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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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3 Literaturdidaktische Interaktionsfiguren – eine systematische Rekonstruktion 125<br />

Damit soll keineswegs die Forderung erhoben werden, Hillmann hätte<br />

psychoanalytische Literatur umfangreicher verwenden sollen. Allerdings soll auf<br />

den Umstand aufmerksam gemacht werden, <strong>das</strong>s psychoanalytische Konzepte in den<br />

Dienst einer weitgehend unbewusst bleibenden Ausgestaltung der literaturunterrichtlichen<br />

Interaktionsfigur der Wissenschaftsorientierung genommen werden. In ihr<br />

wird eine Interaktion von Text, Schüler und Lehrer entfaltet, die letztlich ein recht<br />

statisches Modell des Lernens psychotherapeutisch überhöht. Der Lehrer ist als Repräsentant<br />

des Texts und qua erwachsener Lebensperspektive jene Autorität, die die<br />

notwendig subjektiven, aber gleichermaßen notwendig falschen Äußerungen und<br />

lebensweltlichen Deutungen der Schüler zu korrigieren bzw. in die richtige Richtung<br />

zu lenken vermag. In dieser Beschreibung lässt sich <strong>das</strong> interaktionelle Geschehen<br />

fassen, <strong>das</strong> gemäß Hillmann auf „Objektivität“ zielt, dessen „praktische Durchführung<br />

nur ein Problem der Zeit und des Geschicks und einer gewissen Disziplin<br />

(Hillmann 1972, 130) ist.<br />

In der fantasierten Rolle als Lehrer/Therapeut entfaltet dieser eine allseitige Deutungsmacht,<br />

für die die Verstehensperspektive der Schüler letztlich nur als Ausgangspunkt<br />

des Lernprozesses, der im wesentlichen ein Lehrprozess ist, von Relevanz<br />

ist. Sie besitzt selbst keinen eigenen Wert. Und insbesondere sind weder Lehrer<br />

noch Text von ihr letztlich berührt oder auch nur berührbar.<br />

3.3.5 Literaturunterricht als kommunikatives Geschehen<br />

In ihrem Kern ist die literaturdidaktische Interaktionsfigur der Wissenschaftsorientierung<br />

eine textorientierte Modellierung der literaturunterrichtlichen Realität. In den<br />

bisher geschilderten Facetten dieser Interaktionsfigur spielen auf der manifesten<br />

Ebene der Konzeptbildung Texte die entscheidende Rolle, seien es die literarischen<br />

Texte als Teil des literarischen Systems (vgl. Abschn. 3.3.2), seien sie es als Ideologieträger<br />

und Objekt ideologischer Indienstnahme (vgl. Abschn. 3.3.3) oder sei es<br />

<strong>das</strong> ‚falsche’ Bewusstsein selbst, <strong>das</strong> letztlich als Widerspiegelung textlicher Repräsentanzen<br />

von Ideologien gilt und damit selbst als textäquivalent verstanden wird<br />

(vgl. Abschn. 3.3.4).<br />

Allerdings lässt die literaturdidaktische Interaktionsfigur „Das Verschwinden der<br />

Subjekte unter dem Gewand der Wissenschaft“ auch eine kommunikations- bzw.<br />

interaktionsbezogene Facette erkennen, die zwar innerhalb der Gesamtfigur eher als<br />

marginal betrachtet werden muss, die für die hier entfalteten Perspektiven aber insofern<br />

von Bedeutung ist, als sie <strong>das</strong> literaturunterrichtliche Geschehen selbst in den<br />

Blick nimmt.<br />

Erste Anzeichen dieser Facette finden sich in der literaturdidaktischen Rezeption<br />

pragma-linguistischer, semiotischer und kommunikationstheoretischer Überlegungen,<br />

wie sie sich etwa in Hans Küglers „Literatur und Kommunikation“ (1971 u.<br />

1975) zeigt, sowie in handlungstheoretischen Konzeptualisierungen des (Literatur-)Unterrichts,<br />

wie sie sich sowohl in der allgemeinen Pädagogik wie auch der

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