1.2 Monika Kastner - Vitale Teilhabe - Löcker Verlag

kreten Begriffen des Lernens und der Aneignung scheint Bildung ein Hülsen-Wort zu
sein; ein Wort, das mit vielen Bedeutungen gefüllt werden und als Behältnis für Unterschiedliches
(Prozesse, Inhalte, Zielsetzungen) dienen kann. Bildung ist ein dehnbarer,
ein als inhaltsleer oder inhaltlich überfrachtet wahrgenommener bzw. wahrnehmbarer
Begriff; außerdem ist Bildung immer auch ein struktureller Terminus, der
sich im Bildungssystem wiederfindet. Für viele pädagogisch Tätige und insbesondere
für Erwachsenenpädagoginnen und Erwachsenenpädagogen ist Bildung einer
der zentralen Begriffe des Fachs – für viele DER zentrale Begriff: gleichsam Richtschnur
und Zielvorstellung in Hinblick auf das professionelle Selbstverständnis und
das berufliche Handeln. Was ist nun Bildung Elke Gruber (2004) stellt fest: Bildung
ist zugleich Prozess und Produkt; Bildung kann die Bedeutung der Befähigung anderer
Menschen und die Selbstbefähigung beinhalten (vgl. Gruber 2004: 5); Bildung
kann verstanden werden als »reflektiertes Denken und darauf aufbauendes Handeln«
(ebd.). Ähnlich argumentiert Werner Lenz (2004), ermöglicht doch Bildung »Orientierung
im Denken und Handeln« (Lenz 2004: 5). Voraussetzung hierfür ist es, sich
in Lernprozessen Wissen anzueignen; Wissen ist die Basis für die Bewertung von
Angelegenheiten und für Entscheidungsfindungsprozesse (vgl. ebd.). Wenn Bildung
bezogen auf sich selbst erfolgt, wenn sie auf das Individuum rückbezogen ist, so ist
meines Erachtens erstens dieser Prozess während unseres irdischen Daseins nie abgeschlossen,
drängt sich zweitens die Frage nach möglichen Grundlagen und Ausgangsvoraussetzungen
für diesen Prozess auf und stellt sich drittens die Frage nach
den gestaltenden Kräften, die in diesem Prozess wirksam sind.
Die Geburtsstunde von Bildung als »politische Kraft« und ein zu entfaltendes
»Konzept« wird von Armin Bernhard (2001) in die Epoche der Aufklärung verlegt
(vgl. Bernhard 2001: 63). Die Aufklärung war verbunden mit »dem Versuch, eine
neue Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle Individuen aufzubauen« (ebd.: 64);
Bildung sollte der »Selbstermächtigung der Menschen zur Gestaltung ihrer gesellschaftlichen
Praxis« (ebd.) dienen. Allerdings: Mit dem Erstarken des Bürgertums
trat die emanzipatorische Kraft zurück und Bildung »wurde zunehmend zum Instrument
der Selektion und Allokation der Heranwachsenden« (ebd.). Dieser Befund
hat noch immer seine Gültigkeit: »Die auf sozialer Ungleichheit aufgebaute
Gesellschaft bedarf der Bildung als Qualifikation, als Schulung, als Training, nicht
aber als eines emanzipativen Erkenntnisvermögens.« (ebd.: 70; Hervorh. i. Orig.)
Hartmut von Hentig kritisiert in Hinblick auf Schule: »In der wissenschaftlichen
Zivilisation sind aus der Schulbildung das Mittel und das Kriterium der akademischen
Berufslaufbahn geworden.« (Hentig 1999a: 50) Schlimmer noch, es scheint
sich zu bewahrheiten, »daß man in der Schule seine Karriere beginnt oder verpaßt«
(ebd.: 52). In Abgrenzung zur Erziehung, die die Funktion der Reproduktion der
Gesellschaft erfüllt, und über sie hinausgehend ist Bildung verknüpft mit der »Entstehung
von Bewußtsein« (Bernhard 2001: 65; Hervorh. i. Orig.) und zielt ab auf
die »geistige Erschließung von Welt« (ebd.). Dieses Bewusstsein bezieht sich nicht
nur auf die kognitive Ebene, sondern umfasst gleichermaßen das bewusste Wachs-
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