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1.2 Monika Kastner - Vitale Teilhabe - Löcker Verlag

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wicklungsanlässe bieten, die durch entsprechendes Lehrhandeln genützt werden<br />

können. Teilnehmerin 7 berichtet von gemeinsamen Lernaktivitäten mit einer Teilnehmerin<br />

mit einer anderen Erstsprache als Deutsch (vgl. TNin7, 283f.):<br />

»Weil ich ja dann auch was lerne. Weil ich passe dann auf, wie sie das liest. Nicht Da kann<br />

man auch viel lernen. Weil dann muss ich viel aufpassen, was sie liest und dann kann sie ausbessern<br />

und dann lerne ich es viel besser. […] denke ich mir, das ist auch ganz gut, wenn ich<br />

ihr helfe, dann ist mir auch viel geholfen.« (TNin7, 285-289)<br />

Mit dem Helfen wird Verantwortung übernommen, und aus der Übernahme der<br />

Verantwortung erwächst ein persönlicher Gewinn. Teilnehmerin 7 überwindet<br />

dadurch eventuell bestehende Ressentiments; zwischen den Teilnehmerinnen<br />

kann sich ein Vertrauensverhältnis konstituieren. Sie berichtet, sie habe sich zu<br />

Beginn ihrer Teilnahme »fehl am Platz« (TNin7, 251) gefühlt: »Zuerst war ich<br />

eigentlich, denke ich mir: Nein, da gehöre ich nicht her. Aber jetzt, ich habe kein<br />

Problem damit mehr […].« (TNin7, 256f.) Sie macht dieses anfängliche Gefühl<br />

nicht nur an den Teilnehmenden mit einer anderen Erstsprache als Deutsch fest,<br />

sondern auch an einem Teilnehmenden mit Lernschwierigkeiten (vgl. TNin7,<br />

246-257; siehe Abschnitt 5.1.4). In der folgenden Episode findet sich ein entscheidender<br />

Hinweis auf eine mögliche Erklärung für ihre Ressentiments gegenüber<br />

dem Teilnehmer mit Lernschwierigkeiten – nämlich Reminiszenzen an die<br />

eigene Lerngeschichte und damit verbunden eine Erinnerung an Gefühle der eigenen<br />

Unzulänglichkeit:<br />

»Oder sonst war auch einer da. Der kann ja so lesen wie ich in der zweiten Volksschule. Weißt,<br />

da kommt die Erinnerungen. Denke ich mir, ich kann eh alles eigen, ich meine, ich muss eh<br />

zufrieden sein. Ich meine, ich meine der, der tut mir dann so leid, denke ich mir, aber er, es<br />

wird ja immer BESSER, das freut mich ja, dass das eigentlich durch die drei Stunden was er da<br />

hat, dass das so gut, dass er so viel mitnimmt auch und so viel lernt, nicht.« (TNin7, 259-264)<br />

Sie nimmt anerkennend seine Lernfortschritte wahr und geht mit dem wahrgenommenen<br />

Unterschied rücksichtsvoll um: Sie stärkt sich selbst (»ich meine, ich muss<br />

eh zufrieden sein«), ohne den anderen zu schwächen. Im Folgenden wird deutlich,<br />

dass die lernende Gemeinschaft für sie aus Beziehungen besteht: Das Vertrauen,<br />

das sich innerhalb der Gruppe entwickelt hat, schafft einen als sicher empfundenen<br />

Möglichkeitsraum, in dem sie Fähigkeiten erproben kann:<br />

»[…] ich wollte nie einen Kurs machen oder irgendwas, weil ich Angst gehabt habe, dass ich<br />

was vorlesen muss. […] ich muss ja gar nicht [hier im Basisbildungskurs]. Weil, wenn ich sie<br />

dann besser kenne, die, ein Monat oder so, die Leute, oder man hat ein bisschen eine Gaude<br />

oder so, kann ich es genauso. Da denkt sich keiner mehr was, nicht.« (TNin7, 79-83)<br />

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