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1.2 Monika Kastner - Vitale Teilhabe - Löcker Verlag

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Ihre Arbeitskollegin, ebenfalls eine Frau mit Migrationshintergrund, hat in einem<br />

Kurs das Lesen und Schreiben in der Zweitsprache Deutsch erlernt. Teilnehmerin<br />

1 ist überrascht (»So, und so was gibt es!«), dass es Kurse gibt, die ihrem<br />

Bildungswunsch entsprechen könnten. Sie erkundigt sich diesbezüglich sowohl<br />

beim Arbeitsmarktservice (AMS) als auch bei Bekannten, die ebenfalls aus ihrem<br />

Herkunftsland migriert sind, versteckt dabei jedoch ihren tatsächlichen und<br />

vordringlichen Bedarf, Lesen und Schreiben zu lernen, hinter dem Schutzmantel,<br />

Deutsch erlernen zu wollen:<br />

»(T) Habe ich gesagt: Ich möchte einen Kurs in Deutsch. Aber ich habe nicht gesagt: Ich kann<br />

nicht, verstehen Aber immer habe ich gesagt. Nein, hier gibt es keine Schule von große Leute,<br />

nur von kleine.<br />

(I) Aha.<br />

(T) (unverständlicher Satzteil) Immer habe ich gesagt: Du bist nicht Kleine, ich bin schon<br />

Große. Aber ich habe nicht erzählt, dass ich nicht kann Lesen und Schreiben.<br />

(I) Also, Sie haben gesagt, Sie möchten Deutsch lernen<br />

(T) Ja, aber ich habe nicht die Wahrheit gesagt, warum.<br />

(I) Ja.<br />

(T) Welche war meine Grund (sie lacht): Ich will lesen und schreiben.« (TNin1, 647-656)<br />

Sie wird trotz ihrer zum damaligen Zeitpunkt noch sehr geringen Deutschkenntnisse<br />

in eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme geschickt (ein Deutschkurs wäre<br />

wohl sinnvoller gewesen). Einige Jahre später wendet sie sich erneut an das AMS<br />

und kann mit einem zu diesem Zeitpunkt neu eingerichteten Basisbildungskurs beginnen<br />

(vgl. TNin1, 40-69).<br />

Teilnehmerin 2, ebenfalls eine Frau mit Migrationshintergrund, entdeckt durch eine<br />

Person in ihrem sozialen Umfeld ihre Berufung und ist sich gleichzeitig ihres Bildungsbedarfs<br />

zur Realisierung dieses Ausbildungswunsches bewusst:<br />

»Dass ich habe sehr viel Schwierigkeit gehabt in meinem Leben. Und dann nachher habe ich<br />

eine Behandlung besucht. Das hat sechs Wochen gedauert und ich habe sehr viel Hilfe bekommen,<br />

genau von sozialer Unterstützung, von diesen Menschen, von Therapeuten. Und das war<br />

richtig Auslöser bei mir, dass ich einfach gedacht habe, ich möchte auch so was für andere<br />

Menschen machen. Und das war gleich bewusst, ich kann das nicht einfach machen, ohne dass<br />

ich nicht gut Schreiben und gut Lesen kann. Und das war Start, wo ich meine 15-jährigen Job<br />

aufgegeben habe.« (TNin2, 60-67)<br />

Sie kündigt ihre Stelle und organisiert sich zur Vorbereitung auf die von ihr angestrebte<br />

berufliche Erstausbildung die Teilnahme an einem Deutschkurs eines<br />

kommerziellen Bildungsanbieters. Sie vermutet allerdings, dass die vorgesehenen<br />

Kurseinheiten nicht ausreichen werden, und die Vorstellung, ihren Sprachbildungsbedarf<br />

in kurzer Zeit bearbeiten zu müssen, überfordert sie (vgl. TNin2, 392-417).<br />

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