19.06.2014 Aufrufe

Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

Der befristete Arbeitsvertrag<br />

385. Der Arbeitsmarkt ist kein Auktionsmarkt. der<br />

Angebot und Nachfrage kurzzeitig und abschließend<br />

ausgleicht. Ein Arbeitsverhältnis besteht zum Vorteil<br />

beiderMarktseitenin der Regel über eine längere Zeit<br />

und gilt meist sogar unbefristet. Das Kimdigungsrecht<br />

schützt heide Vertragspartner gegen eine ungewünschte<br />

abrupte Beendigung eines solchen Arbeitsverhältnisses,<br />

es sei denn, für seine sofortige Auflösung<br />

sind triftige Gründe vorzubringen. Im übrigen<br />

sind Kündigungsfristen einzuhalten. Ohne Zweifel<br />

bedarf der Arbeitsmarkt im Interesse seiner Funktionsfähigkeit<br />

der Regulierung der Kündigung für den<br />

unbefristeten Arbeitsvertrag.<br />

Außer dem unbefristeten Arbeitsvertrag gibt es den<br />

Zeitvertrag. Dieses von vornherein befristete Arbeitsverhältnis<br />

bedarf zu seiner Beendigung keiner Kündigung.<br />

Der unbefristete und der befristete Arbeitsvertrag waren<br />

die zwei Vertragstypen, die das Bürgerliche Gesetzbuch<br />

mit seinem Inkraftlreten <strong>zur</strong> freien Wahl der<br />

Vertragspartner vorsah. Diese Wahlfreiheit wurde<br />

durch die Rechtsprechung im Laule der Zeit jedoch<br />

eingeengt, indem befristete Arbeitsverträge nur unter<br />

bestimmten Voraussetzungen zugelassen wurden. So<br />

sollte insbesondere verhindert werden, daß die Kündigungsschutzbestimmungen<br />

mittels Zeitverträgen<br />

umgangen werden konnten.<br />

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes<br />

können Arbeitsverträge auf Zeit abgeschlossen werden,<br />

wenn ein anerkannter sachlicher Grund für eine<br />

den Umständen entsprechend begrenzte Laufzeit vorliegt.<br />

Solche sachlichen Griinde sind etwa: Eignungsprobe,<br />

Arbeitsspitzen und Saisonarbeit, die Erledigung<br />

einer begrenzten Arbeitsaufgabe sowie die Beschäftigung<br />

<strong>zur</strong> Aushilfe und Vertretung. Die Unsicherheit<br />

der weiteren Auftragsentwicklung wird jedoch<br />

nicht als hinreichender Grund für den Abschluß<br />

eines befristeten Arbeitsvertrages anerkannt.<br />

Das Beschältigungsförderungsgesetz bestimmt, daß<br />

für die Zeit vom I. Mai 1985 bis zum 1. Januar 1990<br />

bei Neueinstellungen ein Arbeitsvertrag auf eine<br />

Laufzeit von längstens 18 Monaten befristet werden<br />

kann, ohne daß hierfür ein besonderer Grund anzugeben<br />

ist. Der Referentenentwurf zum Beschäftigungsförderungsgesetz<br />

sab noch vor, Belristungsgründe in<br />

das Gesetz aufzunehmen. Sie sind im verabschiedeten<br />

Gesetz jedoch nicht mehr enthalten. Der Fortfall<br />

des Begriindungserfordernisses bildet den wesentlichen<br />

Vorteil der neuen Zeitverträge. Neben den seit~<br />

herigen befristeten Arbeitsverträgen, für die ein zulässiger<br />

Grund vorliegen muß, gibt es für die im Beschäftigungsförderungsgesetz<br />

vorgesehene Erprobungszeit<br />

den befristeten Arbeitsvertrag ohne Begründungserfordernis,<br />

mitfreier Wabl der Laulzeit bis<br />

zu 18 Monaten.<br />

Außer bei Neueinstellungen können die Zeitverträge<br />

ohne BegrüDdungserfordernis auch im unmittelbaren<br />

Anschluß an die Berufsausbildung angewendet werden,<br />

Bei neu gegriindeten Unternehmen und Unternehmen<br />

mit bis zu 20 Arbeitnehmern kann die Lauf-<br />

zeit solcher Zeitverträge bis auf höchstens zwei Jahre<br />

ausgedehnt werden.<br />

386. Der befnstete Arbeitsvertrag ohne Begründungserfordernis<br />

war bei seiner Einführung heftig<br />

umstritten. Gegen diesen Vertrag wurde eingewandt,<br />

daß damit ein Stück sozialer Sicherheit abgebaut<br />

werde, ferner daß jedes unbefristete Arbeitsverhältnis<br />

ohnehin jederzeit gekündigt werden könne und eine<br />

positive Mehrbeschältigung von der Einführung des<br />

neuen Vertragstyps nicht zu erwarten sei.<br />

,<br />

Besonderes Gewicht kommt dem Argument zu, daß<br />

mit breiter Anwendung des neuen befristeten Arbeitsvertrags<br />

mehr und mehr bisher unbefristete Arbeitsverhältnisse<br />

in befristete umgewandelt würden. So<br />

würde sich die Tendenz zu einer Zweiteilung der Arbeitnehmerschalt<br />

in durchgehend beschältigte<br />

Stammbelegschalten und unstetig beschäftigte Randbelegschaften,<br />

mit unterschiedlichem sozialen Status,<br />

verstärken, mit allen schlimmen Folgen, die sich aus<br />

der Ungleichbehandlung der zwei Kategorien von Arbeitnehmern<br />

herausbilden könne: Unruhe und Unzufriedenheit<br />

der Benachteiligten, Bekämpfung der Ungleichbehandlung,<br />

Demotivation und unsolidarisches<br />

Verhalten unter den Betriebszugehörtgen.<br />

387: Für den befristeten Arbeitsvertrag sprechen<br />

eine Reihe von Gründen, die etwas eingehender darzustellen<br />

sind, Der neue Zeitvertrag senkt die Schwellenkosten<br />

nicht dauerhalter Beschältigungsfälle und<br />

erleichtert hierdurch den Abschluß und die Beendigung<br />

von solchen Arbeitsverhältnissen. Schwellenkosten<br />

entstehen bei der Einstellung wie bei der Entlassung.<br />

Wenn die Begründung strittig ist, können Kosten<br />

gerichtlicher und sonstiger Auseinandersetzungen<br />

schon anIäßlich der Einstellung anIallen, Mehr<br />

noch trifIt dies aber im Zeitpunkt der Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses zu, wenn der Befristungsgrund<br />

nachträglich in Zweifel gezogen wird. Zu den Schwellenkosten<br />

bei Beginn oder Beendigung eines solchen<br />

Arbeitsverhältnisses zählen unter anderem auch Abstandszahlungen.<br />

Wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis wegen<br />

Unzulässigkeit der zunächst als <strong>zur</strong>eichend angesehenen<br />

Begründung tatsächlich in ein unbefristetes<br />

Arbeitsverhältnis überführt wird, entstehen zusätzliche<br />

Kosten der Weiterbeschältigung, da nicht davon<br />

auszugehen ist, daß die ungewollte Aulrechterhaltung<br />

des Arbeitsverhältnisses reibungslos vonstatten<br />

geht. Die erwähnten Kosten entfallen beim Fristvertrag<br />

ohne Begriindungserfordernis.<br />

Es ist anzunehmen, daß die Beschältigungsmöglichkeiten<br />

nicht nur aus Gründen der Kostenersparnis und<br />

der Erleichterung des Vertragsabschlusses mit dem<br />

neuen Vertragstyp erweitert werden. Man kann sich<br />

vorstellen, daß Arbeitgeber oderArbeitnehmer nur an<br />

einem Arbeitsverhältnis gerade dieser Art interessiert<br />

sind. Ob solche spezifischen Bedürfnisse ausschließlich<br />

für die Anwendung dieses Vertragstyps bestehen,<br />

kann nur die Erfahrung zeigen, Im gegebenen Fall<br />

wirkt der neue Vertragstyp beschältigungssteigernd,<br />

weil er die Wahlmöglichkeiten der Vertragspartner<br />

erweitert.<br />

190

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!