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1.2 Monika Kastner - Vitale Teilhabe - Löcker Verlag

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Die Übernahme einer anderen Sichtweise auf das eigene Lernen – dass nämlich die<br />

Kursleitenden bereits erfolgte Lernschritte wahrgenommen haben, diese rekapitulieren<br />

können und positiv bewerten – muss von den Teilnehmenden erst nach und<br />

nach in ihre Selbstwahrnehmung integriert werden. Die folgende Aussage verdeutlicht<br />

eine sinnvolle Haltung eines Kursleitenden zu den sich selbst abwertenden<br />

Aussagen der Teilnehmenden: »Aber das geht bei mir nicht rein (lachend)! Wenn<br />

sich jemand so herabsetzt, ja, dann macht mir das Spaß ihm zu zeigen, dass es auch<br />

das Gegenteil gibt.« (KLerC, 420f.)<br />

Personen mit Basisbildungsbedarfen/-bedürfnissen erleben mitunter ein Gefühl der<br />

Unterlegenheit, weil sie sich im Vergleich zu anderen Personen aus ihrem Umfeld<br />

als defizitär wahrnehmen: »die anderen SIND einfach besser, wenn sie DAS [die<br />

Kulturtechniken] besser können« (KLinF, 300f.). Dieses gefühlte Defizit identifiziert<br />

Kursleiterin F als einen generellen defizitären Tunnelblick, der derzeit in unserer<br />

Gesellschaft vorherrscht:<br />

»[…] also das wirklich zu glauben: Ich bin ein toller Mensch, auch wenn ich DAS nicht so<br />

gut kann. Das sitzt ganz, ganz tief. Und weil wir halt in unserer Gesellschaft uns ja auch mit<br />

dem […] was wir nicht können und diese Leistung, die irgendjemand irgendwo NICHT bringt,<br />

mehr anprangern als […] dieses Anerkennende.« (KLinF, 314-317)<br />

Sie spricht damit implizit den Ansatz der Ressourcenorientierung an. Gemeinsam<br />

mit den Teilnehmenden versucht sie einen kritischen Blick auf gesellschaftliche<br />

Zuschreibungen, die weniger die Ressourcen und mehr die Schwächen fokussieren,<br />

zu entwickeln: »Und das sitzt so tief. Ich meine, so total therapeutisch arbeiten<br />

wir ja nicht und trotzdem glaube ich, dass es […] heilsam ist. […] Und heilend zu<br />

erfahren, es gibt diese […] Zuschreibungen.« (KLinF, 302-305)<br />

Glaubenssätze können auf der Übernahme von im gesellschaftlichen Bewusstsein<br />

verankerten Überzeugungen beruhen:<br />

»Wenn dann jemand merkt, dass es ihm zu langsam geht […] vor allem bei älteren Menschen.<br />

Dann verwende ich das schon als Argument, um da die Motivation anzufeuern. Dass ich sage:<br />

Das hat mit dem Alter nichts zu tun. […] Also das ist so eine, eine heilige Lüge. Nennen wir<br />

es einmal so. […] und nehme sogar Wissenschaft und so zur Hilfe und sage: Die haben gesagt,<br />

dass das vom Alter unabhängig ist und so weiter. Wobei ich persönlich nicht daran glaube,<br />

weil ich schon merke, man ist durch das Alter, irgendwie, man wird da unbeweglicher. […] so<br />

habe ich es beobachtet.« (KLerD, 486-495)<br />

Die so genannte »Adoleszenz-Maximum-Hypothese«, sprichwörtlich gefasst in<br />

»was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr«, wurde bereits verworfen.<br />

Heute wird von der Lernfähigkeit bis ins hohe Lebensalter ausgegangen. In der beschriebenen<br />

Episode setzt der Kursleiter die »heilige Lüge«, dass Lernfähigkeit<br />

unabhängig vom Lebensalter sei, als einen motivierenden Befund ein. Die Beob-<br />

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