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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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26 <strong>Jörg</strong> <strong>Steitz</strong>-Kallenbach<br />

Konkurrenz mit der Dynamik der Geschwisterrivalität verbunden sein. Beide Ebenen<br />

tangieren letztlich aber auch wieder die affektive Präsenz der Lehrer im Unterricht.<br />

Mit dieser Überlegung wird deutlich, <strong>das</strong>s Übertragungsvorgänge nicht nur bei<br />

Schülern vorkommen, sondern auch bei Lehrern, und <strong>das</strong>s damit Widerstand gegen<br />

Einsicht in die die Situation bestimmenden affektiven Faktoren auch auf Seiten der<br />

Lehrer anzutreffen ist. Solcher Widerstand wird im Folgenden als Gegenübertragungswiderstand<br />

bezeichnet, womit sowohl die Weigerung gemeint ist, die Affiziertheit<br />

durch <strong>das</strong> Übertragungsgeschehen seitens der Schüler als auch die ureigenen<br />

Übertragungsneigungen zu erkennen. Die Wahl der Profession selbst, kann in<br />

dieser Weise eine Bewältigungsform unbewusst gewordenen Leidens darstellen;<br />

auch pädagogische und didaktische Theoriebildung kann die Dimension eines Gegenübertragungswiderstands<br />

haben 15 . Der Begriff des Gegenübertragungswiderstands<br />

weist auf den der Gegenübertragung hin. Das Verhältnis von Gegenübertragungsgefühlen<br />

und Überragungsgefühlen ist sowohl sachlich als auch begriffsgeschichtlich<br />

komplex, Unterscheidungen sind nicht immer leicht zu bewerkstelligen.<br />

In dieser Arbeit wird der Begriff der Gegenübertragung insofern qualitativ von dem<br />

der Übertragung unterschieden, als mit ihm die Dimension der Einsicht in <strong>das</strong> wechselseitige<br />

Übertragungsgeschehen verbunden wird. Eine Analyse der Gegenübertragungsgefühle<br />

als den mit der unterrichtlichen Interaktion verbundenen Affekten des<br />

Lehrers zielt auf die gesamte Komplexität der Interaktion und umfasst die von den<br />

Übertragungsneigungen der Schüler induzierten Gefühle wie auch die aus der eigenen<br />

affektiven Beteiligung der Lehrer am Geschehen resultierenden unbewussten<br />

Neigungen der Lehrer. Sie lenkt ihr Augenmerk auf den Unterricht als Szene (vgl.<br />

Abb. 2, S. 20) und orientiert sich auf ihn im Sinne des „szenischen Verstehens“<br />

(Lorenzer 1983; Trescher 1985, 134-143).<br />

Szenisches Verstehen im unterrichtlichen Kontext zielt auf <strong>das</strong> Verstehen der Überdeterminiertheit<br />

des unterrichtlichen Geschehens, wie es sich in der Übertragungs-<br />

Gegenübertragungsdynamik und ihren diversen symbolischen Ausdrucksformen<br />

zeigt. Diese Dynamik und ihre Ausdrucksformen sind ein wesentliches Forschungsdatum<br />

in den im weiteren Verlauf der Arbeit darzustellenden Unterrichtssequenzen.<br />

Im Kontext von schulischen Lehr-Lern-Prozessen ist es einschließlich der dem Verstehen<br />

impliziten Arbeit am Widerstand und der Abwehr vor allem auf Seiten des<br />

Lehrers bzw. der Lehrerin angesiedelt. Vor dem Hintergrund des so erworbenen<br />

Verständnisses handeln Lehrer, indem sie didaktische Impulse geben, die die unter-<br />

15 Vgl. hierzu v.a. die Arbeit von Volker Kraft (1996), die sich die „Psychoanalyse pädagogischen Denkens“<br />

zum Gegenstand nimmt und am Beispiel Pestalozzis eine Psychobiografie des pädagogischen<br />

Handelns und des pädagogischen Denkens entwirft sowie entsprechende Erkenntnisse in einer psychoanalytischen<br />

Theorie des „pädagogischen Selbst“ (a.a.O., 369ff) verallgemeinert. Zum Verhältnis<br />

biografischer und professioneller Persönlichkeit s.a. Schmidbauers klassisch gewordene Studie zu den<br />

„hilflosen Helfern“ (1977), Horst Brücks biografische Studien zur „Angst des Lehrers“ (Brück 1978)<br />

sowie Georg Bruns Studie zu Über-Ich-Strukturen in Lehrerfamilien (1989 und 1991). Weitere<br />

Implikationen werden im methodologischen Teil dieses Kapitels im Zusammenhang der Rezeption<br />

von Devereux’ „Angst und Methode“ (1967) erörtert (s. unten, Abschn 2.3.1).

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