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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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2 Systematische Grundlegungen: Begriffe - Methoden - Daten 31<br />

� die im literaturunterrichtlichen Zusammenhang lesenden Subjekte (Schüler/Schülerinnen<br />

sowie Lehrer/Lehrerinnen),<br />

� die im literaturunterrichtlichen Zusammenhang Literatur rezipierende<br />

Gruppe,<br />

� die im literaturunterrichtlichen Zusammenhang rezipierte Literatur sowie<br />

� die den Rezeptionsprozess im literaturunterrichtlichen Zusammenhang<br />

steuernden didaktischen und methodischen Überlegungen und Handlungen.<br />

Die im literaturunterrichtlichen Zusammenhang lesenden Subjekte werden als Träger<br />

einer Biografie betrachtet, wobei der Erwerb biografischen Bewusstseins zum<br />

Teil eine noch zu bewältigende Entwicklungsaufgabe ist. Dazu leistet die Beschäftigung<br />

mit der Bedeutung von Sprache im Vorgang der kulturellen Semiose (vgl. Eco<br />

1973) und mit dem Prozess (auto-)biografischen Erzählens einen wichtigen Beitrag.<br />

In jedem Fall bringen die Subjekte in den Literaturunterricht auch eine unbewusste<br />

bzw. unbewusst gewordene Biografie mit ein, die im Übertragungsgeschehen des<br />

Unterrichts zum Vorschein kommen kann. Teil dieser sowohl bewussten als auch<br />

unbewussten Biografie ist die literarische Biografie als bisher durchlaufene literarische<br />

Sozialisation, sowohl als gelungene als auch als misslungene Sozialisation,<br />

nebst den dazwischen liegenden Facetten möglicher <strong>literarischer</strong> Sozialisationsverläufe<br />

(vgl. oben Abschn 2.1, Anm. 6, S. 21). Diese literarische Sozialisation umfasst<br />

zum einen Lesestoffe, die als bewältigte Lesestoffe auch eine entsprechende literarische<br />

Verstehenskompetenz implizieren. Literarische Sozialisation umfasst zudem<br />

Erfahrungen mit Lese-Szenen, die im Lesen selbst eine handlungssymbolische Verdichtung<br />

gefunden haben, die als Erfahrung der Privatlektüre bezeichnet werden<br />

kann. Sie kann über die Facetten ‚destruktiv-kontrastiv’, ‚produktiv-kontrastiv’,<br />

‚produktiv-identisch’ bis zu ‚negativ-identisch’ zum unterrichtlichen Umgang mit<br />

Literatur in Beziehung treten. D.h. die Privatlektüre kann in Kontrast zur schulischen<br />

Lektürepraxis treten, wobei diese entweder als defizitär im Vergleich zu jener<br />

empfunden und mit ihren Zielen abgelehnt wird oder im Sinne einer anderen Lektürepraxis<br />

als Bereicherung und Erfahrungserweiterung angenommen werden kann.<br />

Schulischer Literaturunterricht kann auch als mit der privaten Lektürepraxis identisch<br />

erlebt werden, wobei dies im negativen Sinne ein Verlust an entwicklungsförderlicher<br />

Differenz oder aber eine Bereicherung durch Erweiterung bekannter Lektüremodi<br />

bedeuten kann. In jedweder Form hat dieses In-Beziehung-Treten der Privatlektüre<br />

mit der schulischen Lektürepraxis eine bewusste und eine unbewusste<br />

Dimension, wobei die angedeuteten Aspekte für Schüler und Lehrer gleichermaßen<br />

gelten.<br />

Die rezipierte Literatur kann im Literaturunterricht ob ihrer doppelten Symbolqualität<br />

(vgl. oben S. 19ff) als ein doppeltes Angebot betrachtet werden, als ein diskursives<br />

und ein präsentatives. Als diskursives Angebot bietet sie die Möglichkeit zum<br />

kognitiv orientierten Verstehen. Als präsentatives Angebot kann sie als „szenischer<br />

Auslösereiz“ (Trescher 1987) betrachtet werden, der seine Wirkung in der Rezeption

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