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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

Vorrang für die Wachstumspolitik<br />

(Ziffern 249ff.)<br />

41*. Die Wirtschaft der Bundesrepublik befindet sich<br />

seit den frühen siebziger Jahren in einem ausgeprägten<br />

Strukturwandel. Das hat eine Vielzahl<br />

von Gründen, angefangen von Veränderungen der<br />

außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen über<br />

demographiscbe und gesellschaflliehe Einflüsse im<br />

Innem bis hin <strong>zur</strong> technologischen Entwicklung.<br />

42*. Marktveränderungen müssen nicht notwendigerweise<br />

Wachstumseinbußen bedeuten, denn sie<br />

bringen nicht nur AnpassWlgslasten und Umstellungsrisikeo,<br />

sondern auch Chancen mit sich, mit<br />

Neuem erfolgreich zu sein, vorausgesetzt, daß Wille<br />

und Fähigkeit <strong>zur</strong> Anpassung zusammenkommen.<br />

Festzustellen ist, daß den Unternehmen die Bewältigung<br />

der Anpassungsaufgaben nur zum Teil gelungen<br />

ist. Neben erfolgreichen Unternehmern, die es<br />

verstanden, sich mit verbesserten oder gänzlich<br />

neuen Produkten und Verfahren Kunden zu halten<br />

oder neue Märkte zu erschließen, stehen die anderen,<br />

glücklose, denen der Erfolg versagt blieb, untüchtige,<br />

die am Hergebrachten festhielten, weil sie den Anpassungsbedarf<br />

verkannten, aber auch solche, denen es<br />

weniger an der Bereitschaft <strong>zur</strong> Umstellung als vielmehr<br />

an den Mitteln dazu fehlte. Aufs ganze gesehen<br />

hat die deutsche Wirtschaft nicht die Dynamik und<br />

Flexibilität entfalten können, die angesichts der tiefgreifenden<br />

Veränderungen in den Produktions- und<br />

Absatzbedingungen gefordert sind. Es ist ihr jedenfalls<br />

nicht gelungen, Wachstumseinbußen an einer<br />

Stelle durch Zugewinne an anderer wettzumachen<br />

und der nachwachsenden Generation sowie denen,<br />

die aus der sogenannten Stillen Reserve auf den Arbeitsmarkt<br />

drängen, Arbeitsplätze in der benötigten<br />

Zahl zu bieten. Der Rückstand in der Bewältigung des<br />

strukturellen Wandels ist es, aus dem die anhaltende<br />

Wachstumsschwäche in der Bundesrepublik resultiert.<br />

Gewiß, in allen Industrieländern wächst die<br />

Wirtschaft seit Anfang der siebziger Jahre nicht mehr<br />

so wie davor; das weist darauf hin, daß allenthalben<br />

ähnliche Ursachen wirksam waren und es noch sind.<br />

So ausgeprägt wie in der Bundesrepublik war die<br />

Wachstumsabschwächung freilich längst nicht überall.<br />

43*. Auf Rückstände im strukturellen Wandel lassen<br />

insbesondere die folgenden Beobachtungen schließen:<br />

Gemessen an der Aufgabe, den grundlegend veränderten<br />

Absatz- und Produktionsbedingungen<br />

durch offensive Strategien zu begegnen, wäre es<br />

notwendig gewesen, die Investitionen in Sachkapital<br />

sowie in Wissen und Fertigkeiten deutlich<br />

zu verstärken (JG 86 Ziffern 201 fl.). Denn nur mit<br />

einer überdurchschnittlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität<br />

und mit Produkten, die den<br />

Nachfragem im Vergleich mit Konkurrenzerzeugnissen<br />

einen hohen Preis wert sind, läßt sich die<br />

Spitzenlohnposition der deutschen Wirtschaft im<br />

internationalen Wettbewerb behaupten. Die AnIageinvestitionen<br />

sind jedoch nicht stärker, sondern<br />

schwächer als früher gestiegen, und auch die konjunkturelle<br />

Aufwärtsbewegung der letzten Jahre<br />

hat keine Ausweitung gebracht, die auch nur annähernd<br />

ausgereicht hätte, die entstandene Lücke<br />

an rentablen Arbeitsplätzen zu schließen.<br />

Der tertiäre Sektor expandiert nicht so sohnelI, wie<br />

es notwendig wäre, um die Arbeitsplatzverluste in<br />

Landwirtschaft, Bergbau, Indu~trie und Baugewerbe<br />

wettzumachen und die darüber hinaus benötigten<br />

zusätzlichen Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Zwar hat dieser Sektor auch in der Bundesrepublik<br />

seinen Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung<br />

und an der Gesamtbeschäftigung gesteigert;<br />

angesichts seiner großen Wachstumschancen<br />

und des großen Potentials an Arbeitsplätzen,<br />

das er bieten könnte, sind die Anteilsgewinne<br />

jedoch eher mäßig zu nennen.<br />

Die großen Branchenkrisen dauern an, bei der<br />

Steinkohle nun seit fast drei Jahrzehnten, bei der<br />

Landwirtschaft noch länger. Auch beim Stahl und<br />

bei den Werften sind sie nicht erst seit den siebziger<br />

Jahren offenkundig.<br />

44*. Wirtschaftswachstum und Strukturwandel beeinflussen<br />

sich in ihrem Tempo wechselseitig. Ein Zuviel<br />

an alten und ein Zuwenig an neuen Produktionen<br />

beeinträchtigen das wirtschaflliehe Wachstum, ein<br />

schwaches Wachstum wiederum erschwert die wirtschaflliehe<br />

Erneuerung. Umgekehrt gilt: Einer Wirtschaft,<br />

die kräftig wächst, fällt es leichter, auf Neues<br />

zu setzen, statt an Altem festzuhalten und so den<br />

wachstumsnotwendigen Strukturwandel voranzubringen.<br />

In der Bundesrepublik werden seit Mitte der siebziger<br />

Jahre die Chancen, für einen unrentabel gewordenen<br />

Arbeitsplatz einen gleichbezahlten Ersatzarbeitsplatz<br />

zu finden, von den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften<br />

überwiegend als sehr schlecht beurteilt. Das<br />

erklärt, warum seitdem die Forderungen nach Schutz<br />

nicht mehr rentabler Arbeitsplätze mit so großem<br />

Nachdruck vorgebracht werden und in der Öffentlichkeit<br />

auch Verständnis finden. Nicht nurin Krisenbranchen,<br />

auch bei einzelnen Unternehmen hat sich die<br />

Wirtschaftspolitik zu solchen Hilfen bereitgefunden.<br />

Jeder staalliche Schutz, einmal gewährt, birgt indes<br />

die Gefahr, zu einer Dauerhilfe zu werden, indem er<br />

Unternehmen und Arbeitnehmer verleitet, sich auf<br />

eine "Anschlußregelung" zu verlassen, statt durch eigene<br />

Leistung im Wettbewerb zu bestehen. So be·<br />

gründen Wachstumsschwäche und Arbeitsplatzmangel<br />

anhaltende Belastungen für den Strukturwandel,<br />

und es bleibt bei schwachem Wachstum, bis dieser<br />

Teufelskreis durchbrochen wird.<br />

45*. Zum Rückstand im strukturellen Wandel und<br />

der daraus folgenden Wachstumsschwäche haben<br />

sowohl die staalliche Wirtschaftspolitik als auch die<br />

Tarifpolitik beigetragen.<br />

Die hohen marginalen Zwangsabgaben in der<br />

Bundesrepublik haben einen breiten Keil zwischen<br />

das getrieben, was für die Arbeitsleistung<br />

und die Unternehmerleistung am Markt zu bezahlen<br />

ist, und das, was Arbeitnehmern und Unternehmern<br />

davon netto bleibt. Das hat zum Auslall<br />

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