01.12.2012 Aufrufe

das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

3 Literaturdidaktische Interaktionsfiguren – eine systematische Rekonstruktion 185<br />

psychoanalytischen Fantasiekonzeptes für <strong>das</strong> Verständnis der Text-Leser-Interaktion.<br />

Zum anderen geht es auf der Ebene des Verstehensprozesses darum, <strong>das</strong> Textverstehen<br />

als Prozess der Triangulierung zu beschreiben.<br />

Eggert, Berg und Rutschky haben vor allem in den Interviews die Beobachtung gemacht,<br />

<strong>das</strong>s Schüler dazu neigen, sich Texte in einer Doppelbewegung derart anzueignen,<br />

<strong>das</strong>s sie einerseits eigene Perspektiven projektiv im Text unterbringen und<br />

andererseits Widerständiges des Texts ausblenden bzw. im Sinne der eigenen Projektion<br />

umdeuten (vgl. E/B/R 1973). Um nun der Besonderheit der ästhetischen<br />

Symbolwelt gerecht zu werden und um ihre Rezeption von den Forderungen der<br />

Warenästhetik nach „Eingängigkeit und unmittelbarer Evidenz“ zu unterscheiden,<br />

muss zwischen Alltagsbewusstsein und eben dieser ästhetischen Symbolwelt unterschieden<br />

und nach Übersetzungsmodi zwischen beiden gefragt werden. Diese Verbindung<br />

versuchen Eggert/Berg/Rutschky mithilfe des psychoanalytischen Begriffs<br />

der Fantasie herzustellen. In Anlehnung an Freuds (1908e) 99 produktions- und<br />

rezeptionsästhetische Aspekte verbindende Überlegungen zur Funktion der Fantasie<br />

für den Dichter formulieren Eggert/Berg/Rutschky ihre Vorstellung von der Rolle<br />

der Fantasie im literarischen Bildungsprozess. Freud beschreibt die Funktion der<br />

Fantasie als Wunscherfüllung (1908e, 173f) und benennt Dichtung als Form (179),<br />

in der wir als Leser unsere Tagträume und Fantasien formuliert und halluzinatorisch<br />

befriedigt finden können. Eggert/Berg/Rutschky betonen die Funktion der Literatur,<br />

Fantasien, also unbefriedigte Bedürfnisse, dem Bewusstsein näher zu bringen, was<br />

heißt die bildlich-symbolische Gestaltung von Fantasie und Traum durch sprachsymbolische<br />

zu ergänzen und für <strong>das</strong> Verständnis im Sinne <strong>literarischer</strong> Bildung zu<br />

erweitern:<br />

„Im Medium der Fiktion können Bedürfnisse formuliert werden, die unmittelbar<br />

nicht zugänglich sind, d.h. nicht öffentlich formuliert, anerkannt und befriedigt<br />

werden können. Dabei bildet der Text die temporäre Interpretation<br />

dieser Bedürfnisse.“ (E/B/R 1972, 431)<br />

Bis zu diesem Punkt referieren bzw. reformulieren Eggert/Berg/Rutschky den<br />

Freud’schen Ansatz. Während Freud bei seiner Darstellung aber vor dem Hintergrund<br />

einer eher privaten und nicht mit Blick auf eine schulisch-öffentlichen Lektüre<br />

argumentiert, muss nun <strong>das</strong> Konzept in den Zusammenhang öffentlicher und normativ<br />

überformter Lektüre-Modi eingebracht werden. Dabei ergeben sich zwei zentrale<br />

Fragen: Wie geht man mit den formulierten Bedürfnissen um und was heißt vor dem<br />

Hintergrund der im Text formulierten unbefriedigten Bedürfnisse Textverstehen?<br />

Die Fragen beantworten Eggert/Berg/Rutschky wie folgt:<br />

99 Hier wird Freuds Argumentation selbst nicht kritisch nachgegangen, sondern nur ihr Stellenwert in der<br />

Argumentation Eggerts, Bergs und Rutschkys skizziert.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!