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Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode Drucksache 11/1317<br />

wird. Hier muß man Sorge haben. Seit den ersten beiden<br />

Kapitalmarktrichtlinien der EG in den sechziger<br />

Jahren ist der Uberalisierungsprozeß nie geradlinig<br />

verlaufen. Immer wieder gab es Rückscbläge. da sich<br />

einzelne Länder dem außenwirtschaftlichen Anpassungsdruck<br />

entziehen wollten. Zu den unbefriedigenden<br />

Erfahrungen des EWS gehört auch, daß einzelne<br />

Länder dauerhafte Sonderregelungen in Anspruch<br />

nebmen, etwa gespaltene Devisenmärkte oder breitere<br />

Bänder für Kursschwankungen. Dem Integrationsgedanken<br />

widerspricht es zudem, wenn Großbritannien<br />

nicht am Wechselkursmechanismus des EWS<br />

teilnimmt. Es muß darauf gedrängt werden, daß derartige<br />

Sonderregelungen abgebaut werden.<br />

Zum Bild des EWS gehören feste nominale Wechselkurse.<br />

Allerdings ist auch dieses Ziel erst allmählich<br />

zu erreichen. Auf absehbare Zeit wird ein Anpassungsbedarf<br />

bei den Wechselkursen bestehen bleiben.<br />

Obwohl die Inflationsdivergenz deutlich abgenommen<br />

hat, sind doch nach wie vor Inflationsunterschiede<br />

vorhanden, und sie werden auch nicht so bald<br />

verschwinden. Hinzu kommen realwirtschaftliche<br />

Entwicklungsdifferenzen zwischen den EWS-Mitgliedsländern,<br />

die gelegentliche Wechselkursanpassungen<br />

<strong>zur</strong> Korrektur der realen Austauschverhältnisse<br />

notwendig machen werden. Diese hat es auch<br />

bisher gegeben.<br />

Der kräftigen Höherbewertung der Währungen Italiens<br />

und Irlands steht eine deutlich niedrigere reale<br />

Bewertung des Beigisehen Franc gegenüber. Die<br />

Währungen der Bundesrepublik und der Niederlande<br />

sind in geringerem Maße real niedriger bewertet worden,<br />

während sich die realen Wechselkurse der Dänischen<br />

Krone und des Französischen Franc zwischen<br />

1979 und <strong>1987</strong> im ganzen kaum verändert haben (Ziffern<br />

54ft.). Die realen Kursänderungen reflektieren<br />

nicht nur reale Entwicklungsdivergenzen zwischen<br />

den Ländern, sondern sind auch ein Ergebnis des Stabilisierungsprozesses<br />

im EWS. Die reale Höherbewertung<br />

der Währungen Italiens und Irlands steht damit<br />

im Zusammenhang, daß diese Länder eine weit über<br />

dem Durchschnilt liegende Inflationsrate halten. Die<br />

leichtniedrigere reale Bewertung des Gufden und der<br />

D-Mark reflektiert nicht zuletzt, daß die Niederlande<br />

und die Bundesrepublik das niedrigste Inflationsniveau<br />

im EWS hallen.<br />

Immer wieder entstehen im EWS Probleme durch<br />

Kursschwankungen des Dollar, da hiervon in erster<br />

Unie die D-Mark als internationale Reservewährung<br />

betroffen ist. Wenn der Kurs des Dollar fällt, neigt die<br />

D-Mark meist zu einer stärkeren Höherbewertung als<br />

die anderen. EWS-Währungen. Dadurch können<br />

Spannungen im Wechselkursverbund entstehen. Die<br />

relativ <strong>zur</strong> D-Mark schwächeren Währungen müßten<br />

durch Interventionen oder andere Anpassungsmaßnahmen<br />

unter Umständen gestützt werden. Allerdings<br />

hat sich hier das EWS als robuster erwiesen, als<br />

man ihm häufig zugetraut halle. Die Dollarkursschwankungen<br />

derletztenJahre haben das EWS nicht<br />

gesprengt. Gleichwohl kam es immerwieder zu Spannungen,<br />

so auch nach den weltweiten Aktienkurs·<br />

rückgängen. Im Oktober <strong>1987</strong> sind einige Währungen<br />

unter Druck geraten, ohne daß bereits Anlaß für eine<br />

umfassende Leitkursanpassung besteht. In erster Linie<br />

müssen die Wechselkursrelationen den fundamentalen<br />

Bedingungen für den Handel und den Kapitalverkehr<br />

zwischen den EWS-lVfi.tgliedsländem entsprechen,<br />

und sie dürfen sich von diesen Relationen<br />

nicht durch häufig nur vorübergehende Dollarkurseinflüsse<br />

abdrängen lassen. Bedenklich wäre es jedenfalls,<br />

wenn solche Einflüsse von einzelnen Mitgliedsländem<br />

zum Vorwand genommen würden, eine<br />

Leitkursänderung zum eigenen VoIteil zu fordern, die<br />

sich von den fundamentalen Daten nicht begründen<br />

läßt. Die Anpassungsiast, die ein Kursrückgang des<br />

Dollar auslöst, müssen alle Länder tragen.<br />

352_ Um mehr Spielraum für Wechselkursbewegungen<br />

zu schaffen, wird gelegentlich vorgeschlagen, die<br />

Bandbreiten der EWS-Währungen zu erweitern. Eine<br />

solche Vorgehensweise wäre jedoch problematisch.<br />

Je weiter die Bänder sind, um so mehr entfernt sich<br />

das EWS von dem, was es sein will: ein System fester<br />

Wechselkurse. überläßt man es dagegen bei engen<br />

Bändern wie bisher den Währungsbehörden, bei Bedarf<br />

Leitkursanpassungen vorzunehmen, so wird der<br />

Zwang <strong>zur</strong> währungspolitischen Kooperation in wünschenswerter<br />

Weise verstärkt. Ein Land, welches eine<br />

Leilkursanpassung anstrebt, müßte sich mit den Partnerländern<br />

auseinandersetzen, ob eine Kursänderung<br />

erforderlich ist oder ob nicht binnenwirtschaftliche<br />

Anpassungsmaßnahmen vorzuziehen sind. Auf diesen<br />

Kooperationszwang sollte im Interesse der Entwicklung<br />

einer abgestimmten Währungspolitik in Europa<br />

nicht verzichtet werden.<br />

353. Durch die KapitalverkehrsliberaIisierung bei<br />

grundsätzlich festen Wechselkursen wird der Handlungsspielraum<br />

der nationalen Geldpolitik eingeengt.<br />

Dies wirft die Frage der geldpolitischen Kooperation<br />

der Notenbanken im EWS auf. Zur Diskussion steht,<br />

ob die Notenbanken einer einheitlichen geldpolitischen<br />

Regelbindung, etwa in Form von Geldmengenzielen<br />

oder Sozialprodukt-Regeln unterworfen werden<br />

könnten. Dies ist auf absehbare Zeit schwerlich zu<br />

realisieren. Zu den vergleichsweise noch geringen<br />

Problemen gehören die unterschiedlichen institutionellen<br />

Voraussetzungen in den einzelnen Ländern,<br />

die es heute noch schwer machen, einheitliche monetäre<br />

Indikatoren auszuwählen. Größere Probleme<br />

schaffen die Unterschiede in den gesamtwirtschaftliehen<br />

Ausgangsbedingungen der einzelnen Länder,<br />

die die Vergleichbarkeit und damit die Interpretation<br />

von geldpolilischen Zielen einschränken. Das gilt zumal<br />

dann, wenn Finanzpolitik und Lohnpolitik in den<br />

einzelnen Ländern voneinander abweichen.<br />

Wenn auch vorerst eine einheitliche Regelbindung für<br />

die EWS-Notenbanken nicht zu erwarten ist, heißt das<br />

nicht, daß kein intensiverKooperationsbedarf besteht.<br />

Die Notenbanken müßten gemeinsam ihren Kurs abstecken.<br />

Es geht dabei zuerst um die Koordination der<br />

geldpolilischen Ziele, vor allem um die Sicherung des<br />

Grundsatzes der Geidwertstabilität. Was aus dem Stabilitätsziel<br />

für die Geldpolitik folgt, kann von Land zu<br />

Land unterschiedlich sein. Ein wichtiges Ziel der Kooperation<br />

muß es daher sein, den einzelnen Notenbanken<br />

Gewißheit zu geben, daß die Notenbanken<br />

der Partnerländer den abgesprochenen Kurs verläßlich<br />

einhalten. Im ganzen läuft das darauf hinaus. ne-<br />

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