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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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22 <strong>Jörg</strong> <strong>Steitz</strong>-Kallenbach<br />

schen Zeichens und stellt gewissermaßen eine unbewusste Kommunikationsebene<br />

zwischen literarischem Text und Leser/Leserin dar. 8 Das Zustandekommen eines<br />

intermediären Raums und der in ihm stattfindenden Prozesse der Begegnung zwischen<br />

äußerer und innerer Realität, die auch als ein symbolisches Durcharbeiten von<br />

Konflikt-, Problem- und Interessenslagen der Leser im Medium literar-ästhetischer<br />

Symbolisierungen bezeichnet werden können, ist eine wesentliche Bedingung für<br />

<strong>das</strong> Erfahren „<strong>literarischer</strong> Gratifikation“ (Schön 1995a, 101), für Prozesse <strong>literarischer</strong><br />

Erfahrungsbildung.<br />

Der intermediärer Raum <strong>literarischer</strong> Erfahrung ist gleichwohl ein labiles Gebilde,<br />

seine Stabilität und damit die Möglichkeit <strong>literarischer</strong> Erfahrung ist gefährdet von<br />

zwei Seiten: von der Seite der äußeren Realität sowie von der Seite der inneren Realität.<br />

So kann ein besonderer <strong>literarischer</strong> Anspruch eines literarischen Texts (z.B.:<br />

lyrisch-metaphorische Sprache, multi-perspektivisches Erzählen, a-chronologisches<br />

Erzählen, historische Distanz von Figur, Rede und Ort etc.) oder im schulischen<br />

Kontext auch eine bestimmte Gestaltung des unterrichtlichen Settings eine solche<br />

Gefährdung von Seiten der äußeren Realität darstellen. Gefährdungen von Seiten der<br />

inneren Realität sind dann gegeben, wenn Texte durch ihre präsentative Qualität so<br />

<strong>das</strong> innere Erleben der Leser tangieren, wenn also <strong>das</strong> Szenische der Texte die Leser<br />

derart überflutet und bedroht, <strong>das</strong>s sie die Lektüre beenden müssen, um ihr psychisches<br />

Gleichgewicht wieder herzustellen. Literarische Erfahrung ist somit auch im<br />

Kontext des eher an Subjektaspekten orientierten Konzepts des intermediären<br />

Raums mehr und Anderes als bloße Vereinnahmung des literarischen Texts durch<br />

<strong>das</strong> lesende Subjekt. Fremdes tritt diesem in zweierlei Gestalt entgegen: erstens als<br />

äußeres Fremdes auf der Ebene des manifesten Texts in der Form z.B. anderer historischer<br />

Realitäten, anderer Lebens<strong>erfahrung</strong>en der Figuren etc., als ungewohnte,<br />

ansprüchliche literarische Form sowie in bestimmten Aspekten des Rezeptionssettings<br />

und zweitens als inneres Fremdes, als unbewusst gewordene sinnlich-symbolische<br />

Interaktionsform, als Wunsch etc. Entwicklung <strong>literarischer</strong> Erfahrung wird<br />

somit verstanden als Kompetenzentwicklung, die sowohl ihre Perspektive in Dimensionen<br />

des literarischen Texts als auch in Dimensionen der lesenden Subjekte hat.<br />

Lesen und Literaturverwendung im Literaturunterricht wird im Argumentationszusammenhang<br />

dieser Arbeit daher als Leseförderung bzw. Leser- respektive Leserinnenförderung<br />

betrachtet.<br />

8 Die klinischen Erfahrungen Winnicotts zur Dynamik der Übergangsphänomene (vgl. hierzu auch<br />

Neubaur 1987) liegen einer Vielzahl von Überlegungen aus dem Bereich der Psychoanalytischen Pädagogik<br />

zu kindlichem Spiel und kindlicher Kreativitätsentwicklung zugrunde (vgl. beispielhaft:<br />

Schäfer 1985). Neben den Betrachtungen Bettelheims zur kindlichen Märchenrezeption (Bettelheim<br />

1975, 9-23) sind vor allem <strong>das</strong> Leselernkonzept mit Geschichten von der kleinen weißen Ente Loni<br />

von Doris Mauthe-Schonig u.a. (1983, 2000) sowie ihre Beobachtungen zum kindlichen Umgang mit<br />

Geschichten in der Grundschule (Mauthe-Schonig 1995, 1996) eine literatur- und lesedidaktische Umsetzung<br />

der psychoanalytischen Perspektiven Winnicotts.

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