist nicht allein an die akuten<br />
Probleme der Vereinigten Staaten zu denken, sondern<br />
auch an die Probleme der hoch verschuldeten Ent-<br />
wicklungsländer: Eine Lösung der internationalen<br />
Schuldenkrise läßt sich um so eher erzielen, je kräftiger<br />
die Wirtschaft in den Industrieländem wächst<br />
und je größere Möglichkeiten dadurch den Schuldnerländern<br />
für den Export eingeräumt werden, aus<br />
dessen Erlös sie den Schuldendienst letztlich bezahlen<br />
müssen. Wenn die deutsche Wirtschllft anhaltend<br />
kräftiger wächst, wird es der Wirtschaftspolitik auch<br />
leichter fallen, Begehren inJänslischer Produzenten<br />
nach Außenschutz <strong>zur</strong>ückzuweisen.<br />
- Umweltschutz erfordert Wachstum--<br />
Es ist falsch, wenn in der öffentlichen Diskussion behauptet<br />
wird, nur ein bewußter Wachstumsverzicht<br />
sei geeignet, die natürliche Umwelt in ihrer Qualität<br />
und Vielfalt zu erhalten. Die großen Umweltschäden,<br />
die im Laufe vieler Jahre eingetreten sind, lassen sich<br />
nur bei vordergründiger Betrachtung allein einem<br />
Übermaß an Produktion und Konsum anlasten. Entscheidender<br />
war es, daß die Umwelt lange Zeit von<br />
Konsumenten und Produzenten scheinbar umsonst in<br />
Anspruch genommen werden konnte. Unter solchen<br />
Bedingungen mußte eine wachsende Wirtschaft <strong>zur</strong><br />
Gefahr für die natürliche Umwelt werden. Müssen<br />
hingegen für die Umweltnutzung knaplJheitsgerechte<br />
Preise gezahlt oder entsprechend hohe Kosten der<br />
Ve~eidung von Umweltschäden getragen werden,<br />
wird es für alle lohnend, mit der Umwelt sorgsam<br />
umzugehen. Unter diesen neuen Bedingungen bietet<br />
eine kräftige Ausweitung der Investitionen die<br />
Chance, alte, die Umwelt besonders stark belastende<br />
Anlagen früher auszusondern und den Kapitalbestand<br />
schneller auf umweltschonende Anlagen hin<br />
um<strong>zur</strong>üsten, schneller jedenfalls als in einer stagnierenden<br />
Wirtschaft, in der entsprechend weniger investiert<br />
wird und der Strukturwandellangsamer vorankommt.<br />
Umweltschutz erfordert wirtschaftliches Wachstum.<br />
Der Anteil der gesamtwirtschaftlichen Ressourcen,<br />
der für den Schutz der natürlichen Umwelt in Anspruch<br />
genommen wird, ist bereits beachtlich groß,<br />
aber noch längst nicht groß genug, um alte Schäden<br />
an der Umwelt zu beheben und neue zu venneiden.<br />
Einer stagnierenden Wirtschaft fiele es angesichts der<br />
unausweichlichen Konflikte sehr schwer - wahrscheinlich<br />
wäre es sogar unmöglich -, das für die<br />
Wiedergesundung und Erhaltung der natürlichen<br />
Umwelt Notwendige zu tun. Es sollte auch bedacht<br />
werden, daß ein anhaltend kräftigeres Wachstum die<br />
Durchsetzungschancen für weitere Verbesserungen<br />
des Umweltschutzes erhöht, ein stärker wachsendes<br />
Arbeitsplatzangebot die Sorge entkräftet, daß mehr<br />
Umweltschutz, der in den umweltintensiven Produktionen<br />
Arbeitsplätze kostet, die Lösung der Beschäftigungsprobleme<br />
erschwert. Im Gegenteil, die Umweltschutzgüter<br />
als neue Güter können in einer dynamischen<br />
Wirtschaft sogar beachtliche Wachstumsimpulse<br />
vermitteln (JG 84 Ziffern 400fl.).<br />
- Wachstum ist die Grundlage der<br />
sozialen Sicherung -<br />
Die bekannten Schwierigkeiten, denen die gesetzliche<br />
Rentenversicherung bei langfristig schrumpfen-<br />
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