Jahresgutachten 1987/88 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 11/1317 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />
Der befristete Arbeitsvertrag<br />
385. Der Arbeitsmarkt ist kein Auktionsmarkt. der<br />
Angebot und Nachfrage kurzzeitig und abschließend<br />
ausgleicht. Ein Arbeitsverhältnis besteht zum Vorteil<br />
beiderMarktseitenin der Regel über eine längere Zeit<br />
und gilt meist sogar unbefristet. Das Kimdigungsrecht<br />
schützt heide Vertragspartner gegen eine ungewünschte<br />
abrupte Beendigung eines solchen Arbeitsverhältnisses,<br />
es sei denn, für seine sofortige Auflösung<br />
sind triftige Gründe vorzubringen. Im übrigen<br />
sind Kündigungsfristen einzuhalten. Ohne Zweifel<br />
bedarf der Arbeitsmarkt im Interesse seiner Funktionsfähigkeit<br />
der Regulierung der Kündigung für den<br />
unbefristeten Arbeitsvertrag.<br />
Außer dem unbefristeten Arbeitsvertrag gibt es den<br />
Zeitvertrag. Dieses von vornherein befristete Arbeitsverhältnis<br />
bedarf zu seiner Beendigung keiner Kündigung.<br />
Der unbefristete und der befristete Arbeitsvertrag waren<br />
die zwei Vertragstypen, die das Bürgerliche Gesetzbuch<br />
mit seinem Inkraftlreten <strong>zur</strong> freien Wahl der<br />
Vertragspartner vorsah. Diese Wahlfreiheit wurde<br />
durch die Rechtsprechung im Laule der Zeit jedoch<br />
eingeengt, indem befristete Arbeitsverträge nur unter<br />
bestimmten Voraussetzungen zugelassen wurden. So<br />
sollte insbesondere verhindert werden, daß die Kündigungsschutzbestimmungen<br />
mittels Zeitverträgen<br />
umgangen werden konnten.<br />
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes<br />
können Arbeitsverträge auf Zeit abgeschlossen werden,<br />
wenn ein anerkannter sachlicher Grund für eine<br />
den Umständen entsprechend begrenzte Laufzeit vorliegt.<br />
Solche sachlichen Griinde sind etwa: Eignungsprobe,<br />
Arbeitsspitzen und Saisonarbeit, die Erledigung<br />
einer begrenzten Arbeitsaufgabe sowie die Beschäftigung<br />
<strong>zur</strong> Aushilfe und Vertretung. Die Unsicherheit<br />
der weiteren Auftragsentwicklung wird jedoch<br />
nicht als hinreichender Grund für den Abschluß<br />
eines befristeten Arbeitsvertrages anerkannt.<br />
Das Beschältigungsförderungsgesetz bestimmt, daß<br />
für die Zeit vom I. Mai 1985 bis zum 1. Januar 1990<br />
bei Neueinstellungen ein Arbeitsvertrag auf eine<br />
Laufzeit von längstens 18 Monaten befristet werden<br />
kann, ohne daß hierfür ein besonderer Grund anzugeben<br />
ist. Der Referentenentwurf zum Beschäftigungsförderungsgesetz<br />
sab noch vor, Belristungsgründe in<br />
das Gesetz aufzunehmen. Sie sind im verabschiedeten<br />
Gesetz jedoch nicht mehr enthalten. Der Fortfall<br />
des Begriindungserfordernisses bildet den wesentlichen<br />
Vorteil der neuen Zeitverträge. Neben den seit~<br />
herigen befristeten Arbeitsverträgen, für die ein zulässiger<br />
Grund vorliegen muß, gibt es für die im Beschäftigungsförderungsgesetz<br />
vorgesehene Erprobungszeit<br />
den befristeten Arbeitsvertrag ohne Begründungserfordernis,<br />
mitfreier Wabl der Laulzeit bis<br />
zu 18 Monaten.<br />
Außer bei Neueinstellungen können die Zeitverträge<br />
ohne BegrüDdungserfordernis auch im unmittelbaren<br />
Anschluß an die Berufsausbildung angewendet werden,<br />
Bei neu gegriindeten Unternehmen und Unternehmen<br />
mit bis zu 20 Arbeitnehmern kann die Lauf-<br />
zeit solcher Zeitverträge bis auf höchstens zwei Jahre<br />
ausgedehnt werden.<br />
386. Der befnstete Arbeitsvertrag ohne Begründungserfordernis<br />
war bei seiner Einführung heftig<br />
umstritten. Gegen diesen Vertrag wurde eingewandt,<br />
daß damit ein Stück sozialer Sicherheit abgebaut<br />
werde, ferner daß jedes unbefristete Arbeitsverhältnis<br />
ohnehin jederzeit gekündigt werden könne und eine<br />
positive Mehrbeschältigung von der Einführung des<br />
neuen Vertragstyps nicht zu erwarten sei.<br />
,<br />
Besonderes Gewicht kommt dem Argument zu, daß<br />
mit breiter Anwendung des neuen befristeten Arbeitsvertrags<br />
mehr und mehr bisher unbefristete Arbeitsverhältnisse<br />
in befristete umgewandelt würden. So<br />
würde sich die Tendenz zu einer Zweiteilung der Arbeitnehmerschalt<br />
in durchgehend beschältigte<br />
Stammbelegschalten und unstetig beschäftigte Randbelegschaften,<br />
mit unterschiedlichem sozialen Status,<br />
verstärken, mit allen schlimmen Folgen, die sich aus<br />
der Ungleichbehandlung der zwei Kategorien von Arbeitnehmern<br />
herausbilden könne: Unruhe und Unzufriedenheit<br />
der Benachteiligten, Bekämpfung der Ungleichbehandlung,<br />
Demotivation und unsolidarisches<br />
Verhalten unter den Betriebszugehörtgen.<br />
387: Für den befristeten Arbeitsvertrag sprechen<br />
eine Reihe von Gründen, die etwas eingehender darzustellen<br />
sind, Der neue Zeitvertrag senkt die Schwellenkosten<br />
nicht dauerhalter Beschältigungsfälle und<br />
erleichtert hierdurch den Abschluß und die Beendigung<br />
von solchen Arbeitsverhältnissen. Schwellenkosten<br />
entstehen bei der Einstellung wie bei der Entlassung.<br />
Wenn die Begründung strittig ist, können Kosten<br />
gerichtlicher und sonstiger Auseinandersetzungen<br />
schon anIäßlich der Einstellung anIallen, Mehr<br />
noch trifIt dies aber im Zeitpunkt der Beendigung des<br />
Arbeitsverhältnisses zu, wenn der Befristungsgrund<br />
nachträglich in Zweifel gezogen wird. Zu den Schwellenkosten<br />
bei Beginn oder Beendigung eines solchen<br />
Arbeitsverhältnisses zählen unter anderem auch Abstandszahlungen.<br />
Wenn ein befristetes Beschäftigungsverhältnis wegen<br />
Unzulässigkeit der zunächst als <strong>zur</strong>eichend angesehenen<br />
Begründung tatsächlich in ein unbefristetes<br />
Arbeitsverhältnis überführt wird, entstehen zusätzliche<br />
Kosten der Weiterbeschältigung, da nicht davon<br />
auszugehen ist, daß die ungewollte Aulrechterhaltung<br />
des Arbeitsverhältnisses reibungslos vonstatten<br />
geht. Die erwähnten Kosten entfallen beim Fristvertrag<br />
ohne Begriindungserfordernis.<br />
Es ist anzunehmen, daß die Beschältigungsmöglichkeiten<br />
nicht nur aus Gründen der Kostenersparnis und<br />
der Erleichterung des Vertragsabschlusses mit dem<br />
neuen Vertragstyp erweitert werden. Man kann sich<br />
vorstellen, daß Arbeitgeber oderArbeitnehmer nur an<br />
einem Arbeitsverhältnis gerade dieser Art interessiert<br />
sind. Ob solche spezifischen Bedürfnisse ausschließlich<br />
für die Anwendung dieses Vertragstyps bestehen,<br />
kann nur die Erfahrung zeigen, Im gegebenen Fall<br />
wirkt der neue Vertragstyp beschältigungssteigernd,<br />
weil er die Wahlmöglichkeiten der Vertragspartner<br />
erweitert.<br />
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