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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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276 <strong>Jörg</strong> <strong>Steitz</strong>-Kallenbach<br />

richts werden. Damit ist der Zusammenhang von Literatur und Entwicklung insofern<br />

formuliert, als Entwicklung Differenz und Konflikt fordert. Die im Gefolge der Zivilisationskritik<br />

von Norbert Elias (1969) stehende Idealisierung der Privatlektüre,<br />

wie sie sich in einigen Untersuchungen der achtziger Jahre findet 4 , kann so<br />

überwunden werden, ohne die institutionskritischen Überlegungen der Untersuchungen<br />

aufzugeben 5 .<br />

Lehrer fungieren in einem solchermaßen bestimmten Unterricht in zweifacher Hinsicht.<br />

Sie sind einerseits ein Teil jener äußeren Realität, indem sie als Repräsentanten<br />

der Institution und der Kultur auftreten. Andererseits sind sie aber auch ein Teil<br />

der inneren Realität ihrer Schüler, der sich im Übertragungs-Gegenübertragungsgeschehen<br />

in der unterrichtlichen Interaktion offenbart. In dieser zweifachen Funktion<br />

der Lehrer in der Institution Schule steckt eine wesentliche Chance <strong>literarischer</strong> Sozialisation<br />

als einem tragenden Moment der kulturellen Sozialisation.<br />

5.3 Konsequenzen für die Lehrerbildung<br />

Erdheims Beschreibung des ethnopsychoanalytischen Prozesses als einer „Pendelbewegung<br />

zwischen der Analyse der eigenen und derjenigen der fremden Kultur“<br />

(1982, 34) kann nicht nur auf Texte, sondern auch auf <strong>das</strong> Verhältnis zwischen Lehrer<br />

und Schüler, zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen übertragen<br />

werden. Der Bereitschaft der Leser, in der Rezeption zwischen Nähe und Distanz zu<br />

pendeln, entspräche dann die Bereitschaft der Lehrer sich selbst in der Interaktion<br />

dem gleichen analytischen Blick zu stellen, der sich auf die Kinder und Jugendlichen<br />

richtet, den Blick also schonungslos auf die Interaktion zu richten. Diese Bereitschaft<br />

und eine entsprechende Fähigkeit können als eine wichtige Bedingung für einen<br />

Unterricht angesehen werden, der mit den Beziehungspotentialen von Interaktion<br />

und Lerngegenstand didaktisch bewusst umgeht. Dies gilt analog sicher auch<br />

für Unterricht, der nicht Literatur und literarische Sprache zum Gegenstand hat. Für<br />

den Literaturunterricht ergeben sich daraus einige Eckpunkte für eine Ergänzung bestehender<br />

Aus- und Weiterbildungsangebote, die zur Entwicklung und Weiterentwicklung<br />

von Kompetenzen beitragen können, die Lehrer benötigen, um sich im<br />

qualitativen Kontext der literaturdidaktischen Interaktionsfigur „Identifikation und<br />

Differenz: literarische Sozialisation“, wie er hier entfaltet wurde, verstehend und<br />

handelnd zu bewegen.<br />

In verschiedenen Facetten geht es dabei im Kern um die Entwicklung einer gegenstandsbezogenen,<br />

szenischen Verstehenskompetenz. Eine solche Kompetenz ist sicher<br />

kein abschließbarer Aspekt von Ausbildung. Es kann in der universitären Ausbildung<br />

zukünftiger Lehrer also in aller Bescheidenheit nur darum gehen, Wahrnehmungskanäle<br />

für <strong>das</strong> szenische Geschehen <strong>literarischer</strong> Rezeptionsprozesse im<br />

4 Beispielhaft etwa bei Richter (1980) sowie auch bei Messner/Rosebrock (1987).

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