01.12.2012 Aufrufe

das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

3 Literaturdidaktische Interaktionsfiguren – eine systematische Rekonstruktion 113<br />

nau jenen Aspekten auch affektiv verknüpft sein, die vermieden werden sollen:<br />

Gruppendynamik, Kreativität, intergenerationelle Interaktion im Machtzusammenhang<br />

der Schule. Die Rationalität des Vorgehens könnte dabei als<br />

Rationalisierung verstanden werden, weil <strong>das</strong> Lesen im Literaturunterricht<br />

nun einmal in Gruppen stattfindet, weil ästhetische Texte in Produktion und<br />

Rezeption etwas mit Kreativität zu tun haben und weil schulisches Lernen mit<br />

Macht und Deutungs- und Bewertungsvorgängen zu tun hat. Die Auseinandersetzung<br />

mit genau diesen Aspekten scheint aber vermieden. Die eindrucksvoll<br />

beschriebenen Probleme scheinen in einem rational-analytischen<br />

Konzept historischen Verstehens von Texten aufgehoben.<br />

Vor dem Hintergrund seiner Kritik formuliert Fingerhut <strong>das</strong> Konzept des „produktiven<br />

Lernens an der Biographie ästhetischer Texte“. Er knüpft damit an seine Überlegungen<br />

in „Affirmative und kritische Lehrsysteme“ (1974) und dem dort entwickelten<br />

Konzept der Erstellung von Textsequenzen an. Sowohl für die Textzusammenstellung<br />

als auch für die Arbeit mit den Texten formuliert Fingerhut fünf Regeln:<br />

Abb. 16 - Fingerhuts Regeln für literaturdidaktische<br />

Prozessplanung<br />

Da Texte Teil einer historischen<br />

Konstellation sind, müssen sie auch<br />

als solche verstanden werden und<br />

durch andere Texte und Quellen in<br />

ihrem historischen Kontext im Unterricht<br />

erscheinen. Da Texte selbst in<br />

wertendem Bezug zur gesellschaftlichen<br />

Wirklichkeit ihres Entstehens<br />

stehen, sind sie als Teil des analytischen<br />

Umgangs mit ihnen selbst Gegenstand<br />

parteilicher Kommentierung,<br />

wobei die Parteilichkeit im Gegenwartsbezug<br />

des Kommentierenden<br />

liegt. Da Texte eine Wirkungsge-<br />

schichte haben, die die jeweils aktuelle Rezeption nicht unbeeinflusst lässt, muss<br />

diese Wirkungsgeschichte selbst im Unterricht deutlich werden. Die Wechselbeziehungen<br />

zwischen Gegenwart und Geschichte, die in einem solchermaßen geplanten<br />

Unterricht stattfinden, erlauben es Traditionslinien deutlich werden zu lassen, die<br />

Geschichte als bedeutsam für Gegenwart erkennbar macht. Solches Erkennen muss<br />

aber als Ergebnis von Einsicht aufgrund kognitiver Prozesse geplant werden, wobei<br />

auf „operationale Lernzielbestimmungen“ (1980a, 74) verzichtet werden muss.<br />

Die kritisch-fordernde bis polemisch-aggressive Haltung des Texts schließt allerdings<br />

die Thematisierung emotionaler und affektiver Dimensionen des ideologiekritisch-historischen<br />

Verstehens nicht aus, zeigt gleichwohl, ihren sowohl manifesten<br />

als auch latenten Ort innerhalb der literaturdidaktischen Interaktionsfigur der<br />

Wissenschaftsorientierung, hier in der Variante des historischen Verstehens.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!