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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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28 <strong>Jörg</strong> <strong>Steitz</strong>-Kallenbach<br />

unbewussten verweist. Es ist etwas Anderes als die ‚Summe’ der Unbewussten der<br />

einzelnen Gruppenteilnehmer und muss als „gruppenspezifisch produziertes Unbewusstes“<br />

(Haubl 1994, 11) verstanden werden. Die Funktion des Gruppenunbewussten<br />

ist es, jene Aspekte des Gruppengeschehens ‚aufzunehmen’, die den Gruppenzusammenhalt<br />

und damit die Funktionalität und Realitätsorientierung der Gruppe gefährden.<br />

Für die Betrachtung der Gruppendynamik von Unterrichtsprozessen wird<br />

vor allem auf eine Unterscheidung von Winfried R. Bion (1971) zurückgegriffen,<br />

die <strong>das</strong> Verhältnis von bewusster und unbewusster Ebene des Gruppengeschehens<br />

wie folgt beschreibt.<br />

Bion hat in seinen Überlegungen zur Gruppendynamik darauf hingewiesen, <strong>das</strong>s der<br />

Arbeitsgruppe, deren Aktivitäten in Beziehung zur Realität stehen und deren Methoden<br />

rational sind (1971, 104), mächtige „emotionale Tendenzen“ zuzuordnen sind,<br />

die die Arbeitsgruppentätigkeit „behindern, ablenken, manchmal aber auch fördern“<br />

(106). Bion bezeichnet diese „emotionalen Tendenzen“ als unbewusste, der Gruppe<br />

gemeinsame Grundannahmen und unterscheidet drei solcher Grundannahme-Gruppen:<br />

die Abhängigkeits-Gruppe, die Kampf-Flucht-Gruppe und die Paarbildungsgruppe.<br />

Arbeitsgruppenfunktion und Grundannahmegruppe ähneln in ihrem Verweis<br />

aufeinander wie bewusste und unbewusste Prozesse, sekundär- und primärprozesshafte<br />

Vorgänge und sind immer in Kombination präsent. Die spezifische „Mischung“<br />

bestimmt die Gruppenkultur zu einem gegebenen Zeitpunkt. Die Dominanz<br />

der Grundannahme-Gruppe über die Arbeitsgruppe kann daher als Widerstand gegen<br />

<strong>das</strong> Thema der Arbeitsgruppe, als „Regression in Gruppen“ (Kernberg 1980/83,<br />

241) bezeichnet werden. Die spezifische Gruppenkultur ist immer mit einer spezifischen<br />

Position des Gruppenleiters verbunden. Seine Weigerung zur Strukturgebung<br />

fördert einen Gruppenprozess, bei dem die Gruppenkultur von einer Grundannahme-<br />

Gruppe bestimmt wird und bei dem die Arbeitsgruppenfunktion in den Hintergrund<br />

tritt.<br />

Die Anforderungen an <strong>das</strong> szenische Verstehen der Lehrer als Gruppenleiter wird<br />

durch diese gruppenanalytische Sicht insofern erweitert, als nun auch die Dynamik<br />

von Übertragung und Gegenübertragung in der Gruppe Beachtung finden muss (vgl.<br />

Lamott 1994). So kommen in Ergänzung des dyadischen Übertragungs-Gegenübertragungsgeschehens,<br />

wie es oben skizziert wurde, auch entsprechende Dynamiken<br />

zwischen Mehrpersonenkonstellationen sowie auch zwischen Einzel- und Mehrpersonenkonstellationen<br />

einerseits und der Gruppe als ganzer, als Gruppenobjekt andererseits<br />

vor.<br />

Einen letzten Aspekt gilt es in dieser Beschreibung des allgemein in der Arbeit<br />

zugrunde gelegten Unterrichtskonzepts festzuhalten. Er lässt sich in dem Stichwort<br />

‚Unterricht als Ort der Enkulturation’ fassen und ist eng mit der unterrichtlichen<br />

Relevanz der Überlegungen zur ‚Adoleszenz als zweiter Chance’, zur „adoleszenten

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