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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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3 Literaturdidaktische Interaktionsfiguren – eine systematische Rekonstruktion 117<br />

faltet, die eben auch solche Facetten enthält, die sich dem rationalen Zugriff entziehen.<br />

Vermittlung als literaturdidaktische Aufgabe wird im Bewusstsein dieser Differenz<br />

auf <strong>das</strong> Rationale beschränkt und diese Differenz „didaktische Differenz“<br />

genannt:<br />

„Diesen Unterschied von Werkerschließung und Verstehen <strong>literarischer</strong> Texte<br />

mit ihren irrationalen Momenten und der didaktischen »Verkürzung« des<br />

Lehr- und Vermittelbaren auf <strong>das</strong> Rationale nenne ich die didaktische Differenz.“<br />

(1970a, 93)<br />

Der Begriff der „didaktischen Differenz“ thematisiert innerhalb der literaturdidaktischen<br />

Interaktionsform der Wissenschaftsorientierung <strong>das</strong> Andere des literar-ästhetischen<br />

Feldes. Der Begriff benennt aber die Differenz letztlich nur und vermag kein<br />

didaktisches Verständnis für die symbolische Konstituiertheit des Kunstwerks als<br />

Verdichtung aus präsentativen und diskursiven Symboldimensionen zu entfalten und<br />

diese symbolische Verfasstheit rückzubeziehen auf die symbolische Kompetenz der<br />

Leser und die symbolischen Formen des Rezeptionsprozesses. Die Schüler als Leser<br />

bleiben aus dem konkreten unterrichtlichen Geschehen ausgeschlossen, die Anerkenntnis<br />

der Bedeutung der Leser für <strong>das</strong> Wesen des Literarischen im literaturunterrichtlichen<br />

Kontext geht mit dem Konzept der „didaktischen Differenz“ verloren.<br />

3.3.4 Literaturdidaktik als psychoanalytische Fantasie: <strong>das</strong> Problem der<br />

Deutungsmacht<br />

„Erst ein bewußtes Eindringen der eigenen Subjektivität (des Erziehers als<br />

‘Forscher’) in die soziale Beziehung, die eine pädagogische Situation immer<br />

darstellt, ist Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis. Das wirft dann allerdings<br />

den Problemschwerpunkt auf den Erwachsenen zurück, der nun erkennen<br />

muß, daß sein pädagogisches Handeln und Denken durch seine eigenen<br />

Interessen, Erfahrungen und Wahrnehmungen vordefiniert ist, daß diese Determinanten<br />

seines Handelns und Denkens keinen apriorischen Wahrheitsanspruch<br />

zur Geltung bringen und daß ihnen legitimerweise keine unbefragte<br />

Vorherrschaft über die Zielformulierungen gegenüber dem Jugendlichen zukommen<br />

kann.“ (Ziehe 1975, 10)<br />

Mit dieser in der Sache programmatischen und zugleich methodologischen Bemerkung<br />

skizziert Thomas Ziehe zu Beginn seines Buches „Pubertät und Narzißmus“<br />

(Ziehe 1975) seine eigene didaktische Forschungsposition. Seine Forderung kann als<br />

indirekte Kritik auch jener Tendenzen innerhalb der literaturdidaktischen Interaktionsform<br />

der Wissenschaftsorientierung gelesen werden, die Kritik als emanzipatorisches<br />

Projekt sehen, gleichzeitig aber eine vehement verdinglichende Sicht auf die<br />

Subjekte haben, um deren Emanzipation es geht.

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