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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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212 <strong>Jörg</strong> <strong>Steitz</strong>-Kallenbach<br />

Schulz stellt an den Anfang der Gedichtbehandlung ein kurzes Gespräch, nachdem<br />

der Text durch den Lehrer vorgetragen wurde. Die Frage, wie dem Baum zu helfen<br />

ist, bringt die Anregung hervor: „Verpflanzen wir den Pflaumenbaum!“ Diese<br />

Handlungsidee führt zu symbolischen Verpflanzungen, zu symbolischen Gestaltungen<br />

neuer „Lebensorte“ für den Baum, was in malerischer, schreibender und szenisch-gestaltender<br />

Form geschieht. Die Schreibanregungen nehmen die bekannten<br />

Impulse etwa von Haas auf, wodurch überwiegend Parallelgedichte entstehen (vgl.<br />

59f). Die sprecherische Gestaltung der Gedichte ist methodisch am wenigsten entfaltet,<br />

Schulz begnügt sich mit einigen wenigen Hinweisen, die gewisse Schwierigkeiten<br />

dieses Gestaltungsversuches erahnen lassen (59). In den Zeichnungen nehmen<br />

die Kinder die Verpflanzungsidee auf und gestalten symbolische Verbesserungen<br />

der Lebensbedingungen des Baums und gestalten dies vor dem Hintergrund eigener<br />

Bedürfnisse und Fantasien.<br />

In ihren Deutungen der Zeichnungen wird ein wichtiges Element der Unterrichtsdynamik<br />

deutlich, in die der Ansatz der Handlungs- und Produktionsorientierung eingebunden<br />

ist:<br />

„So bekommen die Zeichnungen eine eigene Sprache, einen Raum, der sich<br />

nach verschiedenen Seiten öffnet und der es dem Lehrenden erlaubt, Einblicke<br />

in Wünsche und Vorstellungen seiner Kinder zu nehmen.“ (59)<br />

Die Bemerkung ist in zweierlei Hinsicht bedeutsam. Zum einen zeigt sie, <strong>das</strong>s auch<br />

handlungs- und produktionsorientierte Ansätze immer die Perspektive der Etablierung<br />

einer literarischen, einer ästhetischen Alltagskultur im Unterricht haben. Kommunikation<br />

und Interaktion bedienen sich dabei auch des Mediums des Ästhetischen.<br />

Das bedeutet, <strong>das</strong>s Lehrer aufnahmefähig sein müssen für die Botschaften<br />

ästhetischer Kommunikation, was eine Nähe besonderer Art zu Schülern, aber auch<br />

zu ihnen selbst entstehen lässt. Gerade Schulz’ Bemerkung zeigt auch <strong>das</strong> für Lehrer<br />

Verführerische der so entstehenden Nähe: Sie spricht nicht von den Schülern des<br />

Lehrers, sondern von „seinen Kindern“. Dies mag als ein unbedeutender Unterschied<br />

gesehen werden, aber er deutet <strong>das</strong> Problem der affektiven Nähe und <strong>das</strong><br />

Problem der für Empathie auch notwendigen Distanz an.<br />

Die in der bisherigen Darstellung entfalteten Überlegungen zur affektiven Überdeterminiertheit<br />

von Methoden im handlungs- und produktionsorientierten Unterricht<br />

als einer Facette der literaturdidaktischen Interaktionsfigur „Identifikation und Differenz:<br />

literarische Sozialisation“ sollen die Affekte nicht diskreditieren; sie sollen<br />

nicht als störende Bestandteile weder von Lehrerpersönlichkeit noch von didaktischer<br />

Planung qualifiziert bzw. disqualifiziert werden. Die Hoffnung sowohl der<br />

Kritiker der Handlungsorientierung als auch derer, die Handlungs- und Produktionsorientierung<br />

auf ein Methodenproblem reduzieren wollen, durch planerische Stringenz<br />

und sachsystematische Fundierung die affektive Dynamik des Unterrichts zu<br />

verhindern, erweist sich angesichts der geschilderten Beispiele als trügerisch.

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